Ein exotisch bunter › Pulcinella ‹ schlug in einem winzigen Bühnenausschnitt auf einen Drachen ein. Kinder johlten und Mütter klatschten Beifall. Durch das Gewühl großer und kleiner Leiber hindurch machte Clairé den gebürtigen Italiener Frederico Scarantino aus, den kleinen Mann, der ihr in der Vergangenheit so manchen brauchbaren Hinweis geliefert hatte und dafür immer ein ordentliches Honorar verlangte.
Scarantino saß auf einer Bank und visierte einen imaginären Punkt an.
Clairé steuerte zielstrebig auf ihn zu. Natürlich setzte sie sich nicht direkt neben ihn, ließ aber ihre kleine Handtasche so von der Schulter rutschte, dass sie sich beim Bücken mit ihrem Gesicht dicht vor seinem Kopf befand. »Reden Sie schon, Frederico!«, raunte sie ihm zu. »Sie wissen genau, dass ich Sie nicht um ein paar Pfund bringen will. Ich hinterlege das Geld am üblichen Platz.«
»Aberdeen«, murmelte er.
»Ich verstehe nicht.«
»Aberdeen«, wiederholte der Italiener mit schwacher Stimme. »› Overnight ‹ … Hotel …«
»Frederico, ist Ihnen nicht gut?«
Scarantino war erschreckend bleich und hatte Ränder unter den Augen. Sei Blick war stumpf. Als ihn jemand zufällig von der Seite anstieß, kippte er nach vorn und blieb bäuchlings auf dem Pflaster der Gasse liegen.
Clairé sah das Messer in seinem Rücken und wusste, dass sie gerade einem Sterbenden in die Augen gesehen hatte.
Die Kinder und Mütter widmeten ihre Aufmerksamkeit nun auch dem blutenden Mann. Augenblicklich schlugen ihre Begeisterungsrufe in lautes Kreischen und Zetern um. Irgendwer zerrte drei oder vier Kinder weg, um sie vor dem grauenhaften Anblick zu bewahren. Immer mehr Blut trat aus der Wunde und breitete sich als Fleck auf dem Pflaster aus.
Clairé brachte ihren Mund an Scarantinos Ohr. »Wer war es, Frederico? Sagen Sie es mir. Ich werde ihn finden, und wenn ich die ganze verdammte Stadt nach ihm umgraben muss.«
Aber der Italiener konnte nichts mehr sagen. Er hatte längst den Schritt von dieser Welt in die nächste vollzogen.
Clairé bemerkte es, richtete sich auf und musste sich festhalten. Ihr war schwindelig und furchtbar elend zumute. Frauen redeten auf sie ein, aber sie antwortete und beachtete sie nicht. Es war sinnlos, die Leute zu befragen. Sie wusste auch so, dass keiner Zeuge des Mordes geworden war. Und selbst wenn es jemand beobachtet haben sollte, so würde er nichts verraten, denn ein schwatzhafter Mensch galt in › Little Italy ‹ bereits als so gut wie tot.
Beamte des › MPS ‹, des › Metropolitan Police Service ‹ erschienen auf der Bildfläche.
Clairé erklärte ihnen, dass ihr der Mann rein zufällig entgegengefallen wäre, was im Endeffekt ja auch stimmte, und um vorerst längeren Verhören auszuweichen, gab sie an, ihn nicht zu kennen. Als sie gehen konnte, suchte sie sich eine ruhige Stelle und rief Leonard Edwards mit ihrem Smartphone an.
»Der arme Teufel«, brummte › Fatso ‹. »Ich hatte also recht mit meinen Befürchtungen. Hinter diesem Mord steckt die Mafia. Fragt sich nur, welcher von den Burschen. Brauchen Sie Hilfe, Miss Beauvais?«
»Nein«, erwiderte sie. Ihr ging es inzwischen etwas besser. Sie lehnte sich gegen die Hauswand und sah sich um. Niemand schien sie zu beschatten. »Hören Sie zu: Ich muss wissen, was er mit Aberdeen und Hotel › Overnight ‹ meinte!«
»In Aberdeen gibt es keines. Aber ganz in der Nähe, in › Bridge of Dee ‹ an der A90.«
Clairé überlegte kurz. »Ich halte es für das beste, wenn ich sofort nach Aberdeen fliege und mir dieses Hotel ansehe. Da muss etwas von Bedeutung geschehen sein, sonst hätte Scarantino in seiner Sterbensstunde nicht so großen Wert daraufgelegt, es mir mitzuteilen. Und dass es sich um eine heiße Angelegenheit handelt, beweist mir sein Tod. Irgendjemand wollte unbedingt, dass er darüber schweigt.«
»Gut«, brummte Edwards. »Ich kümmere mich sofort um eine Platzreservierung von › Heathrow ‹ zum › Aberdeen International Airport ‹ und melde mich wegen der Abflugzeit.«
***
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