Gerd Pfeifer - ...des Lied ich sing'

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Aus der Laudatio der VONTOBEL-STIFTUNG, Zürich, gehalten anlässlich der Preisverleihung für «…des Lied ich sing'», den vorliegenden Roman:
"Gerd Pfeifer erzählt den Aufstieg eines charakterarmen Profiteurs spannend und mit hoher Formulierungs- und Gestaltungskunst. Behend bewegt sich der Opportunist, Lebenskünstler und Schwerathlet Georg Schäfer durch die deutsche Vorkriegs- und Kriegszeit. Er läuft bei den Nationalsozialisten mit, obwohl ihn Politik innerlich wenig angeht. Aber es dient dem Geschäft. Auch bei den Frauen hat er Glück. Die Biographie dieses anpasserischen, keineswegs simplen Protagonisten, der sich auch dem Kriegsdienst erfolgreich zu entziehen weiss, lässt die Anfänge der Judenverfolgung und die Zeitstimmung auf subtile Weise erkennen. Zu Wort kommt später auch die Stimme eines alten, illusionslos zurückblickenden Mannes. Dabei versteht es Gerd Pfeifer, die verschiedenen Zeitebenen dieser fesselnden Schelmengeschichte virtuos zu verbinden."

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Gerd Pfeifer

...des Lied ich sing'

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Inhaltsverzeichnis

Titel Gerd Pfeifer ...des Lied ich sing' Dieses ebook wurde erstellt bei

Aus der Laudatio, gehalten anlässlich der Preisverleihung der Vontobel-Stiftung, Zürich, für …des Lied ich sing‘: Aus der Laudatio, gehalten anlässlich der Preisverleihung der Vontobel-Stiftung, Zürich, für …des Lied ich sing‘: Gerd Pfeifer erzählt den Aufstieg eines charakterarmen Profiteurs spannend und mit hoher Formulierungs- und Gestaltungskunst. Behend bewegt sich der Opportunist, Lebenskünstler und Schwerathlet Georg Schäfer durch die deutsche Vorkriegs- und Kriegszeit. Er läuft bei den Nationalsozialisten mit, obwohl ihn Politik wenig angeht. Aber es dient dem Geschäft. Auch bei den Frauen hat er Glück. Die Biographie dieses anpasserischen, keineswegs simplen Protagonisten, der sich auch dem Kriegsdienst erfolgreich zu entziehen weiss, lässt die Anfänge der Judenverfolgung und die Zeitstimmung auf subtile Weise erkennen. Zu Wort kommt später auch die Stimme eines alten, illusionslos zurückblickenden Mannes. Dabei versteht es Gerd Pfeifer, die verschiedenen Zeitebenen dieser fesselnden Schelmengeschichte virtuos zu verbinden.

Da ist der tief verschneite Feldweg

Der alte Mann lehnt sich – Stunden später – aufatmend in seinen Sessel zurück.

Der alte Mann am Frühstückstisch

Der alte Mann sitzt an seinem Schreibtisch

Der alte Mann,

Der alte Mann liegt in seiner Badewanne

Der alte Mann steigt aus der Wanne

Der alte Mann steigt langsam

Der alte Mann begleitet Stapelfeld an die Haustür

Der alte Mann sitzt in seinem Arbeitszimmer

Der alte Mann hat sich ins Wohnzimmer gesetzt

Der alte Mann steht im Ankleideraum

Der alte Mann steht in einer Traube von Menschen

Der alte Mann sitzt an seinem Schreibtisch

Der alte Mann hat seine Brille aufgesetzt

Der alte Mann sitzt an seinem Schreibtisch

Der alte Mann sitzt noch immer reglos hinter seinem Schreibtisch

Der alte Mann klingelt ungeduldig nach der Peters

Der alte Mann liest den neuen Redetext in Raten

Der alte Mann sitzt reglos

Der alte Mann steht immer noch am Fenster seines Büros

Der alte Mann wendet sich

Der alte Mann setzt sich doch noch an seinen Schreibtisch

Der alte Mann sitzt zusammengesunken

Der alte Mann war in seinem Sessel

Der alte Mann sitzt am kleinen Esstisch,

Der alte Mann liegt wach

Der alte Mann war schließlich doch noch eingeschlafen

Georg Schäfer lacht und reckt sich

Impressum neobooks

Aus der Laudatio, gehalten anlässlich der Preisverleihung der Vontobel-Stiftung, Zürich, für …des Lied ich sing‘:

Gerd Pfeifer erzählt den Aufstieg eines charakterarmen Profiteurs spannend und mit hoher Formulierungs- und Gestaltungskunst. Behend bewegt sich der Opportunist, Lebenskünstler und Schwerathlet Georg Schäfer durch die deutsche Vorkriegs- und Kriegszeit. Er läuft bei den Nationalsozialisten mit, obwohl ihn Politik wenig angeht. Aber es dient dem Geschäft. Auch bei den Frauen hat er Glück.

Die Biographie dieses anpasserischen, keineswegs simplen Protagonisten, der sich auch dem Kriegsdienst erfolgreich zu entziehen weiss, lässt die Anfänge der Judenverfolgung und die Zeitstimmung auf subtile Weise erkennen.

