Er wollte wieder ein weibliches Wesen an sich heranlassen. Nur, im Moment war keine geeignete Kandidatin in Sicht und mit Lou ging es nicht − dachte er.
„Sag’ mal, denkst Du gerade an etwas Schönes?” Konstantin wandte seinen Kopf zu Michael herum.
„Wie kommst Du darauf”, fragte der verwundert zurück.
„Weil Monsieur Bouchon den Kopf ‘rausstreckt, deshalb.”
Michael sah an sich herab. „Oh! Hab’ ich gar nicht gemerkt.”
„Schwindler!”
„Na gut, ja. Ich habe mich an etwas erinnert und auch an ein schönes Idealweib gedacht. Nur woher nehmen und nicht entführen?”
Michael richtete seinen Oberkörper auf und stützte sich nach hinten mit den Händen ab. Er hatte plötzlich eine Idee.
„Du bist doch gerade solo, Kon, nicht wahr?”
„Der Kandidat hat hundert Punkte für die überflüssigste Frage des Tages”, schnaubte der Gefragte etwas ungehalten. „Das weißt Du doch, daß Renata in Berkeley ist und sich inzwischen ziemlich sicher von einem kalifornischen Eight-incher-Hengst besteigen läßt. Was fragst Du denn so blöd?” Konstantin runzelte die Stirn.
Michael ließ sich durch den Rüffel nicht beirren.
„Und Du bist knapp bei Kasse, richtig?”
„Sag’ mal, worauf willst denn Du hinaus? Du weißt doch, daß mein Vater mich auf schmale Kost gesetzt hat.”
„Als ob ich das nicht wüßte!”
„Wir sind alle knapp bei Kasse …”
„Sonst wären wir jetzt auf den Bahamas”, ertönte es mehrstimmig. Alle hatten zugehört.
„Richtig. Und könnte man das nicht ändern?”
„Wie denn? Am Ende Zeitungen oder Briefe austragen? Dürfte kaum die Flugkosten one-way begleichen.” Kon sah etwas ungehalten aus.
„Keineswegs”, beruhigte Michael ihn. „Wir können etwas ganz anderes machen.”
„Und das wäre?” Damian hatte sich erhoben und war näher gekommen.
„Zieh mal Deine Badehose aus”, kommandierte Michael.
„Und dann?” Damian grinste. „Willst Du mir zum allgemeinen Gaudium und meinem Plaisir einen blasen?”
Derweil nestelte Damian das Zugband auf und stieg aus seiner Badeseide heraus. Er bekam keine Antwort.
„Und jetzt?” Er wedelte mit dem neongrünen Textil.
„Jetzt zieht Kon seine Badehose aus”, bestimmte Michael.
„Oh, cool”, schnalzte Damian mit der Zunge. „Eine römische Orgie!” Dabei grinste er breit.
„Quatschkopp!” rügte Michael ihn. Im nächsten Moment stand Konstantin ebenfalls nackt da und fragte „Und nun?”
„Jetzt Alexander.”
Auch der ließ bereitwillig alles fallen, fragte sich aber nicht minder, was das denn nun sollte.
„Sehen wir uns doch einmal an”, forderte Michael seine Freunde auf.
„Da sehen wir aber mal richtig ’was Neues”, spöttelte Konstantin, zog eine geringschätzige Schnute und verschränkte seine Arme.
„Mann, ernsthaft, Kon. Wie sehen wir aus?” Michael sah alle reihum an. Er setzte seine Seht-doch-mal-alle-richtig-hin-Miene auf.
„Klasse seht Ihr aus”, meldete sich eine angenehme weibliche Stimme. Lou war auf das Fragenspiel aufmerksam geworden, aufgestanden und näher gekommen. „Und weiter?” Sie stemmte ihre zarten Hände in die Hüften.
„Und wie sehen wir in Uniform aus?”
„Klasse”, kam es im Chor.
„Und in Smoking oder Nadelstreifen?”
„Klasse!”
„Wie sind unsere Manieren?”
„Klasse!”
„Und wie sind wir im Bett?”
„Erste Sahne!”
„Angeber”, fauchte Lou, aber sie grinste doch.
Die jungen Männer ließen sich davon nicht beeindrucken.
„Und was macht man mit solchen Qualitäten?”
Allgemeines Schweigen. Fragendes Herumschauen. Achselzucken.
„Da macht man einen Eskort auf, Ihr Trantüten im Mitdenken!” Michael ärgerte sich ein wenig, daß seine Freunde derart auf der Leitung standen.
„Wie bitte?” Konstantin war baff.
Damian fand als Erster seine Worte wieder.
