Seos Gedanken kreisten um einen Bericht, der zufällig in seine Hände gefallen war. Er behielt den Inhalt jedoch für sich und machte daraus sein Geheimnis. Darin wurde auf etwas hingewiesen, nachdem er auf eigene Faust suchte. Leider war es dem Geistlichen bislang nicht gelungen, fündig zu werden – aber er wollte nicht aufgeben und den Mechanismus finden! Aber was würde dieser auslösen?
Nun erinnerte er sich an die ewigen Streitereien, zwischen ihm und Sim. Dabei stieg in ihm die Wut wieder hoch, während er an die Situation dachte, als Sim die Farbe über ihn geschüttet hatte. Er vermutete, dass dieser damals beabsichtigt hatte, dass er selbst die Messe abhalten würde und nicht Seo, wie vom Bischof zuvor beauftragt wurde. Doch Seo hatte Sim einen Strich durch die Rechnung gemacht und den dritten Helfer ins Spiel gebracht. Lik war jedoch sehr nervös und vermasselte die Messe, weswegen Seo mächtigen Ärger mit Juw, dem Bischof, bekam.
Während dieser Messe bemerkte er jedoch den Mönch auf einem der Bilder und seitdem trieb ihn der Gedanke, das Rätsel im Dom zu lösen, voran. Doch er musste sich vor Sim in Acht nehmen, der ihn heimlich beobachtete und versuchte, einen Keil zwischen ihn und den Bischof zu treiben. Sim ging sogar soweit, dass er Seo eines Diebstahls bezichtigte. Das ließ er sich nicht gefallen, schließlich war er ein Pfarrer und würde sich niemals versündigen. Seo gelang es, die anderen von seiner Unschuld zu überzeugen, doch der Keil zwischen ihm und seinem einstigen Freund Juw wurde tatsächlich größer und er konnte daran nichts ändern.
Seo hatte jedoch ein Ass im Ärmel. Er hatte bemerkt, dass ein früherer Bischof etwas mit dem Mönch und dem Bild im Dom zu schaffen hat. Er hoffte, dass dieser weitere Spuren hinterlassen hatte, die er nun suchen wollte und wünschte, mit dessen Hilfe des Rätsels Lösung finden zu können. Wie ein Puzzel wollte er die einzelnen Teile entdecken und zusammenfügen, um so das Geheimnis um den mysteriösen Mönch zu lüften und damit das Vertrauen des Bischofs wiederzuerlangen.
Seo hatte eine Liste erstellt, in der alle Änderungen enthalten sind, die der damalige Bischof in Auftrag gegeben hatte und die bis heute, laut seinen Nachforschungen, noch genau so erhalten sind. Einer dieser Hinweise könnte sich, laut seinen Erhebungen, in diesem kleinen Raum befinden, in dem er sich nun aufhielt. Auch wenn er nicht wusste, um welchen Puzzleteil es sich dabei handeln könnte oder wie er aussehen würde, so hoffte er dennoch, dass er ihn erkennen würde, wenn er ihn vor Augen hatte.
Während seiner gedanklichen Reise in die Vergangenheit, fiel ihm etwas ein. In seiner Erinnerung tauchte etwas auf, das er bis jetzt nicht beachtet hatte. Es gab einen Grund, warum dieses Zimmer unbewohnt war, obwohl es größer und schöner als alle anderen war.
Koa hatte ihm am ersten Tag seiner Ankunft anvertraut, dass in diesem Raum ein Suizid verübt worden war.
Nun kombinierte er, dass es sich dabei um die verrückt gewordene Haushälterin handeln könnte, die den frühen Tod des damaligen Bischofs nicht verkraften konnte, wie er aus den Unterlagen in der Bibliothek erfahren hatte.
Da ihm aufgefallen war, dass das Fenster sich neben dem der Bibliothek befand, suchte er auch hier einen Mechanismus.
Er vermutete, dass sich der Unbekannte, der den Bericht verfasst hatte, geirrt haben könnte, da dieses Fenster den gleichen Ausblick bot, wie das Fenster in der Bibliothek.
Doch die aufkeimende Hoffnung erlosch rasch wieder, als er nichts Verdächtiges fand.
Enttäuscht zog er wieder ab, er hatte noch immer keine weitere Spur auf den Mönch gefunden. Da die Küche auf dem Weg lag, begab er sich auch dahin und suchte die Möbel nach etwas Brauchbarem ab, doch der Geistliche bemerkte nichts.
