Sleepy Giant
(Der schlafende Riese)
THE REBOUND EFFECT II
Teil 4-6 *
Joshi
2016
Teil 4-6 Aug 1999-März 2000
nach einer Idee von
A.M./J.S.
deutsche Fassung
63. Kapitel – Die Dunkelheit(can’t stop a Life )
Der Raum war dunkel, dunkler als die Nacht. Über diesem Raum herrschten Sand und Staub, die neuen Herren des Himmels. Dort, wo einst ein großes Gebäude gestanden hatte – nur noch Schutt und Asche. Statt des riesigen Gebäudes, auf das sich die lange Straße erstreckte wie auf ein Tor zu einer anderen Welt, waren nun alle Grundmauern in sich zusammengefallen und bildeten eine Nebelwand aus kleinsten Teilchen, vormals das Mauerwerk der Firma Rebound Effect. Und der große Platz vor der großen langen Straße - verwandelt in ein Schlachtfeld. Die Pflasterung eine zerklüftete Kraterlandschaft, übersät von Glassplittern und kleinen züngelnden Flammen, zu heißen Seen zerschmolzenes Gummi, verstreute Teilchen explodierter Gas-kessel und Computeranlagen. Eingehüllt in eine Wolke aus Sand und Staub. Das Fest, das die 15 Jahre Bestehen dieses Zentrums der Macht begehen sollte war endgültig vorbei. Durch die Nebelschwaden hindurch, konnte man auf diesem Platz ein rundliches Fluggerät ausmachen, dessen schwarzes Metallgehäuse schimmerte wie der Hornpanzer eines überdimensionalen Käfers. She erhob sich mit ihrem Gefährten wieder in die Lüfte. Erst jetzt folgten zaghafte Tropfen und schließlich Regen. Der Himmel schickte sich an es dem dunklen Raum gleich zu tun und wie ein schwarzes, samtenes Tuch über die Stätte dieses von Schwefel und Brandgeruch verzerrten Schauspiels zu legen. Von überall her schwirrten sie aus der Luft heran. Die Helikopter. Aus allen Richtungen des Himmels, wie ein Schwarm kleiner Insekten auf nur einen Punkt zu. Siemussten sich bereits durch erste, zuckende Blitze kämpfen. Durch aufkommende dunkle Wolken und mit ihren focussierenden Scheinwerfern einzelne helle Brennpunkte auf den Platz werfen. An Landung war kaum zu denken. Der Regen wurde stärker. Dem zaghaften Tröpfeln folgte ein rasseln. Harry irrte durch den Regen, der Sand verwandelte sich in Schlamm, dann in Morast. Die wenigen Überlebenden torkelten umher, wie Schiffbrüchige in einem von Orkanen auf-gepeitschten Ozean. Paula suchte ebenfalls. Sie hatten sich verloren, Paula und Harry. Sich wieder gefunden und jetzt noch einmal getrennt. Getrennt um `ihn´ schneller finden zu können. Immer wieder schrie Harry durch die eng vom Himmel fallenden Regenstrippen `seinen´ Namen. „Jeff! Wo bist du? Jeff! Mein Leben!“ Verzweifelt reckte er die Arme hoch. Dann arbeitete er sich durch Berge von Trümmern. Er kam nur langsam voran, musste sich seinen Weg durch dicht verstreute Steinplatten bahnen, und nur wenige der schweren Platten waren gerade noch ohne fremde Hilfe beiseite zu rücken. Und jeder verrutschten Steinplatte konnte eine andere nachfolgen und einen unter sich begraben. Harry glaubte eine Ewigkeit damit zu verbringen sich hier abzumühen; bis er endlich entdeckte, dass die ebenen Grundmauern des zusammengestürzten Gebäudes erhalten geblieben waren. Er musste leben, dieser dicke Mann. Sonst war alles umsonst. Irgendwo in diesen verschlammten Trümmern musste er zu finden sein. Er, den sie vom fünften Stock bis in die Tiefen dieses Kellers geschleppt hatten, der ihm, Harry, als einziger sein Weiterleben ermöglichen konnte. Und selbst wenn er nicht mehr lebte. Siemussten sich Gewissheit verschaffen. Und Detreu. Auch er konnte unmöglich diesem Inferno ohne Schaden entkommen sein. Alles war so schnell gegangen, so überraschend, dass niemand wirklich darauf vorbereitet sein konnte. Und Harry musste sich beeilen. Wenn es jetzt in die Kellergewölbe hinein regnete, würden am Ende die letzten Überlebenden noch ertrinken. Und damit auch er, Jeff Rebound, der Boss von Rebound Effect. Seine Firma