1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 An Catharine .
»Einem jener mitleidigen Geister, deren Thränen strömen für die Verbrechen der Sterblichen, ist es gestattet worden, mir zu eröffnen, durch welches Mittel einzig mein fürchterliches Urtheil abgewendet werden kann.
Würde es mir nur möglich, an Bord meines Schiffes die heilige Reliquie zu empfangen, auf welche ich den verhängnißvollen Eid schwor, um sie in Demuth zu küssen und über dem geheiligten Holze eine Thräne tiefer Zerknirschung zu vergießen, so würde ich Ruhe finden.
Wie dieß bewerkstelligt werden kann, oder wer eine so verhängnißvolle Aufgabe vollziehen wird, weiß ich nicht. O Catharine, wir haben einen Sohn – doch nein – nein, laß ihn nichts von mir hören, bete für mich – und nun, lebe wohl.
J. Vanderdecken .«
»Dann ist's also Wahrheit, fürchterliche Wahrheit,« dachte Philipp, »und über meinem Vater ist im Leben das Gericht ergangen. Und er deutet auf mich hin – auf wen anders sollte er auch? Bin ich nicht sein Sohn und ist es nicht meine Pflicht?«
»Ja, Vater,« rief Philipp laut, indem er auf seine Kniee niederfiel; »du sollst diese Zeilen nicht vergeblich geschrieben haben. Ich will sie noch einmal lesen.«
Philipp erhob seine Hand; aber obgleich es ihn dünkte, als halte er den Brief noch immer fest, war er doch nicht mehr vorhanden – er hielt ein Nichts umfaßt. Er blickte auf das Gras, um zu sehen, ob er ihn habe fallen lassen – aber nein: der Brief war verschwunden. War es ein Gesicht? – Nein, nein; er hatte jedes Wort gelesen.
»Dann galt die Botschaft mir, und Niemand anders, als mir. Ich nehme dieß als ein Zeichen an.«
»Höre mich, theurer Vater – wenn es dir gestattet ist – und du, barmherziger Himmel, vernimm gnädig mein Gelübde – höre den Sohn auf die heilige Reliquie schwören, daß er das Urtheil abwenden will, und wenn er darüber in den Tod gehen müßte. Dieser heiligen Pflicht will er seine Tage weihen, und wenn er sie erfüllt hat, voll Hoffnung und im Frieden hinfahren. O Himmel, der du den übereilten Eid meines Vaters aufgezeichnet hast, thue nun ein Gleiches mit dem Angelöbniß, das der Sohn auf dasselbe geheiligte Kreuz leistet, und möge mein Meineid mit einer grausameren Strafe heimgesucht werden, als die seinige ist! Höre meinen Schwur, o Himmel, der du in deinem Erbarmen zuletzt noch den Vater und den Sohn aufnehmen wirst – und wenn ich zu kühn bin, o so vergib meiner Anmaßung!«
Philipp warf sich auf sein Antlitz nieder und berührte mit seinen Lippen das geheiligte Symbol. Die Sonne ging unter und auch die Dämmerung wich der Nacht, die Alles in ihr Leichentuch hüllte; aber immer noch verharrte Philipp abwechselnd in Gebeten und Betrachtungen.
Da wurde er plötzlich durch die Stimmen einiger Menschen aufgeschreckt, welche sich einige Schritte von seinem Verstecke auf den Rasen niederließen. Er achtete wenig auf ihr Gespräch; aber dennoch hatte es ihn gestört, und sein erster Gedanke war, nach der Hütte zurückzukehren, um seine Plane weiter zu überlegen. Die Männer sprachen in gedämpftem Tone, fesselten übrigens dennoch bald seine Aufmerksamkeit durch den Gegenstand ihrer Unterhaltung, denn sie berührten Mynheer Poots Namen. Er lauschte angelegentlich und entdeckte, daß die Sprecher vier entlassene Soldaten waren, welche noch in der nämlichen Nacht das Haus des kleinen Doctors anzugreifen gedachten, da sie wußten, es dürfte viel Geld bei ihm zu erholen sein.
»Mein Vorschlag ist der beste.« sagte der Eine. »Er hat Niemand bei sich, als seine Tochter.«
»Die ist mir lieber als sein Geld,« versetzte der Andere; »also wohl gemerkt, ehe wir gehen, muß es vollkommen ausgemacht sein, daß sie mir zufallen soll.«
»Ja, wenn du sie kaufen willst, so haben wir nichts dagegen,« entgegnete ein Dritter.
»Es gilt! wie viel könnt ihr auch mit gutem Gewissen für ein quieksendes Mädchen verlangen?«
»Ich dächte fünfhundert Gülden,« erwiderte der Andere.
