Fjodor Dostojewski - Fjodor Dostojewski - Der Jüngling

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Fjodor Dostojewski: Der Jüngling: краткое содержание, описание и аннотация

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"Der Jüngling" von Fjodor Dostojewski erzählt von der psychischen Entwicklung eines ungefähr 20jährigen Mannes. Wegen seiner unehelichen Geburt kann er in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts nicht Fuß fassen. Zunächst zieht er sich auf sich selbst zurück und «rächt» sich durch Missachtung an der Gesellschaft. Sein Leben gewinnt an Schwung, als er seinem bis dahin weitgehend unbekannten Vater begegnet und sich von ihm beraten lässt. Doch als der Sohn das wahre Wesen des Vaters durchschaut, ändert sich ihr Verhältnis.
Dostojewskis «Jüngling» ist ein Roman voller anrührender Weisheiten, mitten aus dem realen Leben gegriffen.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Der Jüngling» von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

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»Mon pauvre enfant! Ich bin immer davon überzeugt gewesen, daß es in deiner Kindheit sehr viel unglückliche Tage gegeben hat.«

»Bitte, beunruhigen Sie sich darüber nicht!«

»Aber du bist allein gewesen, das hast du mir selbst gesagt, und wenn du auch diesen Lambert hattest; du hast das so ergreifend geschildert: dieser Kanarienvogel, diese Konfirmation mit Tränen an der Brust, und dann, ein, zwei Jahre danach, er über das Verhältnis seiner Mutter mit dem Abbé... Oh, mon cher, diese Frage der Kindererziehung ist in unserer Zeit geradezu furchtbar: solange diese Goldköpfchen mit ihren Locken und ihrer Unschuld in der ersten Kindheit vor einem umherhüpfen und einen mit ihrem hellen Lachen und ihren hellen Äuglein ansehen, da sind sie ganz wie Engel Gottes oder wie reizende Vögelchen; aber später... aber später kommt es vor, daß es das beste wäre, sie wären überhaupt nicht groß geworden!«

»Was haben Sie für eine schwächliche Denkungsart, Fürst! Und Sie reden, als ob Sie selbst Kinder hätten. Sie haben ja doch keine Kinder und werden nie welche bekommen!«

»Tiens!« erwiderte er, und sein Gesicht veränderte sich in einem Augenblick. »Da hat mir gerade Alexandra Petrowna gesagt... vorgestern, hehe!... Alexandra Petrowna Sinizkaja... du mußt sie vor drei Wochen hier gesehen haben... stell dir vor, die sagte mir vorgestern auf meine lustige Bemerkung, daß ich, falls ich mich jetzt verheiratete, wenigstens sicher sein könne, keine Kinder zu bekommen... da sagte sie auf einmal zu mir so recht boshaft: »Im Gegenteil, gerade Sie werden welche bekommen, solche Leute wie Sie bekommen unfehlbar welche, schon gleich im ersten Jahr, das werden Sie sehen!« Hehe! Und alle haben sie, ich weiß nicht woher, die Vorstellung, ich würde mich plötzlich verheiraten. Aber wenn es auch boshaft gesagt war, so mußt du doch zugeben, daß es scharfsinnig war.«

»Scharfsinnig und beleidigend.«

»Na, cher enfant, nicht jeder kann unsereinen beleidigen. Ich schätze Scharfsinnigkeit bei den Leuten besonders hoch, sie ist offenbar im Schwinden begriffen; aber was Alexandra Petrowna gesagt hat... kann man sich etwa mit ihr in einen Streit einlassen?«

»Was haben Sie da gesagt? Was haben Sie da gesagt?« rief ich hastig. »Nicht jeder kann unsereinen... das ist richtig! Nicht jeder ist wert, daß man ihn beachte, - ein vortrefflicher Grundsatz! Gerade ich kann den gebrauchen. Das werde ich mir aufschreiben. Sie sagen manchmal allerliebste Dinge, Fürst!«

Er strahlte über das ganze Gesicht.

»N'est-ce pas? Cher enfant, der wahre Esprit verschwindet aus der Welt, je länger, je mehr. Eh, mais... C'est moi qui connaît les femmes! Glaube mir, das Leben einer jeden Frau, was sie auch immer für Reden führen mag, ist ein stetes Suchen nach einem, dem sie sich unterordnen kann... Sozusagen ein Durst nach Unterordnung. Und wohl zu beachten: ohne jede Ausnahme!«

»Sehr richtig, großartig!« rief ich ganz entzückt. Zu anderer Zeit wären wir sogleich für eine ganze Stunde in philosophische Erörterungen dieses Themas hineingeraten, aber auf einmal hatte ich das Gefühl, als ob ich einen Stich bekäme, und ich wurde dunkelrot. Es kam mir der Gedanke, daß ich mich durch das Lob seines Bonmots wohl gar bei ihm vor der Geldforderung einzuschmeicheln suchte und daß er das jedenfalls denken würde, wenn ich nun mit meiner Bitte herauskäme. Ich erwähne das jetzt absichtlich.

»Fürst, ich bitte Sie ganz ergebenst, mir sogleich die fünfzig Rubel auszuzahlen, die Sie mir für diesen Monat schuldig sind«, schoß ich auf einmal in gereiztem und geradezu grobem Ton los.

