»In der letzten Passage-Hand, Herr«, erwiderte ich.
»Ich eroberte die Sklavin von zwei Männern an der Grenze zur Salerischen Konföderation«, sagte Clitus Vitellius. »Das war bei Frühlingsanfang.«
Seit dieser Zeit war ich Sklavin gewesen bei Clitus Vitellius, Thurnus aus Tabukfurt, in der Festung Turmussteine und im ›Glockenkragen‹. Außerdem hatte ich Elicia Nevins gedient und im ›Chatka und Curla‹ gearbeitet.
»Es ist zu spät«, sagte Samos niedergeschlagen.
»In welcher Hinsicht?« fragte Bosk aus Port Kar.
»Halbohr ist zweifellos schon auf Gor gelandet«, sagte Samos grimmig.
»Wer ist denn dieser Halbohr?« fragte Bosk.
»Seinen richtigen Kur-Namen kennen wir nicht«, antwortete der Kapitän. »Auf Gor ist er lediglich als Halbohr bekannt.«
»Und was ist dieses legendäre Wesen?«
»Ein hoher Feldherr der Kurii«, antwortete Samos.
»Hat seine Ankunft auf Gor etwas zu bedeuten?« wollte Bosk aus Port Kar wissen.
»Zweifellos ist er auf diese Welt gekommen, um die weiteren Aktionen der Kurii zu leiten!«
Ich wußte nicht, was Kur und Kurii waren. Offenbar handelte es sich um den Gegner.
»Und es hat etwas zu bedeuten, daß er gerade jetzt nach Gor gekommen ist?« hakte Bosk nach.
»Ich habe das dumpfe Gefühl, daß es so ist«, erwiderte Samos. Er schien zutiefst erschüttert zu sein, was mich überraschte, hatte er doch einen starken, strengen Eindruck auf mich gemacht. Die Nachricht mußte wirklich Schlimmstes verheißen, wenn sich ein mächtiger Mann wie er davon beunruhigen ließ.
»Was heißt nun das Ganze?« fragte Bosk aus Port Kar.
»Ich fürchte, daß die Invasion kurz bevorsteht.«
»Invasion?« warf Clitus Vitellius ein.
»Es gibt einen Feind«, sagte Samos.
»Einen Feind Ars?« fragte Clitus Vitellius zornig.
»Einen Feind Ars und Port Kars und Cos’ und Tarnas – einen Feind der ganzen Welt!«
»Halbohr«, sagte Bosk aus Port Kar nachdenklich. »Den möchte ich gern kennenlernen.«
»Ich auch!« rief Clitus Vitellius.
»Ich habe so einiges über ihn gehört«, sagte Samos aus Port Kar. »Ich glaube nicht, daß ich seine Bekanntschaft machen möchte.«
»Wir müssen ihn aufspüren«, forderte Bosk.
»Wir haben aber nicht den geringsten Anhaltspunkt«, sagte Samos und betrachtete das Halsband, das wieder auf dem Tisch vor ihm lag. »Wir wissen nur, daß Halbohr sich irgendwo auf Gor befindet.«
In der Schale der winzigen Lampe neben uns knisterte das Öl.
Geistesabwesend blickte Samos mich an. Dann sagte er zu den Wächtern hinter mir: »Bringt sie in die Gehege und kettet sie fest.«
»Dein Bad ist fertig, Herrin«, sagte ich. Ich kniete mit gesenktem Kopf in einer weißen Tunika vor meiner Herrin, der Lady Elicia von den Sechs Türmen Ars.
Sie saß auf ihrer breiten Couch und ließ sich von mir die Sandalen ausziehen. Dann stand sie auf, und ich nahm ihr die Robe ab.
Sie lächelte anerkennend. »Vielleicht mache ich doch noch eine Dienstsklavin aus dir, Judy.«
»Ich hoffe, daß ich meiner Herrin gefalle«, erwiderte ich.
Sie trat an den Rand des eingelassenen Beckens und ließ sich hineinsinken. Die Temperatur stimmte genau. Ich hatte meine Lektion gelernt.
Ich blickte auf meine Herrin, die sich wohlig im warmen Wasser reckte.
Ich war Judy, ihre Haussklavin. Ich säuberte ihre Gemächer, ich kochte und wusch, ich erledigte alle simplen, unangenehmen Arbeiten. Es war sehr bequem für sie, über mich zu bestimmen. Oft ließ sie sich von mir beim Einkaufen begleiten, und wenn sie mich dabei erwischte, wie ich einen Mann auch nur ansah, wurde ich zu Hause sofort ausgepeitscht. Ja, die ziselierte Sklavenpeitsche, die über dem Bad an der Wand hing, hatte ich schon einige Male zu spüren bekommen.
