Fjodor Dostojewski - Fjodor Dostojewski - Der Jüngling

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Fjodor Dostojewski: Der Jüngling: краткое содержание, описание и аннотация

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"Der Jüngling" von Fjodor Dostojewski erzählt von der psychischen Entwicklung eines ungefähr 20jährigen Mannes. Wegen seiner unehelichen Geburt kann er in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts nicht Fuß fassen. Zunächst zieht er sich auf sich selbst zurück und «rächt» sich durch Missachtung an der Gesellschaft. Sein Leben gewinnt an Schwung, als er seinem bis dahin weitgehend unbekannten Vater begegnet und sich von ihm beraten lässt. Doch als der Sohn das wahre Wesen des Vaters durchschaut, ändert sich ihr Verhältnis.
Dostojewskis «Jüngling» ist ein Roman voller anrührender Weisheiten, mitten aus dem realen Leben gegriffen.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Der Jüngling» von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

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»So hast du dich ausgedrückt?«

»Jawohl. Erstens wird dadurch die gesellschaftliche Ordnung gröblich verletzt, und zweitens macht es Staub; der Boulevard aber ist für alle da: ich gehe da, ein zweiter geht da, ein dritter, ein Fjodor, ein Iwan, ganz egal, wer es ist. Das war's, was ich sagte. Und überhaupt kann ich den Gang der Frauen, von hinten gesehen, nicht leiden; das habe ich ebenfalls gesagt, aber nur andeutungsweise.«

»Aber, mein Freund, da kannst du dir ernstliche Unannehmlichkeiten zuziehen; sie konnten dich vor den Friedensrichter schleppen.«

»Gar nichts konnten sie. Sie hatten nichts, worüber sie sich hätten beschweren können: da geht ein Mensch neben ihnen und spricht mit sich selbst. Jeder Mensch hat das Recht, seine Ansicht in die freie Luft hinzusprechen. Ich habe nur ganz allgemein geredet; an die beiden Damen habe ich mich nicht gewandt. Sie selbst waren es, die mit mir anbanden: sie fingen an zu schimpfen und schimpften in weit häßlicherer Weise als ich: ich sei ein Grünschnabel, man müsse mir zur Strafe nichts zu essen geben, ein Nihilist sei ich, und sie würden mich einem Schutzmann übergeben, und ich hätte nur deshalb mit ihnen angebunden, weil sie allein gingen und schwache Frauen seien, aber wenn sie einen Mann bei sich hätten, dann würde ich sogleich Reißaus nehmen. Ich antwortete ihnen kaltblütig, sie möchten mich nicht weiter belästigen, ich würde auf die andere Seite der Straße hinübergehen. Um ihnen aber zu zeigen, daß ich vor ihren Männern keine Furcht hätte und eine Forderung anzunehmen bereit sei, würde ich ihnen in einer Entfernung von zwanzig Schritten bis zu ihrem Hause folgen, mich dann vor das Haus hinstellen und auf ihre Männer warten. Das tat ich denn auch.«

»Wirklich?«

»Natürlich war es eine Dummheit, aber ich war eben in gereizter Stimmung. Sie schleppten mich mehr als drei Werst weit in der Hitze bis dahin, wo die Institute sind, und gingen in ein einstöckiges Holzhaus hinein. Ich muß gestehen, das Haus sah sehr anständig aus: durch das Fenster sah man drinnen eine Menge Blumen, zwei Kanarienvögel, drei Stubenhündchen und einige eingerahmte Kupferstiche. Ich stand ungefähr eine halbe Stunde mitten auf der Straße vor dem Hause. Sie sahen dreimal verstohlen aus dem Fenster, aber dann ließen sie alle Rouleaus herab. Endlich trat aus dem Torpförtchen ein ältlicher Beamter heraus; nach seinem Aussehen zu urteilen, hatte er geschlafen und war von den Damen eigens geweckt worden; er trug nicht gerade einen Schlafrock, aber ein Kostüm, das durchaus nur fürs Haus paßte. Er blieb bei dem Pförtchen stehen, legte die Hände auf den Rücken und begann mich anzusehen, und ebenso ich ihn. Manchmal wandte er die Augen von mir ab, dann blickte er wieder nach mir hin, und auf einmal lächelte er mir zu. Da drehte ich mich um und ging weg.«

»Aber das ist ja Schillerscher Idealismus, mein Freund! Ich habe mich immer gewundert: du hast so schöne rote Backen, dein Gesicht strotzt nur so von Gesundheit, und dabei ein solcher, man kann sagen, Widerwille gegen die Frauen! Wie ist es möglich, daß eine Frau auf einen jungen Mann in deinem Alter nicht einen gewissen Eindruck macht? Mich, mon cher, hat mein Erzieher schon, als ich elf Jahre alt war, getadelt, daß ich im Sommergarten zu viel nach den Statuen hinsähe.«

»Sie möchten schrecklich gern, daß ich zu irgendeiner hiesigen Josephine hinginge und dann zu Ihnen käme, um Ihnen Bericht zu erstatten. Aber Ihr Wunsch ist gegenstandslos: auch ich habe schon als Dreizehnjähriger ein nacktes, ganz nacktes Weib gesehen; seitdem habe ich einen Ekel vor ihnen.«

