Ein General, dessen Uniform schwer von nassen Tressen war, folgte seinem Pferd, das von den beiden Husaren geführt wurde, über die Brücke. Tief unter ihm schäumte das Wasser weiß, gischtete gegen die Felsen in der Schlucht und strömte gurgelnd weiter zum Cavado. Der General eilte von der Brücke und hatte Mühe, wieder auf sein Pferd zu steigen. Die ordenança verspottete ihn und warf Steine nach ihm, doch sie prallten am Hang der Felsenklippe ab und rollten harmlos zur Straße hinab.
Hogan beobachtete die Franzosen, die hinter der Brücke kauerten, durch sein Fernrohr, von dem er ständig Regentropfen abwischte. »Wo bleibst du, Mister Christopher?«, fragte er ärgerlich.
»Vielleicht ist der Bastard vorausgegangen«, sagte Harper. »Wenn ich an seiner Stelle wäre, dann wäre ich als einer der Ersten abgehauen. Nichts wie weg, wird er sich gesagt haben.«
»Vielleicht«, sagte Sharpe, »vielleicht.« Harper hat vermutlich recht, dachte er, und Christopher könnte bereits mit der französischen Vorhut in Spanien sein, doch es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden.
»Wir werden bis zum Einbruch der Dunkelheit warten«, sagte Hogan, und der Klang seiner Stimme verriet seine Enttäuschung.
Sharpe konnte eine Meile zurück auf die Straße sehen, die voller Männer, Frauen, Pferde und Maultiere war, die zum Flaschenhals der Saltador-Brücke drängten. Zwei Tragen mit Verwundeten wurden über die Brücke getragen, und der Anblick der verwundeten Männer rief Triumphrufe der ordenança auf der Felsklippe hervor.
Ein Mann, offenbar mit einem gebrochenen Bein, humpelte mit einer behelfsmäßigen Krücke über die Brücke. Für den Mann war es eine Tortur, aber es war besser, die Qualen zu ertragen, anstatt zurückzubleiben und den Partisanen in die Hände zu fallen. Seine Krücke rutschte auf den Steinen der Brücke aus, und er stürzte schwer. Bei seinem Missgeschick johlten Männer der ordenança schadenfroh. Ein französischer Infanterist zielte mit seiner Muskete auf die höhnischen Portugiesen, doch als er abdrückte, fiel der Zündfunke auf feuchtes Pulver und nichts geschah, nur das Hohngelächter wurde lauter.
Und dann sah Sharpe Christopher. Genauer gesagt, er bemerkte zuerst Kate, die er an ihrem Gesichtsoval und dem Kontrast ihrer blassen Haut zu ihrem schwarzen Haar erkannte. Ihre Schönheit war sogar in dieser trüben und nassen frühen Abenddämmerung unter all den Flüchtlingen nicht zu übersehen, und Sharpe wunderte sich, weshalb sie eine französische Uniform trug. Doch dann sah er Christopher und Williamson neben ihrem Pferd. Der Colonel war in Zivilkleidung und bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Menge, damit er schneller zur Brücke gelangen und sich vor seinen Verfolgern sicher fühlen konnte.
Sharpe wischte hastig die Linse von Hogans Fernrohr ab und starrte hindurch. Christopher wirkte älter, fast gealtert mit seinem grauen Gesicht. Dann schwenkte Sharpe das Fernglas ein Stück zur Seite und sah Williamsons verdrossenes Gesicht. Zorn auf den Deserteur stieg in ihm auf.
»Haben Sie ihn gesehen?«, fragte Hogan.
»Er ist da«, sagte Sharpe und legte das Fernrohr ab. Er zog sein Gewehr aus dem neu gefertigten Lederfutteral und lehnte es an einen Felsbrocken.
Harper sah Christopher jetzt ebenfalls. »Da ist er. Tatsächlich.«
»Wo?«, wollte Hogan wissen.
»Zwanzig Yards vor der Brücke, Sir«, sagte Harper, »neben dem Pferd. Und jetzt steigt Miss Kate auf das Pferd. Und, mein Gott!« Harper hatte Williamson gesehen. »Ist das ...?«
»Ja«, sagte Sharpe, und er war versucht, auf den Deserteur zu zielen, statt auf Christopher.
Hogan starrte durch das Fernrohr. »Ein gut aussehendes Mädchen«, sagte er.
»Da schlägt einem das Herz schneller«, sagte Harper.
Sharpe hatte das Schloss des Gewehrs bedeckt gehalten und hoffte, dass das Pulver trocken geblieben war. Jetzt nahm er das Tuch weg und zielte auf Christopher, und ausgerechnet in diesem Moment krachte ein Donnerschlag, und der Regen, der bereits stark gewesen war, goss plötzlich in Strömen.