Leise schlich er wieder in den Dom und untersuchte die Bänke in der ersten Reihe. Nicht weil er daran glaubte etwas zu finden, sondern weil er gründlich nachforschen wollte. Seo wollte sich keinen Vorwurf machen müssen, etwas übersehen zu haben. Er hatte sich eigentlich schon damit abgefunden, dass die Suche vergeblich war.
Als er ohne Erfolg alle Bänke gemustert hatte, begab er sich zu dem Beichtstuhl, denn das war der letzte Eintrag auf seinen Notizen.
Zuerst suchte er im Inneren des Beichtstuhles, doch er vermutete, dass hier kein weiterer Puzzleteil sein würde, da dieser sonst schon längst entdeckt worden wäre, wenn er daran dachte, wie viele Menschen schon darin Platz genommen haben mussten.
Trotzdem inspizierte er jeden Winkel und jede Ecke. Nachdem er den Bereich, in dem sich der Bischof aufhielt, untersucht hatte, stieg er in den Teil der Sünder und nahm diese Seite unter die Lupe. Hier hatte er schon mehr Hoffnung etwas zu finden und deshalb nahm er in diesem Kämmerchen alles genau in Augenschein, doch schnell wurde ihm klar, dass es auch hier nichts zu finden gab.
Nun nahm er sich das Äußere des Beichtstuhles vor. Wieder ließ er keine Stelle aus, an der etwas versteckt sein hätte können. Mit einem lauten Seufzer schloss er die Augen und ließ seinen Blick kreisen. Die Suche war vergebens!
Durch diese Enttäuschung fiel er in ein Loch und die Müdigkeit überkam ihn. Die Suche war von Anfang an zum Scheitern verurteilt und auch wenn er dies befürchtet hatte, so wollte er es doch nie wahrhaben.
Nach all den Jahren waren die Spuren, die zur Lösung des Rätsel um den Mönch geführt hätten, doch zu sehr verwischt worden, wenn es denn überhaupt welche gab. So sicher war er sich nun nicht mehr.
„Mist!“, fluchte er leise, da auch seine Hoffnungen, seinen alten Freund, den Bischof, umzustimmen und wieder zurück zu gewinnen, nun endgültig versiegt waren.
Er war zuversichtlich gewesen, dass Juo ihm endlich Glauben schenken würde, wenn er das Rätsel um den Mönch lösen, das Geheimnis finden und es ihm überreichen würde. Diese Hoffnung hatte er nun aufgegeben.
Seo stand nun vor dem Gemälde, mit dem alles begonnen hatte. Der Mönch war darauf immer noch klar und deutlich zu erkennen. Doch was wollte er ihm mitteilen?
„Vergiss es! Dieser Mist hat dich in diese verzwickte Lage gebracht.“, murmelte er enttäuscht vor sich hin. Seine Träume, eines Tages Bischof zu werden, waren nun für immer vernichtet.
Da er das Bild nicht mehr vor seinen Augen haben wollte, drehte er sich weg. Plötzlich schlug er sich mit der Hand auf die Stirn, als ihm eine Idee durch den Kopf schoss.
„Wie konnte ich nur so blind sein und auch nicht daran denken!“, hauchte er und verstand sich selbst nicht mehr.
Als er seinen neuen Einfall überprüfen wollte, hatte er plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Erschrocken drehte er sich in alle Richtungen und hob die Lampe, um deren Schein wirksamer werden zu lassen.
Gespenstisch warf es die Schatten der Bänke dabei an die Wand. Bei jeder Bewegung mit der Kerze begannen diese Schatten zu tanzen und versprühten eine unheimliche Atmosphäre.
„Hallo?“, rief er leise. Er dachte, dass vielleicht Kea, Lik oder Loa das Licht im Dom bemerkt haben könnten und nun einer von ihnen kontrollieren wollte, warum es brannte. Doch er konnte weder jemanden erkennen, noch folgte eine Antwort!
Er hatte vorhin dasselbe Gefühl, wie bei seinem ersten Ausflug in der Nacht. Auch damals dachte er, dass ihn jemand beobachten würde. Doch wer sollte das sein?
Mit langsamen Schritten schlich er durch den Dom. Seine Augen zuckten nervös hin und her. Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihm aus, als würde sich hinter jeder Bank jemand befinden, der sich gleich auf ihn stürzen würde.
Der Schein der Lampe begann wild zu flackern, als er sie nervös hin und her schwenkte, um alles besser erkennen zu können. Obwohl nichts passiert war, breitete sich eine merkwürdige, ungeheure Angst in ihm aus.
Seo blieb ruckartig stehen und verhielt sich mucksmäuschenstill. Er wollte feststellen, ob er wieder etwas hörte. Doch es blieb still.
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