Nicht lange nach dieser Wahl war es – Cedric war nun zwischen sieben und acht Jahren alt – dass das seltsame Ereignis eintrat, welches sein Leben so ganz und gar umgestaltete. Merkwürdig war, dass er gerade an dem Tage mit seinem Freunde über England und die Königin gesprochen hatte, wobei Mr. Hobbs sich sehr hart über die Aristokratie geäußert und namentlich mit den britischen Grafen und Marquis streng ins Gericht gegangen war. Es war ein sehr heiterer Morgen, und Cedric war, nachdem er mit ein paar Kameraden Soldaten gespielt hatte, zu Mr. Hobbs gegangen, um sich auszuruhen, und hatte denselben in entrüsteter Betrachtung der „London Illustrated News“ gefunden, die eine Hofzeremonie wiedergab.
„Ha,“ sagte er, „auf die Art treiben sie's nun, aber sie werden's schon eingetränkt kriegen eines schönen Tages, wenn die sich aufrichten, die sie jetzt mit Füßen treten, und das ganze Gelichter übern Haufen werfen – Herzöge und Grafen und all den Plunder! Das bleibt nicht aus; sie sollen sich nur vorsehen.“
Cedric saß wie gewöhnlich rittlings auf dem Comptoirstuhl, den Hut aus der Stirn gerückt, die Händchen in den Taschen, ganz Ohr.
„Haben Sie viele Marquis gekannt, Mr. Hobbs?“ fragte er ernsthaft. „Oder viele Grafen?“
„Nein,“ erwiderte Mr. Hobbs mit Entrüstung, „ganz und gar nicht. Aber ich möchte wohl mal so einen hier in meiner Bude klein kriegen, dem wollte ich's klar machen, dass ich keine Räuber und Tyrannen auf meinen Biskuitkasten sitzen und bei mir herumlungern lassen will.“
Dies Bewusstsein erhabenen Bürgerstolzes erfüllte ihn mit großer Befriedigung, und er wischte sich die Stirn mit einem siegreichen Herrscherblick auf seine Kisten.
„Vielleicht sind sie nur Grafen, weil sie es eben nicht besser wissen,“ bemerkte Cedric, in dessen kleinem Herzen ein gewisses Mitgefühl für die Unglücklichen aufstieg.
„Weil sie's nicht besser wissen!“ sagte Mr. Hobbs. „Da bist du ganz auf dem Holzwege, sie bilden sich ja noch Wunder was darauf ein, die Kuckucksbrut!“
Mitten in dieser Unterhaltung erschien Mary. Cedric nahm erst an, sie werde irgendeinen kleinen Bedarf für den Haushalt holen, dem war aber nicht so; sie sah sehr aufgeregt aus und war so bleich, wie man es bei ihrem Teint kaum für möglich gehalten hätte.
„Komm heim, Liebling,“ sagte sie, „die Mama will's haben.“
Cedric glitt von seinem erhabenen Sitze herunter.
„Soll ich mit der Mama ausgehen, Mary?“ fragte er. „Guten Tag, Mr. Hobbs. Ich komme ein andermal.“
„Was ist denn geschehen, Mary?“ forschte er unterwegs. „Ist's die Hitze?“
„Nein, nein,“ sagte Mary, „Gott, was bei uns für Geschichten passieren!“
„Hat denn Herzlieb Kopfweh von der Sonne?“ fragte der kleine Mann, nach und nach ängstlich werdend.
Das war's aber auch nicht. Als sie das Haus erreicht hatten, stand ein Wagen davor und im Wohnzimmer war jemand bei Mama; Mary zog ihn eilends die Treppe hinauf, steckte ihn in sein bestes Gewand, den weißen Flanellanzug mit der roten Schärpe, und bürstete seine Haare glatt.
„Ein Lord!“ sprach sie dabei vor sich hin. „Lord war's ja doch! Ach, und die Verwandtschaft. Hol sie der Kuckuck! Lord und Graf, jawohl, umso schlimmer!“
Das war wirklich alles sehr seltsam, allein er wusste ja ganz gewiss, dass seine Mama ihm alles erklären würde, und so ließ er Mary ungestört ihren Gedanken nachhängen. Als er umgekleidet war, lief er die Treppe hinunter und geradeswegs ins Wohnzimmer. Ein großer, magerer alter Herr mit einem scharfgeschnittenen Gesichte saß im Lehnstuhl, seine Mama stand daneben, sie war sehr blass, und er bemerkte auf den ersten Blick, dass sie Tränen in den Augen hatte.
„O Ceddie!“ rief sie, ihrem kleinen Jungen entgegeneilend und ihn scheu und erregt ans Herz drückend. „Ceddie, mein Herzenskind!“
Der große alte Herr stand auf und sah den Knaben scharf an, wobei er sein spitzes Kinn mit der fleischlosen Hand rieb. Der Eindruck schien ihn übrigens zu befriedigen.
„So so,“ sprach er langsam, „das ist also der kleine Lord Fauntleroy.“
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