Titelseite Stefan Zweig Silberne Saiten Gedichte 1901
Zur Einleitung. Zur Einleitung. Was ins Weite einst geflogen, Einzeln, ein verlorner Klang, Ruht hier, Blatt an Blatt gebogen, Träumerstunden stiller Sang. – Nun geht's weithin auf die Reise. Allen gibt es wohl nicht viel, Aber mir erklingt d'raus leise Meiner Jugend Sehnsuchtsweise Und mein innres Glockenspiel . . .
Das Lebenslied. Das Lebenslied. . . . Und jedes Lebensmal, das ich gefühlt, Hat in mir dunkle Klänge aufgewühlt. Und doch, das eine will mir nie gelingen, Mein Schicksal in ein Lebenslied zu zwingen, Was mir die Welt in Tag und Nacht gegeben, In einen reinen Einklang zu verweben. Ein irres Schiff, allein auf fremden Meer, Schwankt meine Seele steuerlos einher Und sucht und sucht und findet dennoch nie Den eig'nen Wiederklang der Weltenharmonie. Und langsam wird sie ihrer Irrfahrt müd. Sie weiß: Nur einer ist's, der löst ihr Lied, Der fügt die Trauer, Glück und jeden Drang In einen tiefen, ewig gleichen Sang. Nur durch den Tod , der jede Wunde stillt, wird meiner Seele Wunschgebet erfüllt. Denn einst, wenn müd mein Lebensstern versinkt, Mit matten Lichtern nur der Tag noch winkt, Da werd' ich sein Erlösungswort verspüren, Er wird mir segnend an die Seele rühren, Und in mir atmet plötzlich heil'ge Ruh . . . Mein Herz verstummt. . . Er lächelt mild mir zu . . . Und hebt den Bogen . . . Und die Saiten zittern Wie Erntepracht vor drohenden Gewittern, Und beben, beugen sich – und singen schon Den ersten, sehnsuchtsweichen Silberton. Wie eine scheue Knospe, die erblüht, Reift aus dem ersten Klang ein süßes Lied. Da wird mein tiefstes Sehnen plötzlich Wort, Mein Lebenslied ein einziger Accord, Und Leid und Freude, Nacht und Sonnenglanz Umfassen sich in reiner Consonanz. Und in die Tiefen, die noch keiner fand, Greift seine wunderstarke Meisterhand. Und was nur dumpfer Wesenstrieb gewesen, Weiß er zu lichter Klarheit zu erlösen. Und wilder wird sein Lied . . . Wie heißes Blut So rot und voll strömt seiner Töne Flut Und braust dahin, wie schaumgekrönte Wellen, die trotzig an der eig'nen Kraft zerschellen, Ein toller Sang lustlechzender Mänaden Ertost es laut in jauchzenden Kascaden. Und wilder wird der Töne Bacchanal Und wächst zur ungeahnten Sinnesqual Und wird ein Schrei, der schrill zum Himmel gellt – – Dann wirrt der wilde Strom und stirbt und fällt . . . Ein Schluchzen noch, das müde sich entringt . . . . . . Das Lied verstummt . . . Der matte Bogen sinkt . . . Und meine Seele zittert von den Saiten Zu sphärenklangdurchbebten Ewigkeiten . . .
Wie dunkle Kiefernforste . . . Wie dunkle Kiefernforste . . . Wie dunkle Kiefernforste sind oft meine Träume, Wo sich die Stämme innig aneinanderdrängen. Dort blaut kein heller Frühlingstag. Die Zweige hängen In stiller Trauer, voll von wundersamen Klängen Wie lang vergessne Harfen sind dort alle Bäume. Doch manchmal zittert mild ein Mondesglanz hernieder Herab aus silberweißen weiten Himmelsfernen Und schluchzt und sehnt sich wieder auf zu seinen Sternen . . . Dann horchen alle Bäume bebend hin und lernen Von ihm die trauerdunklen, sehnsuchtsmüden Lieder.
Verflogene Sehnsucht. Verflogene Sehnsucht. Die Frühlingnacht naht lind und lau Durch träumende Gelände. Wie süßer Atem einer Frau So lösungsmild, so zart, so lau Sind ihre weichen Hände. Die tragen Deine Sehnsucht fort, Du fühlst sie Dir entschwinden . . . Nun weißt Du nicht ihr Ziel und Wort, Suchst Deine Sehnsucht fort und fort Und kannst sie nimmer finden . . .
