»Es wird Euch allerdings keine Gefahr bringen, da Ihr Meister in solchen Dingen und zumal im Anschleichen seid. Ich selbst bin ja auch in dieser Weise von Euch überrumpelt worden. Desto mehr Mühe aber wird es Euch machen, diese drei Männer zu erwischen, da Ihr nicht wißt, wo sie wohnen, wo sie sich verborgen halten.«
»Das werden wir wohl zu entdecken vermögen.«
»Vielleicht, aber wohl nur dann, wenn es zu spät ist und diejenigen, welche Ihr fangen wollt, Wind von Euch bekommen haben.«
»Ihr redet in Rätseln, Master Player. Erst sprecht Ihr vom Wohnen und dann vom Verbergen. Wie hängt das wohl zusammen? Ein Versteck ist doch keine Wohnung!«
»Gewöhnlich nicht, hier aber doch. Die drei haben den Verhältnissen nach eine ganz bequeme Wohnung; dieselbe liegt aber so versteckt, daß selbst Euer bekannter Spürsinn nicht ausreicht, sie zu entdecken.«
»Es wird Spuren geben, nach denen wir uns richten können.«
»Nein, denn die Gegend ist ganz ausnahmslos so felsig, daß es keinen Fußstapfen geben kann.«
»So legen wir uns auf die Lauer. Melton wird seine Wohnung, welche Ihr ein Versteck nennt, doch zuweilen verlassen, so daß wir ihn zu sehen bekommen.«
»Das thut er allerdings, aber nur des Nachts, weil er gewarnt worden ist. Meine Botschaft, daß ich Winnetou an der Hazienda gesehen habe, ist von Posten zu Posten weiter getragen worden und so zu ihm gekommen. Es lag zwar gar kein Grund vor, anzunehmen, daß er von unserem Unternehmen mehr wisse, als ich Euch in der Uebereilung gesagt hatte; aber das war doch genug, um anzunehmen, daß er Verdacht geschöpft habe und weiter nachforschen werde. Als ich da unten mit Euch sprach, ahnte ich nicht, daß Ihr Old Shatterhand wäret, doch wußten wir, daß Winnetou von Old Shatterhand unzertrennlich ist und sehr wahrscheinlich versuchen werde, Euch zu befreien. Gelang ihm dies, so war anzunehmen, daß Ihr sofort nach Almaden aufbrechen würdet. Melton und die Weller werden sich also auf alle Fälle so verhalten, wie die Vorsicht ihnen gebietet. Sie gehen des Nachts aus. Bei dem Wege in das Bergwerk, den sie zu machen haben, ist es ganz gleich, ob sie ihn des Nachts oder am Tage thun.«
»So! Ihr kennt also den Ort, wo sie wohnen?«
»Ja.«
»Meint Ihr nicht, daß ich Euch zwingen kann, ihn mir zu entdecken? Ich stelle Euch die Wahl zwischen dieser Mitteilung und dem Tode!«
»Das nützt Euch nichts. Habt Ihr einmal die Absicht, mich in gleicher Weise wie Melton zu behandeln, so ist mir der Tod ohnedies gewiß. Ich werde nur dann sprechen, wenn ich auf Schonung rechnen kann.«
Ich war überzeugt, daß seine Festigkeit keine bedeutende sei und ich, um ihm das Geheimnis zu entlocken, nur seine Hände zu drücken brauchte; aber die immerwährende Wiederholung desselben Einschüchterungsmittels widerstrebte mir, und ich wollte ja mehr von ihm erfahren, als die Wohnung Meltons allein. Darum hielt ich es für das beste, mich ihm geneigt zu zeigen, und sagte:
»Nun, angenommen, daß wir Euch das Leben schenken, auf wessen Gewissen fällt dann die Verantwortung von allem, was Ihr später thun werdet? Auf das unserige. Wenn Ihr sterbt, so könnt Ihr nichts Böses mehr thun.«
»Seid überzeugt, daß ich bessere Wege einschlagen werde, wenn Ihr mich leben laßt! Ich war, wie schon gesagt, nicht böse, sondern nur leichtsinnig und würde es Euch Zeit meines Lebens danken, wenn Ihr einmal Gnade für Recht ergehen lassen wolltet. Macht wenigstens den Versuch!«
»Hm! Ein Versuch ist noch nicht die vollendete That; man kann dann immer noch thun, was man will. So könnte ich denn allerdings einmal versuchen, ob mit Euch auf ehrlichem Wege auszukommen ist.«
»Thut das, thut das, Master! Ich gebe Euch mein Wort, daß der Versuch gelingen wird.«
»So sagt mir zunächst einmal, wie Ihr Euch diesen Versuch wohl denkt!«
»Bindet mich zunächst los, und dann werde ich - -«
»Halt!« unterbrach ich ihn. »Vom Losbinden kann keine Rede sein. Ihr bleibt unter allen Umständen zunächst noch Gefangener.«
»Aber wie kann ich Euch behilflich sein, wenn ich mich nicht bewegen kann!«
»Jetzt ist Eure einzige Bewegung das Reiten, und das könnt Ihr, wie Ihr bewiesen habt, auch in Fesseln.