Ich erinnere mich (da mir dieser ganze Vormittag mit allen Einzelheiten im Gedächtnis haftet), daß sich zwischen uns damals eine in ihrer brutalen Realität höchst garstige Szene abspielte. Er verstand mich zuerst nicht, sah mich lange an und begriff nicht, von was für Geld ich redete. Es war ja ganz natürlich, daß er nicht auf den Gedanken kam, ich könne Gehalt beanspruchen, - wofür denn auch? Allerdings versicherte er dann eifrig, er habe es nur vergessen, und zog, sobald er den Zusammenhang erraten hatte, sofort fünfzig Rubel heraus, aber er tat das mit übermäßiger Hast und wurde dabei sogar rot. Als ich sah, wie die Sache lag, stand ich auf und erklärte schroff, jetzt könne ich das Geld nicht annehmen; man habe zu mir von einem Gehalt gesprochen, offenbar irrtümlich, oder auch um mich zu täuschen, damit ich die Stelle nicht ablehnte; ich sähe jetzt vollkommen ein, daß ich nicht den geringsten Anspruch erheben könnte, da ich ja keinerlei Dienste geleistet hätte. Der Fürst bekam einen Schreck und erging sich in Versicherungen, ich hätte ihm außerordentlich viele Dienste geleistet und würde es künftig in noch größerem Umfang tun und fünfzig Rubel seien eine so winzige Summe, daß er mir im Gegenteil noch etwas zulegen werde, weil er sich dazu für verpflichtet halte, und er habe selbst alles mit Tatjana Pawlowna abgesprochen, es aber »unverzeihlicherweise ganz vergessen«. Ich brauste auf und erklärte mit der größten Entschiedenheit, es sei niedrig, ein Gehalt dafür anzunehmen, daß ich Skandalgeschichten erzählt hätte, wie ich zwei Damen mit Schleppen bis zu den Instituten nachgelaufen sei, ich hätte mich nicht verdingt, um ihn zu amüsieren, sondern um ernste Arbeit zu tun, und wenn keine Arbeit da sei, so müßten wir unsere Beziehungen abbrechen und so weiter und so weiter. Ich hätte nicht geglaubt, daß jemand so erschrecken könnte, wie er nach diesen meinen Worten erschrak. Selbstverständlich endete die Sache damit, daß ich meine Weigerung aufgab und er mir die fünfzig Rubel aufdrängte: bis auf - den heutigen Tag steigt mir bei der Erinnerung daran, daß ich sie annahm, die Schamröte ins Gesicht! In der Welt endet alles immer mit einer Gemeinheit, und das Ärgste war, er wußte mir damals beinahe zu beweisen, daß ich unstreitig das Geld verdient hätte, und ich war damals dumm genug, es zu glauben. Und außerdem war es ganz unmöglich, es abzulehnen.

»Cher, cher enfant!« rief er, indem er mich küßte und umarmte (ich muß gestehen, ich war selbst nahe daran, loszuweinen, weiß der Teufel warum, obwohl ich mich sogleich wieder in die Gewalt bekam, und selbst jetzt, wo ich dies schreibe, steigt mir das Blut ins Gesicht), »lieber Freund, du bist mir jetzt so teuer wie ein leiblicher Verwandter; du bist mir in diesem Monat ganz ans Herz gewachsen! In der sogenannten Gesellschaft sind nur Leute, denen man nicht näherkommt. Katerina Nikolajewna« (seine Tochter) »ist eine herrliche Frau, und ich bin stolz auf sie, aber sie kränkt mich doch oft, sehr oft, mein Lieber... Na, und diese jungen Mädchen (elles sont charmantes) und ihre Mütter, die immer zu meinem Namenstag herkommen, die bringen nur ihre Kanevasstickereien her, verstehen aber selbst nichts zu sagen. Ich habe sechzig Kissen mit ihren Stickereien liegen, lauter Hunde und Hirsche. Ich habe diese jungen Mädchen ja sehr gern, aber mit dir verkehre ich fast wie mit einem leiblichen Verwandten, und nicht etwa wie mit einem Sohn, sondern wie mit einem Bruder, und besonders liebe ich es, wenn du opponierst; du besitzt eine literarische Bildung, du hast viel gelesen, du verstehst es, dich zu begeistern...«

»Ich habe nichts gelesen und besitze ganz und gar keine literarische Bildung. Ich habe nur gelesen, was mir gerade in die Finger kam, und in den letzten zwei Jahren habe ich überhaupt nichts gelesen, und ich werde auch nichts mehr lesen.«

»Warum denn nicht?«

»Ich habe andere Ziele.«

»Cher... es wäre schade, wenn du dir am Ende deines Lebens sagen müßtest wie ich: Je sais tout, mais je ne sais rien de bon. Ich weiß absolut nicht, wozu ich auf der Welt gelebt habe! Aber... ich bin dir zu großem Dank verpflichtet ... und ich wollte sogar ...«

Er brach plötzlich ab, wurde ganz matt und versank in seine Gedanken. Nach einer Erschütterung (und solche konnten ihm alle Augenblicke aus dem einen oder andern Grund begegnen) verlor er gewöhnlich für einige Zeit gleichsam die gesunde Urteilskraft und vermochte nicht mehr die Herrschaft über sich auszuüben; indes erholte er sich immer bald wieder, so daß kein weiterer Schaden daraus entstand. So saßen wir ungefähr eine Minute lang da. Seine sehr volle Unterlippe hing ganz herab ... Am meisten setzte es mich in Erstaunen, daß er auf einmal seine Tochter erwähnt hatte und noch dazu mit solcher Offenherzigkeit. Natürlich führte ich das auf seinen angegriffenen Zustand zurück.

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