Alphonse und seine Annette
Nach dem Essen machten wir einen Rundgang durch die ganze Missionsstation, die ich als die erfolgreichste und auch schönste ihrer Art von allen, die ich in Afrika gesehen habe, bezeichnen würde. Als wir auf die Veranda zurückkehrten, fanden wir Umslopogaas damit beschäftigt, die Gelegenheit wahrzunehmen und seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: dem Säubern der Gewehre. Dies war die einzige Arbeit, die er machte, oder um die man ihn bitten konnte. Es war nämlich unter der Würde eines Zuluhäuptlings, körperliche Arbeit zu verrichten. Diese jedoch tat er gern, und er machte sie auch mit großer Sorgfalt. Es war schon ein seltsamer Anblick, dem großen Zulu zuzuschauen, wie er da auf der Erde saß, seine Streitaxt hinter sich an die Wand gelehnt, und wie er mit seinen langen, aristokratischen Händen mit peinlicher Sorgfalt, ja fast zärtlich, den Mechanismus der Hinterlader säuberte. Er hatte für jedes der Gewehre einen Namen. Die Doppelläufige von Sir Henry hieß »Donnerer«; eine andere, meine 500 Express, die einen besonders scharfen Knall hatte, war »Die-Kleine-die-wie-eine-Peitsche-spricht«; die Winchester-Repetierge-wehre waren »Die-Frauen,-die-so-schnell-sprechen,-daß-man-die-Worte-nicht-auseinanderhalten-kann«; die sechs Martinis waren »Das niedere Volk«; und so weiter mit allen anderen Gewehren. Es war schon sehr sonderbar, wenn man ihm zuhörte, wie er mit jedem einzelnen Gewehr sprach, während er es reinigte, so als sei es ein lebendiges Wesen, und das alles mit dem drolligsten Humor. Dasselbe tat er auch mit seiner Streitaxt, die er als einen sehr intimen Freund zu betrachten schien. Manchmal unterhielt er sich stundenlang mit ihr und erzählte ihr von allen seinen großen, vergangenen Abenteuern - von denen einige wahrhaft schrecklich genug waren. Mit einem Anflug von grimmigem Humor hatte er sie »Inkosi-kaas«, getauft, welches das Zuluwort für »Anführerin« oder »weiblicher Häuptling« ist. Lange Zeit hatte ich mir keinen Reim darauf machen können, warum er ihr ausgerechnet diesen Namen gegeben hatte. Schließlich hatte ich ihn danach gefragt, und er hatte mir erklärt, die Axt sei deswegen ganz offensichtlich weiblich, weil sie die Angewohnheit der Frauen habe, ihre Nase ganz tief in anderer Leute Dinge zu stecken, und eine Führerin sei sie doch ganz klar deswegen, weil alle Männer vor ihr niederfielen, mit Stummheit geschlagen bei dem Anblick ihrer Schönheit und Macht. Ebenso, wie er ihr von ihren gemeinsamen Abenteuern erzählte, so fragte er sie auch in kniffligen Situationen um Rat. Auf die Frage, warum er das tue, sagte er, er mache es deshalb, weil Inkosi-kaas zwangsläufig ungeheuer weise geworden sein müsse, da sie schon »in die Köpfe so vieler Leute hineingeschaut habe«.
Ich hob die Axt auf und schaute mir die fürchterliche Waffe aus der Nähe an. Sie war, wie ich schon sagte, eine Art Schlachtbeil. Der Griff, der aus einem einzigen riesigen Rhinozeroshorn gefertigt war, hatte eine Länge von drei Fuß und drei Zoll. Er war ungefähr einen und einen Viertelzoll dick und hatte am Ende einen Knauf, der so dick war wie eine Mandari-ne und verhindern sollte, daß die Hand vom Griff rutschte. Dieser Horngriff war trotz seiner Massivität so flexibel wie Schilfrohr und damit praktisch unzerbrechlich. Aber um doppelt sicherzugehen, daß er auch hielt, war er an den Stellen, wo die Hand ihn umfaßte, im Abstand von jeweils ein paar Zoll mit Kupferdraht umwickelt. Kurz vor der Stelle, an der der Griff ins Blatt eintrat, befanden sich zahlreiche Kerben; eine für jeden Mann, der mit der Axt im Kampfe getötet worden war. Das Blatt selbst bestand aus edelstem Stahl - vermutlich, ja höchstwahrscheinlich, europäischer Provenienz; Umslopogaas wußte selber nichts Genaueres vom Ursprung der Axt - er hatte sie von einem Häuptling erbeutet, den er vor vielen, vielen Jahren im Zweikampf getötet hatte. Sie war nicht sehr schwer - meiner Schätzung nach wog sie nicht mehr als zweieinhalb Pfund. Die Schneide hatte eine leichte Konkavwölbung - nicht, wie sonst bei den Streitäxten der Wilden üblich, konvex - und war scharf wie eine Rasierklinge. An ihrer breitesten Stelle maß sie etwa fünfdreiviertel Zoll. Auf der anderen Seite, gegenüber der Schneide, ragte ein dicker Dorn hervor, etwa vier Zoll lang. Die letzten zwei Zoll davon waren hohl und wie eine Lederstanze geformt. Sie hatte seitlich eine Öffnung, die dazu diente, alles, was sich in den Hohlraum am Ende der Stanze drückte, oben wieder herauszuschieben. In dieser Hinsicht ähnelte sie in der Tat exakt dem Schlachtbeil eines Metzgers. Mit eben dieser stanzenartigen Spitze schlug Umslopogaas, wie wir später entdeckten, auf seinen Gegner ein; er hieb damit ein sauberes, rundes Loch in den Schädel seines Kontrahenten. Die breite Schneide benutzte er nur zum Rundschlag, oder auch bisweilen im Handgemenge. Ich glaube, er betrachtete den Dorn als ein für einen geschickten Sportsmann angemesseneres, da schwieriger zu handhabendes Gerät. Die Art und Weise, in der er im Zweikampf mit dem spitzen Ding auf den Schädel seines Opfers einhieb, hatte ihm auch den Namen »der Specht« eingebracht. In seiner Hand war dieser Stachel aus Stahl eine fürchterliche Waffe, die äußerst wirksam war.