Wie viele frigide Frauen war sie unglaublich eitel. Begriff sie nicht, daß ihre Schönheit – und sie selbst – biologisch bedeutungslos waren, solange sie nicht von den Armen eines Herrn umschlossen wurde?
»Wie roh und abscheulich die Männer doch sind, Judy!« sagte sie.
Wenn sie badete, kam das Gespräch meistens auf die Männer, und sie ließ keinen Zweifel an ihrer Verachtung für das andere Geschlecht.
»Hältst du mich für schön, Judy?« fragte sie.
»Ja, Herrin.« Sie stellte mir die Frage oft, und meine Antwort entsprach der Wahrheit. Meine Herrin war eine unglaublich schöne junge Frau – weitaus schöner als ich.
»Glaubst du«, fragte sie lachend, als spräche sie im Scherz, »daß ich einen hohen Preis bringen würde?«
»Ja, Herrin«, sagte ich. Nicht zum erstenmal erkundigte sie sich nach diesen Dingen; ihre Neugier in die sem Punkt kam mir etwas seltsam vor.
In diesem Augenblick hörte ich das leise Geräusch, auf das ich seit mehreren Tagen gewartet hatte.
Sie legte sich in der Wanne zurück und schloß die Augen. Der bunte Schaum hüllte sie bis zum Kinn ein.
»Wie ist es denn so als Sklavin eines Mannes?« fragte sie.
»Das wird die Herrin bald selbst wissen«, sagte ich.
Sie drehte sich um und erblickte ihn. Sie schrie auf.
»Wer bist du?« rief sie.
»Bist du Lady Elicia von den Sechs Türmen Ars?« fragte er.
»Ja.«
»Im Namen der Priesterkönige Gors beschuldige ich dich, eine Agentin der Kurii zu sein. Darauf stehen schwere Strafen.«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte sie.
Aus seiner Tunika zog er einen zusammengefalteten gelben Bogen, der mit Siegel und Band versehen war. Auf dem gelben Papier sah ich in schwarzer Tinte das allgemein verbreitete Kajirazeichen. »Ich habe hier eine Anordnung zur Versklavung, unterzeichnet von Samos aus Port Kar. Schau es dir an. Du wirst sehen, daß alles in Ordnung ist.« Er warf das Dokument zu Boden.
»Nein!« rief sie erschrocken und versuchte ihre Blöße zu bedecken. »Tellius! Barus!« kreischte sie.
»Deine Helfershelfer können dir nicht mehr beistehen«, sagte der Fremde. »Wir wissen, daß sie aus Cos stammen. Sie befinden sich bereits im Gewahrsam des Magistrats von Ar.«
»Tellius! Barus!« rief sie noch einmal.
»Du bist allein, Lady Elicia«, sagte er. »Niemand kann deine Schreie hören.«
Er war groß und kräftig und trug das Rot des Krie gers. An seinem Gürtel hing eine lange zusammengerollte Lederleine.
»Komm aus dem Bad«, sagte er. »Empfange die Zeichen deiner Sklavenschaft.«
»Nein!« rief sie und wandte sich an mich. »Lauf, Judy! Hol Hilfe!«
»Nein«, sagte der Mann.
»Ja, Herr«, erwiderte ich und blickte Lady Elicia an. »Verzeih mir, Herrin, aber ich bin nur eine Sklavin, die dem Befehl des Mannes gehorchen muß.«
»Unselige!« rief sie.
»Komm aus dem Bad!« sagte er. »Sonst hole ich dich raus!«
»Bring mir meinen Mantel«, sagte Lady Elicia.
Er ging zu dem Gewand, das auf der Couch lag, doch anstatt es ihr zu geben, begann er den Stoff zu untersuchen. Er hob ihn ins Licht. In einem Ärmel, in einer schmalen, langen Scheide, fand er eine Nadel, die er in die Höhe hielt. Dann näherte er sich dem Becken. Sie wich erschrocken zurück. Er wusch die Nadel sauber, trocknete sie mit einem Handtuch ab und steckte sie wieder in den Ärmel. Ich hatte keine Ahnung gehabt von dieser Waffe, so raffiniert war sie in der Naht verborgen gewesen.
Er blickte sie an.
Ich war sicher, daß die Nadel vergiftet gewesen war, vermutlich mit Kanda.
»Du hast mich entwaffnet, Krieger«, sagte sie. »Reichst du mir jetzt bitte mein Gewand?« Er aber warf den Mantel in eine Ecke des Zimmers.
»Bitte«, sagte sie. »Ich bin reich. Ich kann dir viel Geld geben!«
»Steh auf und heb die Hände über den Kopf«, befahl er.
»Du nimmst dir zuviel heraus!« rief sie.
»Das ist bei einer Sklavin gar nicht möglich!«
Читать дальше