»Kommt mir nun doch nicht immerfort wieder mit Euern Drohungen! Ihr habt keinen Grund mehr dazu. Ich habe mir vorgenommen, mein Leben dadurch zu retten, daß ich Euch treu diene, und müßte ein Dummkopf sein, wenn es mir einfallen könnte, es durch Falschheit noch mehr in Gefahr zu bringen, als es vorher auf dem Spiele gestanden hat!«
Ich suchte mir zu dem Yumatöter und seinem Bruder noch sechs oder sieben Mimbrenjos aus, mit denen ich den Streich ausführen wollte. Nachdem ich Winnetou gebeten hatte, in dem bisherigen Schritte weiterreiten zu lassen, wendeten wir uns im Galoppe nach Süden ab. Konnten wir den beabsichtigten Umweg nicht auch nach Norden machen? Allerdings; aber dann hätten wir später beim Anschleichen, wobei wir die südliche Richtung einhalten mußten, die Sonne seitlich vor uns gehabt; so wie wir aber jetzt ritten, bekamen wir sie in den Rücken und konnten nicht geblendet werden. Es giebt eben bei solchen Erlebnissen so vieles zu bedenken und zu berücksichtigen, wovon ein Laie keine Ahnung hat.
Wir jagten also eine tüchtige Strecke über die Sehweite eines scharfen Auges südwärts und wendeten uns dann wieder gerade nach Osten. Nach einer Stunde erblickten wir in der Ferne den Wald und hielten auf denselben zu. Dabei fragte ich den Player:
»Sind wir denn von unserer eigentlichen Marschrichtung weit genug entfernt, sodaß die Yumas uns nicht sehen können?«
»Ja. Seht dort die dunkle Bergkuppe, welche hinter dem Walde aufsteigt! Sie dient mir als Marke. Ich weiß genau, wo wir uns befinden. Ihr habt vom Anschleichen gesprochen. Was thun wir während der Zeit mit den Pferden?«
»Die lassen wir an einer sichern Stelle zurück. Es fragt sich nur, wie lange wir noch im Sattel bleiben
dürfen.«
»Wenn wir den Yumas so nahe gekommen sind, daß ich befürchten muß, zu Pferde gesehen zu werden, dann sage ich es Euch.«
Wir kamen bald an den Wald und ritten nun nordwärts. Dabei stießen wir auf die Fährte eines einzelnen Reiters, welche so frisch war, daß ich annehmen mußte, ihn ganz nahe vor uns zu haben. Und richtig, als wir um eine Biegung des Gebüsches kamen, sahen wir ihn reiten. Es war ein Indianer, welcher ein erlegtes Wild hinter sich aufgebunden hatte. Er ritt im langsamen Schritte, hielt aber dabei den Kopf in so eigentümlicher Weise zur Seite, daß ich annahm, er halte seine ganze Aufmerksamkeit nach rückwärts gerichtet. Der Mann mußte uns gesehen haben, stellte sich aber unbefangen, um abzuwarten, wie wir uns verhalten würden. An Feindseligkeit dachte er wohl schwerlich. Meine Indianer hielt er sehr wahrscheinlich für Yumas und uns zwei Weiße für Verbündete Meltons. Daß er nicht anhielt, um uns zu erwarten, hatte wohl keinen besondern Zweck, sondern lag einfach in der eigenen Art und Weise, in welcher die Roten zu handeln pflegen. Ich durfte ihn nicht weiterreiten lassen, mußte aber auch dafür sorgen, daß er nicht zu früh entdeckte, daß die vermeintlichen Yumas feindliche Mimbrenjos seien. Darum mußten meine Begleiter eine langsame Gangart annehmen, und ich jagte ihm allein in voller Carriere nach.