Zu Wort kommt später auch die Stimme eines alten, illusionslos zurückblickenden Mannes. Dabei versteht es Gerd Pfeifer, die verschiedenen Zeitebenen dieser fesselnden Schelmengeschichte virtuos zu verbinden.

Da ist der tief verschneite Feldweg

Im Vordergrund ein dichtes Gebüsch, dessen Zweige sich unter der Schneelast biegen. Dahinter die Landstraße mit dem vereisten Kopfsteinpflaster. Zwei Lastzüge mit Militärkennzeichen haben gerade Reifenspuren in die Schneedecke gezogen. Vor den offenen Türen ihrer Fahrerhäuser liegen verglühte Zigarettenreste. Es schneit. Ein böiger Wind treibt scharfe Eiskristalle vor sich her. Sie schmerzen im Gesicht. Die Landschaft versteckt sich hinter einem wabernden Schleier frostigen Nebels. Auf den Motorhauben wird der Schnee zu Wasser, sammelt sich in Tropfen, die über das heiße Blech rollen, auf den verschneiten Boden perlen und wieder gefrieren.

Zwei Schritte entfernt liegt die entsicherte Waffe. Sie ist unbenutzt. Der alte Mann, in seinem Traum noch jung und ungeduldig, stößt sie mit dem Fuß in den vom Schnee verwehten Graben. Neben den Toten. Auf dessen schwarzer Uniform kommen die stiebenden Kristalle zur Ruhe. Die silbernen Knöpfe sind vereist. Nur das Gesicht ist noch warm. Auf ihm taut der körnige Schnee. Die Wassertropfen sehen aus wie Schweiß. Der offene Mund entblößt reparierte Zähne. Kleine schwarze Fehlstellen in gelblichweißem Schmelz. Ein Auge hat sich wieder geöffnet. Es starrt den Zivilisten an, scheint ihn zu beobachten, verfolgt ihn. Auch jetzt, da er den Gehstock nimmt und die Dienstmütze mit dem Totenkopf neben die verkrampfte Hand des Toten rückt.

Dann ändert sich die Perspektive. Der Blick hebt sich vom Boden, versucht das Schneegestöber zu durchdringen. Aber es gibt nur Nähe. Nichts Fernes. Keinen Horizont, keinen Himmel, keine Weite. Die Welt besteht aus Vordergrund und treibendem Schnee. Die Bäume sind Schemen. Kein Laut. Nur diffuses Licht und weiße Flocken.

Wirklichkeitsfern schiebt sich die nächste Szene in den Traum: Schwarze Nackenhaare direkt vor seinen Augen. Er glaubt, den Duft des allgegenwärtigen Birkenwassers der Schutzstaffel in seiner Nase zu spüren. Für eine skurrile Sekunde wundert er sich, wie wenig Blonde die arische Elite der Nation in ihren Reihen zählt. Dann hält er konzentriert die Luft an. Auch im Traum. Alle Kraft legt er in diesen Augenblick des brechenden Halswirbels. Doch er horcht vergeblich. Der Traum ist lautlos. Einen entsetzten Moment hält er inne, atmet heftig aus und nimmt staunend wahr, wie schwer der tote Körper plötzlich ist. Er lässt ihn angeekelt fallen. In dieser gläsernen Sekunde wird ihm bewusst, dass der Mann, der da zur Erde fällt, von einem Augenblick zum anderen eine Sache geworden ist, ein Gegenstand, ein Ding, eine Leiche, ein Problem. Lästig. Hässlich. Tot. Doch im gleichen Atemzug ist er, der junge Mann in seinem Traum, überwältigt von einem unbändigen Triumph, von seinem Sieg, dem Jubel:

Ich lebe.

Es ist die pure Euphorie. Ein Glücksgefühl, das keinen Skrupel kennt und keine Scham. Keine Schuld. Keinen Zweifel:

Ich lebe.

Und wieder ändert sich das Bild: Zornig fährt er auf vereister Straße seinen Lastzug, eingekeilt in ein Heer armseliger menschlicher Kreaturen, die mit Koffern, Säcken, Beuteln, Kisten und Kartons auf Handwagen, Karren, Fahrrädern, Pferden, Leiterwagen, mit Kindern an der Hand, Kleinvieh in Käfigen, Tieren am Strick, Säuglingen im Arm stumpfsinnig, halb erfroren, angstgetrieben, todesmutig in langer Reihe nach Westen trotten, einer ungewissen, trostlosen Zukunft entgegen. Er hupt ungeduldig, drängt die langsameren Wagen wütend zur Seite, schimpft, flucht, sieht sich nicht um, schaut in keinen Rückspiegel, will nicht sehen, dass er einen Pferdewagen mit den Menschen und ihren ärmlichen Habseligkeiten in den Straßengraben gedrückt hat, blickt nur nach vorn, um ein Ende, einen Anfang des schier unendlichen Zugs zu erreichen.

Dann hört er die Flugzeuge. Sie kommen, tief geflogen, direkt auf ihn zu. Im Traum sieht er die hämischen Gesichter der Piloten, die jeden Einschlag ihrer Granaten, jeden neuen Toten mit einem Grinsen feiern.

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