Die dunklen - jetzt in dem hellen Licht erkennt man, dass sie schwarz sind - und gefährlich spitzen Cowboystiefel hinterlassen um diese frühe stille Stunde des Tages laute Kleppergeräusche, als der Mann sein Fahrzeug verlässt und zu dem Herrenhauseingang geht, dessen gewaltige Tür über vier halbrunde, weit ausladende Steinstufen zu erreichen ist.
Die Tür ist verschlossen. An einem altmodischen Drahtzug rechts neben der Tür mit birnengroßem verrostetem Zuggewicht, mit dem man den Mechanismus durch Herunterziehen in Bewegung setzen kann, zieht der Mann. Über Umlenkverbindungen in etwa zweikommafünf Metern Höhe verläuft der Draht parallel zur Hauswand und verschwindet in der Wand nach einer weiteren 90° Umlenkung. Verbunden mit dem Drahtseil wird offenbar eine Glockengruppe bewegt, indem man am Draht zieht, nachlässt und wieder zieht, was jedenfalls aus dem Hausinneren ein gedämpftes schepperndes Geräusch ertönen lässt, als der Mann diese Bewegung mehrfach ausführt.
Nach etwa zehn Minuten geht schließlich die Tür auf und der Mann
entsteigt wieder seinem Audi, zu dem er zum Warten zurückgekehrt war, schnipst die fast aufgerauchte exotische und hier seltene Filterzigarette der Marke 555 weg, nimmt sich die Styroporkiste vom Beifahrersitz und trägt sie ins Haus.
Mit einem freundlichen “Salü” wird er von einem Rothaarigen
begrüßt, der leicht einseinundneunzig misst und dessen speisetellergroße Pranken beim Händedruck ein unangenehmes Knacken verursachen.
„Wie war die Fahrt?” fragt der Rothaarige und der andere antwortet: „Unterwegs hatten wir schwere Wärmegewitter, ich musste zwei mal rechts ‘ran fahren und abwarten”, worauf der Rothaarige erwidert: „Das ist nicht ungewöhnlich in dieser Jahreszeit”, und nimmt mit dem Scheckkartenlesegerät die Prüfung der hingereichten Codekarte vor.
„Bestens”, meint er nach Piepston und grünem Licht und fragt:
„Hascht Durscht? Komm’ mit in die Küche und nimm dir erst einmal einen Kaffee, ich geh’ derweil den Karton wegbringe..”,
und begleitet den Mann zu einer geräumigen Küche mit einer derben Holzsitzgruppe, an der gut ein Dutzend Personen bequem Platz gefunden hätten. Der einer brodelnden Kaffeemaschine entsteigende Duft war ohne weitere Wegbeschreibung zu finden. Der Rothaarige verschwindet.
Als er nach knapp zehn Minuten zurückkehrt, ist er eine Spur unnahbarer geworden, was dem Mann mit den Cowboystiefeln aber nicht sonderlich auffällt.
Im Gegenteil setzt ihm der Rothaarige noch eine Schinkenplatte vor, Brot und einen riesigen Schmalztopf, einen Kanten Käse und ein paar gekochte Eier und ermuntert den Mann, mal richtig ‘reinzuhauen, das Geld komme gleich, er, der Rothaarige müsse nur noch Einiges regeln.
Es vergehen weitere dreißig Minuten einer Stunde, deren einunddreißigste Minute der Mann mit den spitz auslaufenden Koteletten und den gefährlich spitzen dunklen Cowboystiefeln, nicht mehr bewusst wahrnehmen kann. Der mit Halothan
- einem wesentlich schneller wirkenden Inhalationsnarkotikum als das teilweise wenigstens von Laien noch bis in die frühen 60er Jahre verwendete Chloroform -
getränkte Wattetampon, der ihm von hinten auf Mund und Nase
gestülpt wird, während mit einem eisernen Griff sein Oberkörper nebst Armen von einem hemdsärmeligen ‘Bärenarm’ mit leicht rot gekräuselten Härchen nach hinten geklammert wird, betäubt ihn sofort.
Dass der Mann sich auch später an nichts mehr erinnern konnte, lag daran, dass er mit dem Gesicht nach unten mit einem unfreundlichen Loch in der rechten Schläfe, so etwa passend für Kaliber .357 Magnum und fehlendem Knochenbein hinter dem linken Ohr in etwa einskommafünf Metern Tiefe einer Dung- und Jauchegrube nicht mehr aufwachte.
Die Neugierde war ihm zum Verhängnis geworden!
Die Organisation konnte es sich nicht leisten, Mitwisser zu haben, die den Zukunftsplänen gefährlich werden konnten, wer weiß schon, was dieser Mann alles entdeckt hatte, er hatte jedenfalls nicht nur die Kiste, sondern auch eine Aluminiumröhre geöffnet
und ob er eine Glasampulle geöffnet und deren Inhalt analysiert haben konnte, war erst nach eingehender mikroskopischer Untersuchung festzustellen.
Die Zentrale hatte jedenfalls unmissverständliche allgemeine Anordnungen und Verhaltensweisen erteilt, seitdem feststand, dass ein Erpresser vom Inhalt der Ampullen wahrscheinlich Kenntnis hatte, zumindest den Wert so genau zu kennen schien, dass das ganze Unternehmen gefährdet war.
Dass dieser Erpresser nicht mit dem Toten in der Jauchegrube übereinstimmte und immernoch frei herumlief und sich demnächst wieder melden würde, wusste der Rothaarige nicht und war ihm, wäre er danach gefragt worden, ehrlich gesagt, auch schnurzegal: Schnüffler konnte er schon als Kind nicht leiden und solche, die ihn verpetzten oder verpetzen konnten, wenn er etwas angestellt hatte, schon garnicht.
*
Der Streifenwagen aus Pirmasens, der an diesem Morgen
seit Beginn der Frühschicht um Sechs Uhr unterwegs war, entdeckte gegen Halbzehn das Heck eines aus dem Uferwasser
steil nach oben ragenden beigefarbenen AUDI A6 mit Saarbrücker Kennzeichen, der offensichtlich unvorsichtig auf einer Nebenstraße zu schnell gefahren worden war, in einer scharfen Kurve außer Kontrolle geraten und zwischen Ringelsberg und Kippkopf in die Merzalbe gestürzt war. Da weder Fahrer, noch Fahrerin aufzufinden waren, möglicherweise ertrunken und ins Tal abgetrieben und über die Halterabfrage an die Kollegen in Saarbrücken nur eine Postfachanschrift ermittelt werden konnte, wurde das Kennzeichen des Fahrzeugs routinemäßig in die Liste der allgemeinen bundesweiten Fahndungen eingetragen, mit dem Vermerk über die Suche nach dem Halter.
An diesem Tag gab es nur vierzehn neue Fahndungen, wie auch eine Faxmitteilung, die im Büro des Kommissar Mertens einlief, auswies. Das Fax wurde zu anderen allgemeinen Informationen
abgelegt, die später nach Durchlesen und Abzeichnen durch die
entsprechenden Empfänger in einer Rechnerdatei abgelegt wurden mit einem automatischen wöchentlichen Wiedervorlage-Vermerk.
Und Kommissar Mertens war dieses Kennzeichen überhaupt nicht unbekannt ...
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