»Gut; sei's drum – aber nur unter der Bedingung, daß sie, im Falle mein Antheil an der Beute sich nicht so hoch beläuft, dennoch mir gehört und ich sie für meinen Part behalten darf, wie viel er auch immer ausmachen mag.«
»Das ist nicht mehr wie billig,« sagte der Andere.
»Aber ich müßte mich sehr täuschen, wenn wir aus den Truhen des Alten nicht mehr als zweitausend Gülden fegten.«
»Was meint ihr beiden Anderen – bleibt es dabei, daß Baetens das Mädel haben soll?«
»Ja,« versetzten die Andern.
»Wohlan denn,« erwiderte derjenige, welcher sich Mynheer Poots Tochter ausbedungen hatte, »jetzt bin ich mit euch – Herz und Seele. Ich liebte das Mädchen und versuchte, sie für mich zu gewinnen – ja, ich machte ihr sogar einen Heirathsantrag, aber der alte Filz hat mich zurückgewiesen, – mich, einen Fähndrich und Offizier; aber jetzt will ich Rache haben. Wir schonen ihn nicht.«
»Nein, nein,« entgegneten die Anderen.
»Wollen wir gleich jetzt aufbrechen, oder noch eine Weile warten, bis es später ist? Ungefähr in einer Stunde geht der Mond auf und wir können gesehen werden.«
»Wer sollte uns auch sehen, wenn es nicht etwa Jemand ist, der ihn zu einem Patienten holen will? Ich bin der Ansicht, je später, desto besser.«
»Wie lange werden wir brauchen, um an Ort und Stelle zu gelangen?«
»Seine Wohnung ist keine halbe Stunde entlegen. Gesetzt, wir brechen nach einer halben Stunde auf, so langen wir gerade in rechter Zeit an, um die Gülden beim Mondscheine zählen zu können.«
»Recht so. Inzwischen setze ich einen neuen Stein in mein Schloß und lade meine Büchse. Das kann ich auch im Dunkeln verrichten.«
»Du bist daran gewöhnt, Jahn.«
»Allerdings – und ich denke, diese Kugel soll dem alten Spitzbuben durch den Kopf fliegen.«
»Gut; 's ist mir lieber, wenn du ihn todtschießest, als wenn ich's thun sollte,« versetzte ein Anderer. »Er hat mir zu Mittelburg das Leben gerettet, als mich Jedermann schon aufgegeben hatte.«
Philipp wartete nicht weiter ab. Er kroch hinter dem Gebüsche weiter, bis er den Wald erreicht hatte und machte nun einen Umweg, um von dem Raubgesindel nicht entdeckt zu werden. Er wußte, daß es entlassene Soldaten waren, die in Massen das Land unsicher machten. Alle seine Gedanken gingen nur darauf hin, den alten Doctor und dessen Tochter gegen die ihnen bevorstehende Gefahr zu schützen, so daß er für eine Weile sogar seinen Vater und die aufregenden Enthüllungen des Tages vergaß. Obgleich er beim Aufbruche von seiner Wohnung nicht gewußt hatte, in welcher Richtung er ging, so kannte er doch die Gegend genau, und nun es Noth that, zu handeln, erinnerte er sich schnell, wo er Mynheer Poots' einsame Behausung aufzusuchen hatte. In größter Hast eilte er nach derselben hin und langte in weniger als zwanzig Minuten an der Thüre an.
Wie gewöhnlich war Alles stumm und die Thüre verschlossen. Philipp klopfte, erhielt aber keine Antwort. Nach mehrmaligem vergeblichem Pochen wurde er ungeduldig. Mynheer Poots mußte zu einem Kranken gerufen worden sein und war nicht zu Hause. Philipp rief daher so laut, daß er im Innern gehört werden konnte:
»Jungfrau, wenn Euer Vater ausgegangen ist, wie ich vermuthe, so hört, was ich Euch zu sagen habe. Ich bin Philipp Vanderdecken und habe eben erst vier Schurken belauscht, welche einen Anschlag schmiedeten, Euren Vater zu ermorden und ihn seines Geldes zu berauben. In weniger als einer Stunde werden sie hier sein, und ich eilte zu Euch, um Euch zu warnen und zu beschützen, wenn es in meiner Kraft liegt. Ich schwöre bei der Reliquie, die Ihr mir diesen Morgen ausgeliefert habt, daß meine Angabe wahr ist.«
Philipp harrte eine Weile, ohne daß eine Erwiderung erfolgte.
»Jungfrau,« nahm er wieder auf, »antwortet mir, wenn Ihr das werthschätzt, was Euch noch theurer sein muß, als sogar Eurem Vater das Geld ist. Oeffnet das Fenster und hört, was ich zu sagen habe. Ihr lauft keine Gefahr dabei, und selbst wenn es nicht dunkel wäre, so habe ich Euch ja bereits gesehen.«
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