joline schnaubte. »Ich nehme an, Eure Schankwirte werden von dieser Regelung nicht begeistert sein. Wie wollen sie ihr Geld verdienen, wenn sie Reisenden keine Zimmer vermieten dürfen?«
»Die Gasthäuser werden entschädigt«, sagte der Bürgermeister kurz angebunden. »Drei Stunden. Erledigt eure Geschäfte und reitet weiter. Wir wollen allen Durchreisenden freundlich begegnen, aber unsere Regeln dürfen nicht gebrochen werden.« Und damit drehte er sich um und ging. Eine kleine Gruppe stämmiger Männer schloss sich ihm an; einige von ihnen trugen Äxte. Nicht auf bedrohliche Weise. Sie hielten sie ganz unauffällig, als hätten sie gerade Holz gehackt und würden zufällig durchs Dorf gehen. Gemeinsam. In dieselbe Richtung wie der Bürgermeister.
»Eine interessante Begrüßung«, murmelte Talmanes.
Mat nickte. In diesem Augenblick fingen die Würfel in seinem Kopf an zu klappern. Ach, verdammt! Er entschied sich, sie zu ignorieren. Sie halfen sowieso nie. »Lasst uns ein Gasthaus finden«, sagte er und trieb Pips an.
»Noch immer entschlossen, sich einen schönen Abend zu machen, was?«, sagte Talmanes lächelnd, als er sich Mat anschloss.
»Wir werden sehen«, meinte Mat und lauschte diesen Würfeln, obwohl er es eigentlich gar nicht wollte. »Wir werden sehen.«
Auf dem Ritt durch das Dorf entdeckte Mat drei Gasthäuser. Eines stand am Ende der Hauptstraße, an der Vorderseite brannten zwei helle Laternen, obwohl es noch nicht dunkel war. Die weißgetünchten Wände und die sauberen Glasfenster würden die Aes Sedai anziehen wie eine Flamme die Motten. Das würde das Gasthaus für reisende Händler und Würdenträger sein, die das Pech hatten, in diesen Hügeln unterwegs zu sein.
Aber nun konnten Fremde dort nicht mehr übernachten. Wie lange gab es diese Einschränkung schon? Wie überlebten die Wirte? Noch immer konnten sie eine Mahlzeit und ein Bad anbieten, aber ohne Zimmervermietung …
Mat glaubte nicht, was der Bürgermeister über die angebliche »Entschädigung« erzählt hatte. Wenn das Gewerbe für das Dorf nicht von Nutzen war, warum sie dann bezahlen? Es war einfach nur seltsam.
Auf jeden Fall hielt Mat nicht auf das nette Gasthaus zu, auch nicht auf das, das Thom gewählt hatte. Das befand sich nicht an der Hauptstraße, sondern an einer breiten Straße im Nordosten. Dort würde man den normalen Kunden bedienen, respektable Männer und Frauen, die ungern mehr bezahlten, als unbedingt nötig war. Das Gebäude sah gepflegt aus; die Betten würden sauber sein und die Mahlzeiten akzeptabel. Dorfbewohner würden gelegentlich auf ein Glas hereinschauen, hauptsächlich dann, wenn sie der Meinung waren, dass ihre Ehefrauen sie genau im Auge behielten.
Das letzte Gasthaus wäre schwer zu finden gewesen sein, hätte Mat nicht gewusst, wonach er Ausschau halten musste. Es stand drei Straßen vom Zentrum entfernt, in der westlichen Dorfecke. Über dem Eingang hing kein Schild, es gab nur ein Holzbrett in einem der Fenster, in das man etwas geschnitzt hatte, das wie ein betrunkenes Pferd aussah. Keines der Fenster war verglast.
Aus dem Inneren kamen Licht und Gelächter. Das fehlende einladende Schild und die nicht vorhandenen Straßenlaternen hätten den meisten Durchreisenden nur wenig Vertrauen eingeflößt. Eigentlich war es mehr eine Schenke als ein Gasthaus; Mat bezweifelte, dass es hier jemals mehr als ein paar Pritschen im Hinterzimmer gegeben hatte, die man für ein Kupferstück mieten konnte. Das war der Ort, an dem sich die arbeitende Bevölkerung entspannte. Da sich der Abend näherte, würden viele bereits den Weg dorthin gefunden haben. Es war ein Ort für Gesellschaft und Entspannung, ein Ort, an dem man mit seinen Freunden eine Pfeife rauchte. Und die Würfel rollen ließ.
Mat lächelte und stieg aus dem Sattel, dann band er Pips an einem Pfahl an.
Talmanes seufzte. »Euch ist schon klar, dass man hier die Getränke vermutlich mit Wasser streckt?«
»Dann müssen wir eben doppelt so viel bestellen«, erwiderte Mat, band ein paar Beutel mit Münzen vom Sattel und stopfte sie sich in die Manteltaschen. Er bedeutete seinen Soldaten, draußen zu bleiben und die Pferde zu bewachen. Das Lasttier trug eine Geldtruhe. Es war Mats persönliches Geld; er würde den Sold der Bande nicht beim Spielen riskieren.