„Warum eigentlich nicht? Hm?” Er sah seine Freunde und Lou der Reihe nach an. „Wir kennen uns in den oberen und obersten Gesellschaftskreisen qua Abstammung und Erziehung bestens aus, nicht wahr?”
„Richtig”, stimmte Alexander zu. Die Anderen nickten beifällig.
„Eben. Und wer von uns hat nicht schon einmal auf öden Empfängen gelangweilte Ehefrauen erlebt, die mit ihren dickbäuchigen, nur ans Geschäft denkenden Männern wie bestellt und nicht abgeholt herumstanden, mit schal gewordenem Champagner im Glas, bescheuertem Blah-blah-Small Talk links und rechts, während sie vergeblich nach einem jungen Hengst Ausschau gehalten haben, dem sie den Champagner lieber in die Rückenbeuge oder in den Bauchnabel gegossen hätten oder sich selbst gießen ließen, hm?”
„Richtig”, stimmte Alexander erneut zu. „Wenn ich da an die heiße Prinzessin Urbinowa denke. Hhmmm!” Der junge Prinz brummte mit geschlossenen Augen vor sich hin. „Sie war rassige Fünfunddreißig, Anatol Urbinow siebzig. Das Kätzchen hätte ich vor einem Jahr schon nur zu gern gebürstet.”
Alle lachten auf, auch Lou mußte grinsen.
„Warum hast Du nicht?” Lou war nah zu ihm hingetreten und streichelte seine Brust. „Konnte er nicht?” Dabei sah sie an ihm herab, um ihn gleich darauf schelmisch anzulächeln.
„Er kann immer, Du kleiner Frechdachs, aber ehe ich nicht sicher weiß, daß Elena Anatols Duellpistolen auf die Seite gebracht hat …, ich bin nicht lebensmüde.” Dabei nahm er Lou mit seiner rechten Hand beim Kinn, um sie zurechtzuweisen, aber sie entzog sich dem Griff mit einer ruckartigen Kopfbewegung und schlug ihm auf die Hand.
„Wir haben wohl einen Schisseranfall, lieber Kurijakin, hm? Ficken wollen, aber kein Risiko dabei.”
Lou müffelte Alexander mit gekräuselter Nase und verzogener Mund-Kinn-Partie an.
„Hört schon auf, Ihr Zwei”, ging Konstantin dazwischen. „Aber was Alexander sagt hat etwas für sich. Mir fällt auf Anhieb unsere Karin Tamelow ein, Alexander kennt sie auch. Für die anderen: sie ist Privatdozentin an unserem Institut, fünfundvierzig Jahre alt, geschieden, von ihrem Gewesenen bei der Trennung gut ausgestattet, sie ist sehr hübsch, gute Figur, aber allein.”
„Woher weißt Du das alles”, wunderte sich Damian.
„Ich kann gut mit unserer Dekanatssekretärin”, bekannte Konstantin und senkte schmunzelnd den Blick.
„Ach nee, Herr von Seesenheim hat nebenher schon mal probegevögelt, wie? Da tun sich ja Abgründe auf”, lästerte Michael und klopfte ihm gleichzeitig mit einem breiten Lächeln anerkennend auf die Schulter. „Wie alt ist sie denn?”
„Oh, zweiundvierzig”, leuchteten Konstantins Augen auf, „und eine Figur hat sie, dank ihres unfruchtbaren Mannes nicht kindergeschädigt, da kann man schon zum Sünder werden. Und überhaupt, ihr Mann versteht sie nicht.” Mit geschürzten Lippen und leicht vorgeschobenem Kinn schüttelte er wie bedauernd den Kopf.
„Aber Du hast sie verstanden, Kon, nicht? Du alter Schwerenöter, und uns nichts davon erzählen”, rüffelte Damian den Freund.
„Na ja. Leute, das war im letzten Jahr, ihr Mann war nicht da, es hat sich so ergeben und der Kavalier genießt und schweigt.”
Die ganze Runde lachte herzhaft auf. Neckisch wurde er von allen gestupst und lachte alsbald selber mit.
„Und Du hast es natürlich umsonst gemacht, nicht wahr?” Michaels Blick auf Kon war ein einziger Vorwurf.
„Ja sicher, ich bin auf meine Kosten gekommen und sie …”
„Eben”, unterbrach ihn Michael, den die Geschäftstüchtigkeit gepackt hatte. „Sie ist auch auf ihre Kosten gekommen, kostenlos, und hat mit Dir ohne Zweifel zum ersten Mal wirkliche Chevallerie und den Sex ihres Lebens erlebt.”
„Könnte man so sagen”, gab Konstantin sich selbstbewußt geschmeichelt.
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