Da hielt er an, wendete sich um, griff nach seinem Bogen und legte einen Pfeil auf mich an. Ich parierte mein Pferd bei dieser Drohung nicht, sondern winkte nur abwehrend und rief dabei die beiden, ihm sehr wohlbekannten Namen Melton und "großer Mund" zu. Der erstere war nach unsern Begriffen sein jetziger Arbeitgeber und der letztere sein oberster Häuptling; er mußte mich für einen Freund oder wenigstens für einen guten Bekannten derselben halten und senkte Bogen und Pfeil. Ich begrüßte ihn indianisch, indem ich mein Pferd im vollen jagen drei Schritte vor ihm parierte und ihn dann fragte:
»Hat mein Bruder eine gute Jagd gemacht? Die vier Yumakrieger, zu denen er will, werden Hunger haben.«
»Die Jagd war ergiebig, wie mein weißer Bruder sieht,« antwortete er. »Wird er mir sagen, woher er kommt?«
»Von der Hazienda del Arroyo. Ich habe dich von dem "schnellen Fisch" zu grüßen, welcher mit seinen Kriegern an der Quelle des Felsens liegt. Ist der Posten, zu welchem du gehörst, vollzählig vorhanden?«
»Ja.«
»Und wie steht es droben in Almaden? Befinden sich deine dreihundert Brüder dort wohl?«
»Wir haben nicht gehört, daß etwas Unerwünschtes dort geschehen ist. Wenn mein weißer Bruder von der Hazienda kommt, so wird er wissen, daß sich ein Bleichgesicht, welches Player heißt, dort befindet und Winnetou, den Häuptling der Apatschen gesehen haben will. War der Apatsche wirklich dort?«
»Ja.«
»Er wird wieder fort sein, um Old Shatterhand zu befreien, den der "große Mund" gefangen hat?« »Old Shatterhand hat sich ohne seine Hilfe befreit.« »Uff! Und haben diese beiden Krieger sich getroffen?«
»Ja.«
»Uff, uff! So steht zu erwarten, daß sie zu uns kommen. Das muß sogleich nach Almaden gemeldet werden. Es muß einer von uns fortreiten!«
»Das ist nicht nötig, da ich die Botschaft selbst nach Almaden bringen werde.«
»Das ist gut; aber wird mein weißer Bruder so schnell reiten, wie es nötig ist, wenn die Kunde von - - -«
Er hielt plötzlich inne und die weit offenen Augen auf meine Gefährten gerichtet, welche nun soweit herangekommen waren, daß er ihre Gesichter erkennen konnte. Dann fuhr er, mißtrauisch mit der Hand nach seinem Messer fahrend, fort-
»Was sehe ich! Ich habe mit gegen die Mimbrenjos gekämpft und dabei den "starken Büffel" und seine Söhne gesehen. Wenn ich nicht blind bin, so sind diese es, welche sich bei meinem weißen Bruder befinden. Was soll ich davon denken?«
»Denke, daß du verloren bist, wenn du nur einen
Schritt von dieser Stelle weichst!« antwortete ich, indem ich mit einem schnellen Griffe meinen Stutzen vornahm und auf ihn anlegte. »Ich bin Old Shatterhand und verbiete dir, dich zu bewegen!«
Ich sah trotz der dunklen Farbe seines Gesichtes, daß er erbleichte. Er ließ vor Schreck die Zügel fallen und zog die Hand vom Messer zurück, indem er stammelte:
»Old Shat - ter - hand! Und - das - ist - das - - Zau - - bergewehr!«
Er sah die auffällige und eigenartige Konstruktion des Schlosses an meinem Stutzen, über welchen unter den Indianern so viele Sagen verbreitet waren, und glaubte infolgedessen sofort meinen Worten.
»Ja, das ist meine Zauberflinte, aus deren Lauf du sofort zehn Kugeln in den Kopf und Leib bekommen wirst, wenn du nicht ganz genau das thust, was ich dir befehle!«
Ohne in seiner Verwirrung auf diese Drohung zu antworten, fragte er wie abwesend:
»Old Shatterhand ist da, Old Shatterhand! Wo ist da Winnetou?«
»Er wird auch gleich kommen und bringt die Krieger der Mimbrenjos mit. Steig vom Pferde!«
Meine Begleiter waren indessen herangekommen und umringten ihn. Man sah ihm an, daß er noch immer nicht ganz wieder bei sich war. Er stieg wie im Traume vom Pferde und sah schweigend zu, daß man einige an seinem Sattel befestigte Reserveriemen losmachte und ihn mit denselben band. Hierauf machte mir der Player die Bemerkung, daß wir nun dem Posten nahe genug gekommen und also zur Vorsicht angehalten seien. Es wurde also abgestiegen; zwei Mimbrenjos bekamen die Pferde und den Yuma zur Bewachung, und wir andern setzten unsern Weg zu Fuße fort.
Natürlich hielten wir uns dabei nicht im Freien, sondern unter den Bäumen. Als wir ungefähr zehn Minuten gegangen waren, sagte der Player:
»Nun nur noch ein kurze Strecke, Master, so kommen wir an einen kleinen Teich, an welchem die Yumas liegen müssen.«
»Gut! Ich will Euch zeigen, daß ich Euch Vertrauen schenke. Eigentlich müßte ich Euch hier zurücklassen, da Ihr auf den Gedanken kommen könntet, uns das Spiel zu verderben; aber ich will Euch mitnehmen, sage
Euch jedoch: Gelingt es uns nicht, den Posten aufzuheben und Ihr seid schuld daran, so ist's mit Euch zu Ende!«
Читать дальше