»Ich hatte Angst zu fragen«, flüsterte sie’.
»Ich konnte sie nicht vernichten. Wie hätte ich das tun können? Sie waren ein Teil von dir — und von Thod. Sie sind gebannt, bis sie sterben oder bis ich sterbe — je nachdem, was zuerst eintritt.« Mit müdem Blick sah er auf die nächsten Jahrtausende. »Rätsel. War dies wirklich das letzte? Enden alle Rätsel in einem Turm ohne Tür? Mir ist, als hätte ich diesen Turm Stein um Stein, Rätsel um Rätsel aufgebaut, und als ich den letzten Stein einfügte, da zerstörte ich ihn.«
»Ich weiß es nicht. Als Duac fiel, war ich so tieftraurig. Mir war, als hätte man mir etwas aus dem Herzen gerissen. Es schien mir so ungerecht, daß er in diesem Krieg fallen mußte, da er doch der vernünftigste und geduldigste von uns war. Diese Wunde ist verheilt. Aber der Harfner. Ich ertappe mich dabei, daß ich erwarte, durch das Rauschen des Wassers, durch das Blitzen des Lichts sein Spiel zu hören. Ich weiß nicht, warum wir ihn nicht ruhen lassen können.«
Morgon zog ihr Haar aus den Fingern des Windes und glättete es. Er tauchte irgendwo in den ständigen Strom seiner Gedanken ein, der unmittelbar unter der Oberfläche seines Bewußtseins floß. Er hörte Tristan mit Eliard sprechen, während sie in Akren den Tisch deckte. In Hel sahen Nun und Raith von Hel bei der Geburt eines Schweins zu. In Lungold barg Iff Bücher aus der abgebrannten Bibliothek der Zauberer. In Kronstadt sprach Lyra mit einem jungen Edlen aus Herun und vertraute ihm Dinge über die Schlacht in Lungold an, die sie keinem ändern gesagt hatte. Auf der Ebene der Winde wurden die zersprungenen Teile eines Schwerts langsam vom Gras überwuchert.
Er roch, wie das Zwielicht des Abends Hed einhüllte, das junge Gras, die umgepflügte Erde, die sonnenwarmen Blätter der Bäume. Wieder zog die Erinnerung an ein Lied, das kein Lied war, an seinen Gedanken, und beinahe wäre es ihm gelungen, seine Melodie zu vernehmen. Rendel schien es zu hören. Sie lehnte sich an ihn, und ihr Gesicht wurde friedlich im letzten warmen Licht.
Er sagte: »In Hel kommt gerade ein sprechendes Schwein zur Welt. Nun und der Herr von Hel sind dabei.«
Sie lächelte plötzlich. »Das erste seit drei Jahrtausenden. — Morgon, während ich auf dich wartete, mußte ich etwas tun, deshalb erforschte ich das Meer. Und da habe ich etwas gefunden, das dir gehört. Es ist jetzt in Akren.«
»Was?«
»Weißt du es nicht?«
»Nein. Soll ich deine Gedanken lesen?«
»Nein. Niemals. Wie könnte ich dann mit dir streiten?«
Sein Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich, und ihr Lächeln vertiefte sich.
»Pevens Krone?«
»Eliard sagt, sie wäre es. Ich habe sie ja nie zuvor gesehen. Sie war ganz von Seetang überwachsen. Nur der eine große Stein war klar wie ein Auge. Das Meer ist wunderschön. Vielleicht werde ich in ihm leben.«
»Und ich lebe in der Einöde«, meinte er. »Einmal alle hundert Jahre tauchst du aus dem Meer empor, und ich komme zu dir oder ich ziehe dich mit meinem Harfenspiel in die Winde hinein.«
Da endlich hörte er es — im Seufzen der Wellen, in dem Fels, auf dem sie saßen, uralt und voller Wärme. Zaghaft öffnete sich sein Herz diesem Gefühl, das er seit Jahren nicht mehr gekannt hatte.
»Was ist?«
Sie lächelte noch immer. In ihren Augen, die ihn ansahen, spiegelte sich der Glanz der versinkenden Sonne. Lange Zeit lauschte er still. Er nahm ihre Hand und stand auf. An seiner Seite schritt sie zur Küstenstraße über den Felsen. Die letzten Sonnenstrahlen ergossen sich über die grünen Felder. Die Straße vor ihnen schien schnurgerade ins Licht zu führen. Er blieb stehen, und während sein Herz aufging wie ein Samenkorn, hörte er in ganz Hed, im ganzen Reich eine vertraute Stille, die aus dem Herzen aller Dinge kam.