gab es jetzt nicht mehr. Und diese Kellerbunker waren alles, was davon übrig blieb. Es war kein Wunder. Man schrieb das Jahr des Wasser-manns, das Jahr der Entscheidungen. Das Jahr der eigenen Gedanken. Nie zuvor auf diesem Planeten schickten sich mehr Menschen an ihre Behausung zu wechseln und umzuziehen. Das zumindest konnte man auch Jeff Rebound nur empfehlen. Nie zuvor gab es überhaupt mehr Menschen auf diesem Planeten und nie zuvor ging ein so seltsames Gefühl durch diese Welt, dass es wohl mit ihr bald zu Ende gehen würde. Und wenn nicht jetzt, so doch bereits in wenigen Jahren. Weitere hundert Jahre jedenfalls würden sich die Menschen so nicht mehr halten können. Die einen Kulturen wollten für sich bleiben, unangetastet. Und schalteten gleich mehrere Gänge, um mehrere Jahrhunderte zurück. Die anderen Kulturen, auf den alten neu aufgebauten, kümmerten sich wenig um den Erhalt dessen, was einst ihr Fundament darstellte. In den Wüsten rüsteten sie zum Krieg, um ihr altes Reich und die noch immer gültigen Überlieferungen der alten Schriften zu verteidigen. Beben der Erde, Sturmfluten, Veränderungen des Klimas wurden nicht als das gedeutet was sie waren, als ein um Einhalt gebietendes Zeichen der Natur, sondern als unerklärliche Unglücksfälle. Die neuen Kulturen beruhigten ihr Gewissen, indem sie die alten Kulturen, verzettelt in endlose Kriege, mit Hilfsgütern unterstützten, was alles nur noch schlimmer machte. Der Kreislauf ständig hin-und her geschobener Ausbesserungen kleinster Löcher und Risse, war nicht mehr aufzuhalten. Entscheidungen wurden abhängig gemacht von `Rentabilität´ wie sie es nannten und nicht von zu erhaltenden Werten. Und als die alten Kulturen keine Ruhe geben wollten, da hetzten die neuen Kulturen sie aufeinander und unwiederbringliche Reichtümer, meistervoll gestaltete Bauten, von Generation zu Generation überlieferte Traditionen wurden für immer zerstört, verschüttet und somit vergessen. Zerstört von modernsten Waffen, natürlich der neuen Kulturen. Zerstörung war um sie herum. Aber nicht auf ihren Kontinenten, sondern weit entfernt, zu Schauspielen verkommen. Und hier an diesem Ort konnte man einen guten Eindruck davon gewinnen, was das Wort Zerstörung bedeutet. Es passierte mitten in der Stadt, nicht an einem anderen Ende des Erdballs. Der dunkle Raum den Harry betrat, war ein Kellerraum und nur hier konnte jemand noch dieses monströse Disaster überlebt haben, das She angerichtet hatte. Das Klagen, die Schmerzens-schreie die er mit dem Eintauchen in die Kellerwelt hinter sich ließ, beachtete Harry nicht. Die Aufräumarbeiten hatten bereits begonnen, wenn er Hilfe wollte - brauchte er nur zu rufen. Aber er wollte keine Hilfe. Er drückte sich hinein in die Kellergewölbe und durchsuchte einen Bunker nach dem anderen, soweit er eben vorankam, soweit er überhaupt etwas erkennen konnte. Nicht einmal ein Streichholz hatte er dabei. Deshalbmusste er sich mehr auf seinen Tastsinn und seine Ohren verlassen. In jedem Bunker verweilte er kurz, um ja nichts zu überhören. Bewegte sich da etwas? Nein, weiter zum nächsten. In jedem Raum das gleiche Bild. Scherben, übereinander gefallenes Gerümpel. Wasser tropfte aus Ritzen der Betondecken von den Wänden herunter und verwandelte sie in schweiß-gebadete Rücken. Harry ging durch Pfützen, kletterte über eingefallene Türen, drückte meterdicke Kabel beiseite die aus den Wänden herauszuwachsen schienen, ihn empfangende, von Schwertern durchtrennte Arme. In den Augen schmerzte das Beißen der Rauchschwaden, in den Lungen ein Kratzen von Schwefel, in der Luft hing Brandgeruch, vermischt mit dem Geruch lehmiger, feuchter Erde. Harry wurde kalt. Er war pitschnass und jetzt begann er auch noch zu frieren. Beim zwanzigsten oder wievielten Bunker noch immer kein Lebenszeichen - nichts.
Читать дальше