Sharpe fluchte. Er konnte Christopher in diesem Moment nicht mehr sehen. Er riss das Gewehr hoch und starrte in die verschwommene Luft, in der silberne Schleier in einem irrsinnigen Wirbel zu tanzen schienen. Verdammt! Er konnte überhaupt nichts mehr erkennen! Und dann zuckte ein Blitz über den Himmel und schien ihn zu spalten, und der Regen trommelte plötzlich wie der Hufschlag des Teufels. Sharpe richtete den Lauf des Gewehrs zu den Regenwolken und drückte ab. Er wusste, was passieren würde, und so war es. Der Zündfunken erlosch, das Gewehr war nutzlos, und so warf er es hin, richtete sich auf und zog sein Schwert.
»Was, zur Hölle, haben Sie vor?«, fragte Hogan.
»Ich hole mir mein Fernrohr«, sagte Sharpe.
Das 4. Leger, eine der besten Infanterieeinheiten in Soults Armee, brach zusammen und mit ihm die beiden Kavallerieregimenter. Die drei Regimenter waren gut postiert, beherrschten eine Anhöhe quer zur Straße, die sich der Ponte Nova näherte, doch der Anblick der Wachbrigade, das Krachen des Musketenfeuers und die Einschläge der beiden Dreipfünder-Kanonen hatten die französische Nachhut zermürbt. Ihre Aufgabe war es gewesen, die britische Verfolgung zu stoppen, sich dann langsam zurückzuziehen und die Brücke hinter sich zu zerstören, doch stattdessen ergriffen sie die Flucht.
Zweitausend Mann und tausendvierhundert Pferde trafen auf der behelfsmäßigen Straße über den Cavado zusammen. Keiner versuchte zu kämpfen. Sie flüchteten, und die ganze dunkle in Panik geratene Masse drängte sich auf dem Flussufer, als die Wachsoldaten hinter ihnen auftauchten.
»Verschiebt die Geschütze!«, befahl Sir Arthur den Kanonieren, deren Kanonen breite Grasflächen vor den Rohren verbrannt hatten. »Bringt sie näher an den Feind ran! Nicht lockerlassen!« Es begann stärker zu regnen, der Himmel verdunkelte sich, und Blitze zuckten über den nördlichen Hügeln.
Die Geschütze wurden den südlichen Hang des Tals hinauf etwa hundert Yards näher an die Brücke auf eine kleine Terrasse gerollt, von der aus sie ihre Kanonenkugeln in die Masse der Franzosen feuern konnten. Regen zischte und dampfte auf den Rohren, als die Kanonen donnerten und die ersten Geschosse in die Nachhut einschlugen. Ein Dragonerpferd wieherte schrill, bäumte sich auf und tötete einen Mann mit seinen auskeilenden Hufen. Weitere Kanonenkugeln trafen. Ein paar Franzosen, die erkannten, dass sie niemals lebend die Brücke erreichen würden, warfen ihre Musketen weg und hoben die Hände.
Die Briten öffneten ihre Reihen, um die Gefangenen durchzulassen, schlossen die Reihen und schickten eine Salve in den französischen Pöbelhaufen. Die Flüchtenden schoben und drängten, bahnten sich kämpfend einen Weg auf die Brücke. Der Andrang auf die halb abmontierte Fahrbahn ohne Geländer war so groß, dass Männer und Pferde über den Rand gedrängt wurden und in den Cavado stürzten, und immer noch donnerten die beiden Kanonen, schossen jetzt auf die Ponte Nova, und die Balken und Baumstämme auf dem einzigen Fluchtweg der Nachhut färbten sich rot vom Blut der Getroffenen.
Die Kanonenkugeln trieben mehr Männer und Pferde zum ungeschützten Rand der Brücke, sodass die vielen Toten und Sterbenden eine Art Damm unter der Brücke bildeten. Der Höhepunkt der französischen Invasion Portugals war das Massaker in Oporto gewesen, wo Hunderte in Panik ertrunken waren. Jetzt waren die Franzosen auf einer anderen fast zerstörten Brücke, und die Toten des Douro waren gerächt.
Und immer noch hämmerten die Geschütze auf die Franzosen ein, und dann und wann schoss eine Muskete oder ein Gewehr trotz des Regens. Die Briten waren eine rachsüchtige Linie, die sich dem Horror der Ponte Nova näherte.
Weitere Franzosen kapitulierten. Einige weinten vor Scham, Hunger und Kälte, als sie sich ergaben. Ein Hauptmann vom 4. Leger warf seinen Säbel zu Boden, dann hob er ihn wieder auf und zerbrach die dünne Klinge über dem Knie, bevor er sich gefangen nehmen ließ.
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