Die Stimme verwob sich tief in Morgons Geist und fand dort einen Ruheplatz. Ob es eine Erinnerung war oder ein Teil seines Erbes oder ein Rätsel, das keine Lösung hatte, wußte er nicht. Er zog Rendel nah an sich, ausnahmsweise mit der Unwissenheit zufrieden.
Sie schritten die Straße entlang nach Akren. Rendel begann, ihm mit heiterer, ruhiger Stimme von Perlen und leuchtenden Fischen und vom Gesang des Wassers in der Tiefe des Meeres zu erzählen. Langsam ging die Sonne unter; der Abend schritt durch das Reich, begleitete Morgon und Rendel, ein Fremder mit silbernem Haar, die Nacht im Rücken, das Gesicht stets dem Morgen zugewandt.
Und ein zitternder, unerwarteter Friede senkte seine Wurzeln in Morgons Herz.
Acor von Hel dritter König von Hel
Aia Frau von Har aus Osterland
Aker, Jarl toter Händler aus Osterland
Akren Sitz der Landherrscher von Hed
Aloil Zauberer, der in den Diensten der Könige von Ymris
stand und lebte, noch bevor die Schule der Zauberer in Lungold gegründet war
Amory, Wyndon Bauer aus Hed; seine Tochter ist Arin
An großes Königreich mit der Hauptstadt Anuin und dem Herrscher Mathom
Anoth Ärztin am Hofe Heureus von Ymris
Anuin Hauptstadt von An; Sitz von Mathom
Arya. eine Frau aus Herun
Ash Sohn und Landerbe von Danan Isig
Astrin Landerbe von Ymris; Bruder Heureus
Athol toter Vater von Morgon, Eliard und Tristan; ein Fürst von Hed
Auber von Aum Nachkomme von Peven von Aum
Aum einstiges Königreich, nun einer der drei Teile von An Bere Enkel von Danan Isig, Sohn von Vert
Borst von An einstiger Landherrscher von An; kam um, weil er absichtlich einen Teil von An zerstörte, um es dem Zugriff der Feinde zu entziehen
Caerweddin Hauptstadt von Ymris; Sitz von Heureu; eine Hafenstadt an der Mündung des Flußes Thul
Caithnard eine freie Hafenstadt zwischen Ymris und An; Sitz der Schule der Rätselmeister
Col einstiger Herr von Hel
Corrig Gestaltwandler; Ylons Vater, Vorfahre von Rendel
Corvett, Bri Kapitän von Mathom von An
Croeg, Cyn Ritter von An, mit Ländereien in Ost-Aum; ein Abkömmling der Könige von Aum
Croeg, Mara Cyn Croegs Frau; die Blume von An
Cron einstiger Morgol (Landherrscher) von Herun; voller Name Ylcorcron; sein Harfner war Tirunethod
Cyone Frau von Mathom von An; Mutter von Rendel und Rood
Danan Isig Landherrscher und König von Isig
Dhairrhuwyth ein einstiger Morgol von Herun
Duac Sohn von Mathom und Landerbe von An
Ebene der Winde Flachland in Ymris, wo der Turm der Winde steht und sich eine der zerstörten Städte der Erdherren befindet
Ebene von Königsmund ein anderes Flachland, wo ebenfalls die Ruinen einer Stadt der Erdherren verstreut liegen; der Name ist neueren Datums
Edolen ein Erdherr
Eichenland, Grim Verwalter im Dienste von Morgon von Hed Eichenland, Spring tote Mutter von Morgon von Hed; Frau von Athol
El Morgol (Landherrscher) von Herun; voller Name Elrhiarhodan
Eliard Bruder von Morgon und Landerbe von Hed
Elieu von Hel jüngerer Bruder von Raith von Hel
Erdherren einstige Bewohner des Landes; Erbauer der beiden untergegangenen Städte von Ymris, eine in der Ebene der Winde, eine in der Ebene von Königsmund
Erhabene, der Gesetzgeber und Lebensspender seit dem Untergang der Erdherren
Eriel ein Gestaltwandler; verwandt mit Corrig und Rendel
Eriel Meremont Frau von Heureu, dem Landherrscher von Ymris
Erlenstern-Berg Sitz des Erhabenen
Evern ›der Falkner‹; ein toter König von Hel
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