Der Dichter. Der Dichter. Ging einer in die helle Sommernacht. Dem war schon längst die letzte Liebe tot; Er klagte nicht. – Doch purpurn war entfacht In seinem Herz der Wunden Narbenrot. Im Auge flackerte ein fremder Glanz Des tiefen Leides späte Schmerzenssaat . . . So schritt er stumm dahin . . . Irrlichtertanz War Führer ihm am blassen Dämmerpfad. In reichem Frieden schimmerte das Land Wie eine Brust, die selig atmend bebt . . . Da fühlt er, wie der Stille weiche Hand Um seine heißen Pulse kühlend schwebt. Und schwellend flog aus tausend Kelchen her Ein Blühen, das von weiten Fernen kam; Wie dunkle Weine war der Duft so schwer, Der mild sein großes Weh gefangen nahm. Und traumgewandet zieht die Einsamkeit Ans Mutterherz den müden Träumer hin, Bis er vergessen Wirklichkeit und Leid Im Banne ihrer Rätselmelodien. Und Blütendolden stäubten in sein Haar . . . Die Stimme aber sang und ruhte nicht, Bis jeder Gramgedanke Traum nur war, Und jeder Schmerz ein ewiges Gedicht . . .
Vertrauen. Vertrauen. Oh, einmal kommt das Glück, wann es auch sei! Da hastet nicht der Tag an mir vorbei Hinein in's weite wirre Weltgetriebe, Da trag' auch ich im Haare Frührotschein, Und Sonne wird um meine Jugend sein, Dem Prunkpokale meiner großen Liebe. Da prangt die Welt in Glanz und Feierkleid Und meine Liebe wird mir tote Zeit Und stumme Zukunft morgengoldig färben! – Am Tag, da meines Lebens Liebe blüht Da ist des Leides letztes Scheit verglüht Da wird auch meine wilde Sehnsucht sterben . . .
Das Mädchen. Das Mädchen. Heut kann ich keine Ruhe finden . . . Das muß die Sommernacht wohl sein. Durchs offne Fenster strömt der Linden Verträumter Blütenduft herein. Oh Du mein Herz, wenn er jetzt käme – Die Mutter ging schon längst zur Ruh – Und Dich in seine Arme nähme . . . Du schwaches Herz, . . . was thätest Du? . . .
Mittagsträumerei. Mittagsträumerei. Langsam schleicht die Stille in den Garten Und verstohlen schließt der leise Wind Einem mittagsmüden Kind Ihre zarten Träumeraugen, die voll Sehnsucht sind. Über weiche weiße Blütenflocken Strömt die Sonnenflut von Baum zu Baum Und umblüht mit gold'nem Saum Ihre Locken Und gießt frohes Licht in ihren Traum . . .
Lied. Lied. Rote Rosen in den Beeten Sind von rohem Fuß zertreten Und der Fuß gehörte mir. Denn mich faßte ein Verlangen Rote Lippen, weiche Wangen. Und – schon sprang ich hin zu Dir. Doch die Liebe kann nicht messen Unbehutsam und vermessen Kam ich in des Beet's Revier. Rote Rosen in den Beeten Sind von rohem Fuß zertreten Doch da kannst nur Du dafür . . .
Gewährung
Im Feld.
Dunkle Sehnsucht.
Nocturno.
Der Forscher.
Sternenglaube.
Im Abendpurpur.
Du!
Juninacht.
Begehren.
In tiefer Nacht.
Stille Größe.
Neues Verlangen.
Morgenlicht.
Das sind die Stunden . . .
Vorahnung.
Vorüber . . .
Nacht am Gebirgssee.
Winterabend im Zimmer.
Spätsommer.
Mein Lied.
Wunder des Abends.
Ein Drängen . . .
Volksmotiv.
Regentage.
Einsamkeit.
Nach dem Frühlingsregen.
Im Balladenton.
Weihnacht.
Hand in Hand.
Rauher Frühling.
Abendklänge.
Tag und Nacht.
Verstummter Wind.
Junge Glut.
Gefangen.
Dichterstunde.
Schneewinter.
Werbung.
In den Tag hinein.
Nach Hause.
Frühlingssonne.
Aus schweren Nächten . . .
Meine Liebe.
Nun weiß ich . . .
Im alten Parke.
Sehnsucht.
Ahnung.
Erfüllung.
Erste Schatten.
Ausklang.
Erinnerung.
Impressum
Stefan Zweig
Silberne Saiten
Gedichte
1901
Читать дальше