So sah also Inkosi-kaas aus, Umslopogaas Axt, die bemerkenswerteste und fürwahr todbringendste Nahkampfwaffe, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Er hätschelte und umsorgte sie wie ein Kind und legte sie fast nie aus der Hand, es sei denn, während er aß, und dann hatte er sie immer quer unter seinen Beinen liegen.
Ich hatte gerade Umslopogaas seine Axt zurückgegeben, als Miß Flossie kam und mich zu ihrer Blumensammlung entführte. Sie zeigte mir afrikanische Lilien und zahlreiche blütentragende Sträucher und Stauden, von denen mir mehrere Arten völlig unbekannt waren, und von denen auch - soviel ich weiß -die botanische Wissenschaft keine Kenntnis hat. Ich fragte sie, ob sie schon einmal etwas von der >Goyali-lie< gesehen oder gehört habe, von der mir Reisende berichtet hatten, die dieser seltenen Blume gelegentlich in Zentralafrika ansichtig, und von der vollendeten, majestätischen Schönheit dieser Blume in den Bann gezogen worden waren. Diese Lilie, von der die Eingeborenen behaupten, sie blühe nur alle zehn Jahre einmal, gedeiht nur in dürrem, unfruchtbarem Boden. Sie hat eine im Verhältnis zu ihrer Blüte nur sehr kleine Wurzel, die im allgemeinen etwa vier Pfund wiegt. Diese Blume (die ich nur zu bald unter Umständen, die dazu angetan waren, ihren Anblick immer in mein Gedächtnis einzubrennen, zum ersten Mal erblicken sollte), ist von solch erlesener, unübertroffener Schönheit, und die Süße ihres Duftes ist so betörend, daß mir einfach die Worte fehlen, sie zu beschreiben. Die Blüte - es ist nur eine einzige - steht auf einem dicken, fleischigen Stengel, der seitlich abgeflacht ist. Der, den ich sah, hatte einen Durchmesser von vierzehn Zoll. Die ganze Blume ähnelt in ihrer trompetenartigen Form ein wenig einer aufrecht stehenden, gewöhnlichen »Longiflorum«. Der Stengel verbreitert sich zu einem wunderschönen grünen Kelch, der in seiner frühen Wachstumsphase dem einer Wasserrose nicht unähnlich ist. Sobald die Blüte sich jedoch öffnet, platzt der grüne Kelch auf und teilt sich in vier einzelne Blätter, die sich anmutig zurückkräuseln, auf den Stengel zu. Dann kommt die Blüte selbst, ein einziger großer Bogen von atemberaubendem Weiß, welcher wiederum einen Kelch aus tiefem, samtigem Karmesinrot umschließt, aus dessen Mitte ein goldfarbener Stempel entspringt. Nie habe ich eine Blume gesehen, die dieser in ihrer bezaubernden Schönheit und ihrem unbeschreiblichen Duft gleichkam, und da ich glaube, daß sie nur sehr wenigen bekannt ist, habe ich mir die Freiheit genommen, sie so ausführlich zu beschreiben. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, daß mir, als ich sie zum ersten Mal sah, mit einem Schlag klar wurde, daß selbst in einer Blume etwas von der majestätischen Größe ruht, die ihren Schöpfer auszeichnet. Zu meiner großen Freude bestätigte Miß Flossie mir, daß sie diese Blume sehr gut kenne, und daß sie - leider erfolglos - versucht habe, sie in ihrem Garten zu ziehen. Sie sagte, daß die Blume in dieser Jahreszeit in voller Blüte stehe, und daß sie glaube, mir ein Exemplar verschaffen zu können.
Читать дальше