Sollten die Dienste, welche Ihr uns anbietet, eine Bewegung, in welcher Euch die Fesseln hindern würden, notwendig machen, so werden wir Euch dieselben abnehmen. Das höchste, was ihr außer dem Reiten jetzt zu thun vermögt, ist, uns den Weg anzugeben, den wir reiten müssen.«
»Das werde ich,« brummte er, mißmutig darüber, daß ich ihm gleich seinen ersten Wunsch abgeschlagen hatte.
»Und zwar richtig anzugeben,« fügte ich mit Nachdruck hinzu. »Wollet Ihr uns irre leiten, vielleicht um Zeit zu gewinnen, so würden wir es sofort bemerken und Euch die Riemen straffer anziehen. Wann werden wir den nächsten Yumaposten erreichen?«
»Noch vor Abend.«
»Wie ist die Oertlichkeit beschaffen, in welcher er liegt?«
»Er befindet sich an einem Waldesrande. Vorher müssen wir über eine freie Ebene.« »So kann der Posten diese Ebene überblicken?«
»Ja. Wenn ihr ihn überraschen wollt, müßt ihr dieselbe also vermeiden.«
»Das kommt auf ihre Länge oder Breite an. Sobald wir sie erreichen, werdet Ihr uns darauf aufmerksam machen. Sagt mir zunächst doch einmal, warum Ihr auf der Hazienda geblieben und nicht mit nach Almaden geritten seid?«
»Ich hatte den Auftrag, dort die Retorten zu erwarten, welche aus Ures kommen werden.« »Dieselben sollten dann über die Postenkette nach Almaden transportiert werden?« »Ja.«
»Wenn Ihr Retorten braucht, so vermute ich, daß in Almaden das Quecksilber in Form von Schwefelquecksilber, also als Zinnober gefunden wird?«
»So ist es; es kommt jedoch stellenweise auch gediegen vor.«
»Der Zinnober soll in den Retorten also in Schwefel und Quecksilber zerlegt werden. Durch welche Zuschläge soll das geschehen? Eisenhammerschlag ist nicht zu haben; ich vermute folglich Kalk?«
»Ja, es soll Kalk verwendet werden.«
»Giebt es welchen da oben?«
»Massenhaft. Die Berge und Felsen bestehen meist nur aus Kalk, in welchem es zahlreiche Höhlen giebt.«
Bei dem Worte Höhlen kam mir ein Gedanke. Es war für uns äußerst beschwerlich und hinderlich, die Gefangenen im Freien zu bewachen. War es möglich, sie oben in einer Höhle unterzubringen, so bedurften wir viel weniger Leute, die vielen Roten unter Aufsicht zu halten. Darum erkundigte ich mich:
»Kennt Ihr vielleicht eine Höhle, welche in der Nähe des Schachtes liegt?«
»Ja.«
»Ist sie groß?«
»Sie kann wohl an die hundert Menschen fassen.« »Wieviel Eingänge hat sie?«
»Nur einen. Sie hat aber keine Hinterwand und scheint tief in den Kalkfelsen zu gehen, man kann aber nicht weiter, weil man an einen Abgrund kommt, dessen Breite man nicht zu ermessen vermag.«
»Ist er tief?«
»So tief, daß man einen Stein, den man hinabwirft, nicht unten auftreffen hört. Rechts giebt es eine kleine Nebenhöhle, welche voller Wasser steht. Ich habe es versucht; es ist trinkbar und sehr kühl.«
»Natürlich wissen Eure Freunde auch von dieser Höhle?«
»Kein Wort! Ich habe ihnen nichts gesagt, denn ich hatte - -«
Er hielt inne. Er schien jetzt mehr gesagt zu haben, als er eigentlich wollte.
»Weiter! Denn ich hatte - - -?«
»Ich hatte meine Gründe dazu,« vervollständigte er sich. »Ich brauchte einen solchen Ort für mich allein.«
»Wozu?«
Er gab nicht sofort Antwort. Da er nachsann, vermutete ich, daß er die Wahrheit nicht sagen wollte und auf eine Ausrede dachte. Dann erklärte er:
»Mein Grund wird Euch beweisen, daß ich wirklich kein schlechter Mensch bin. Ich dachte an die deutschen Arbeiter. Vielleicht konnte es mir gelingen, einen oder einige von ihnen zu befreien; ich brauchte ein Versteck, um sie zu verbergen, und da kam mir die Höhle als ungemein passend vor. Darum sagte ich nichts von ihr.«
Читать дальше