»Im Ernst? Aber, cher enfant, ein schönes, frisches Weib duftet wie ein Apfel; wie kann man da Ekel empfinden?«

»Ich hatte in meiner ersten schlechten Pension bei Herrn Touchard, noch ehe ich aufs Gymnasium kam, einen Kameraden namens Lambert. Er prügelte mich immer, weil er mehr als drei Jahre älter war als ich, und ich mußte ihn bedienen und ihm die Stiefel ausziehen. Als er konfirmiert war, kam der Abbé Rigaud zu ihm, um ihm zur ersten Kommunion Glück zu wünschen, und die beiden fielen einander unter Tränen um den Hals, und der Abbé Rigaud drückte ihn mit allerlei pathetischen Gesten an seine Brust. Ich weinte ebenfalls und beneidete ihn sehr. Als sein Vater gestorben war, verließ er die Pension, und ich sah ihn zwei Jahre lang nicht wieder, aber nach den zwei Jahren traf ich ihn einmal auf der Straße. Er sagte, er werde mich besuchen. Ich war damals schon auf dem Gymnasium und wohnte bei Nikolai Semjonowitsch. Er kam eines Vormittags zu mir, zeigte mir fünfhundert Rubel und forderte mich auf, mit ihm zu kommen. Obgleich er mich vor zwei Jahren geprügelt hatte, hatte er mich doch immer nötig gehabt, nicht allein wegen der Stiefel; er brauchte jemand, um sich auszusprechen. Er sagte mir, er habe heute seiner Mutter aus der Schatulle mittels eines Nachschlüssels Geld weggenommen, denn das Geld, das sein Vater hinterlassen habe, gehöre nach dem Gesetz alles ihm, und sie dürfe es ihm nicht vorenthalten, und gestern sei der Abbé Rigaud zu ihm gekommen, um ihn zu ermahnen; er sei hereingekommen, habe sich vor ihn hingestellt, zu schluchzen angefangen, sehr entsetzt getan und die Arme zum Himmel erhoben. »Aber ich zog ein Messer aus der Tasche und sagte, ich würde ihn abstechen.« Wir fuhren nach dem Kusnezkij Most. Unterwegs teilte er mir mit, daß seine Mutter mit dem Abbé Rigaud ein Verhältnis habe, und er habe das gemerkt, und ihm sei alles schnuppe, und alles, was von der Kommunion gesagt werde, sei dummes Zeug. Er redete noch vieles andere, und mir wurde angst und bange. Auf dem Kusnezkij Most kaufte er eine doppelläufige Flinte, eine Jagdtasche, fertige Patronen, eine Reitpeitsche und dann noch ein Pfund Konfekt. Wir fuhren vor die Stadt, um zu schießen, und begegneten unterwegs einem Vogelhändler mit Käfigen; Lambert kaufte ihm einen Kanarienvogel ab. In einem Wäldchen ließ er den Kanarienvogel heraus, da dieser nach der langen Gefangenschaft im Bauer ja doch nicht weit wegfliegen konnte, und fing an, nach ihm zu schießen, traf ihn aber nicht. Er schoß zum erstenmal in seinem Leben; eine Flinte aber hatte er sich schon längst kaufen wollen, schon als er noch bei Touchard war, und wir hatten von der Flinte schon lange zusammen geträumt. Vor Aufregung war er ganz benommen. Er hatte pechschwarzes Haar, ein weiß-rotes Gesicht wie eine Maske, eine lange Hakennase wie die Franzosen, weiße Zähne und schwarze Augen. Er band den Kanarienvogel mit einem Faden an einen Zweig und gab aus nächster Nähe, aus einer Entfernung von zwei Zoll, aus beiden Läufen zwei Schüsse auf ihn ab, und das Tierchen zerstob in hundert Federchen. Dann kehrten wir zurück, fuhren nach einem Gasthaus, ließen uns ein Zimmer geben und fingen an zu essen und Champagner zu trinken; da kam eine Dame... Ich erinnere mich, daß mir ihre luxuriöse Toilette sehr imponierte: sie trug ein grünseidenes Kleid. Da sah ich denn nun das alles... wovon ich Ihnen schon gesagt habe... Darauf, als wir wieder zu trinken angefangen hatten, begann er, sie zu hänseln und zu schimpfen; sie saß ohne ihr Kleid da, er hatte es ihr weggenommen, und als sie anfing zu schimpfen und ihr Kleid zu verlangen, um sich anzuziehen, begann er sie aus Leibeskräften mit der Peitsche über die nackten Schultern zu schlagen. Ich stand auf und packte ihn an den Haaren, und zwar so geschickt, daß ich ihn mit einem Ruck auf den Fußboden warf. Er ergriff eine Gabel und stach mich damit in den Schenkel. Da kamen auf das Geschrei Leute ins Zimmer gestürzt, und es gelang mir, zu entwischen. Seitdem ist' es mir eklig, an ein nacktes Weib zu denken; und dabei ist sie wirklich schön gewesen, das können Sie glauben.«

Während meiner Erzählung hatte sich der Gesichtsausdruck des Fürsten aus einem heiteren in einen tieftraurigen verwandelt.

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