»Also gut«, sagte Talmanes. »Aber Euch ist bewusst, dass Ihr und ich in Vier Könige eine vernünftige Taverne besuchen. Ich sorge schon noch für Eure Erziehung, Mat. Ihr seid jetzt ein Prinz. Ihr braucht…«
Mat hob die Hand und unterbrach Talmanes. Dann zeigte er auf den Pfahl. Talmanes seufzte wieder, rutschte aus dem Sattel und band sein Pferd fest. Mat ging zur Schenkentür, holte tief Luft und trat ein.
Männer drängten sich um die Tische, ihre Umhänge lagen über Stuhllehnen oder hingen an Haken, ihre zerrissenen und geflickten Westen waren aufgeknöpft, die Ärmel aufgerollt. Warum trugen hier alle Kleidung, die einst so kostbar und jetzt geflickt war? Sie hatten genügend Schafe und hätten darum über Wolle im Überfluss verfügen müssen.
Mat ignorierte diese seltsame Tatsache für den Augenblick. Die Gäste würfelten, tranken Ale aus Bechern, die auf klebrigen Tischen standen, und gaben den vorbeieilenden Mägden einen Klaps auf den Hintern. Sie erschienen erschöpft, vielen konnte man ihre Müdigkeit von den Augen ablesen. Aber das war nach dem Tagwerk nur zu erwarten. Trotz der müden Augen wurde munter drauflosgeplaudert, Stimmen überlappten einander zu einem leisen grollenden Murmeln. Ein paar Leute schauten bei Mats Eintreten auf, einige davon bedachten seine teure Kleidung mit einem Stirnrunzeln, aber die meisten beachteten ihn nicht.
Talmanes folgte ihm zögernd, aber er gehörte nicht zu jenen Adligen, die etwas dagegen hatten, sich mit den unteren Gesellschaftsschichten einzulassen. In seinem Leben hatte er schon etliche schmierige Schenken besucht, auch wenn er sich über Mats Wahl beklagt hatte. Und so zog er genauso schnell wie Mat einen Stuhl an einen Tisch, an dem bereits ein paar Männer saßen. Mat lächelte breit und ließ Gold aufblitzen, warf es einer vorbeigehenden Magd zu und bestellte Getränke. Das rief Aufmerksamkeit hervor, sowohl am Tisch wie auch bei Talmanes.
»Was tut Ihr da?«, zischte Talmanes leise. »Soll man uns die Kehle durchschneiden, wenn wir hier herausstolpern?«
Mat lächelte bloß. An einem der Nachbartische war ein Würfelspiel im Gang. Es schien sich um Katzenpfote zu handeln - zumindest hatte man es in der Nacht so genannt, in der man es Mat beigebracht hatte. In Ebou Dar hieß es Dritter Edelstein, und in Cairhien hatte er es unter dem Namen Schwebende Federn kennengelernt. Für seine Absichten war es das perfekte Spiel. Nur ein Spieler warf die Würfel, und die Zuschauer wetteten gegen oder auf ihn.
Mat holte tief Luft, dann schob er seinen Stuhl an diesen Tisch und warf eine Goldkrone direkt in den von einem Alebecher hinterlassenen feuchten Ring. Der Becher wurde von einem kleinen Burschen gehalten, der den größten Teil seines mausgrauen Haars verloren hatte; der Rest davon hing ihm bis auf den Kragen. Um ein Haar hätte er sich an seinem Ale verschluckt.
»Habt ihr etwas dagegen, wenn ich mein Glück mit einem Wurf versuche?«, fragte Mat die versammelten Männer.
»Ich … ich weiß nicht, ob wir da dagegenhalten können«, sagte ein Mann mit einem kurzen schwarzen Bart. »Mein Lord«, fügte er etwas verspätet hinzu.
»Mein Gold gegen euer Silber«, sagte Mat leichthin. »Seit Ewigkeiten habe ich keine vernünftige Würfelpartie mehr gespielt. «
Interessiert schob nun auch Talmanes seinen Stuhl an den Tisch. Er hatte schon zuvor gesehen, dass Mat so etwas tat, Goldmünzen einsetzte und Silber gewann. Mats Glück machte den Unterschied, und am Ende lag er immer vorn. Manchmal lag er auch vorn, wenn er Gold gegen Kupfer einsetzte. Das brachte ihm nicht viel Geld ein. Es dauerte immer nur eine Weile, bis die anderen Männer entweder keine Münzen mehr hatten oder sich aus dem Spiel verabschiedeten. Und Mat hatte dann eine Handvoll Silber und keinen, mit dem er weiterspielen konnte.
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