»Bedient hier noch eine andere freie Frau?«
»Nein.«
Sie mußte die Frau sein, von der der Verwalter gesprochen hatte, die ein Tarskstück pro Ahn kosten sollte. Das war vermutlich etwas hochgegriffen, da sie immerhin eine freie Frau war. Obwohl freie Frauen technisch gesehen unbezahlbar sind, im Bett taugen sie nicht viel. Ihnen fehlt die Ausbildung, die jede Sklavin genießt. Dafür haben sie eine aufgeblähte Vorstellung, was ihre Anziehungskraft betrifft, In solch schwierigen Zeiten war dieser lächerliche Preis natürlich nicht verwunderlich.
»Also darfst du nicht ausgepeitscht werden, da du frei bist?« fragte ich.
Sie wurde leichenblaß.
Obwohl sie anscheinend nicht vollständig über ihre Pflichten als Schankmädchen aufgeklärt worden war, hatte man sie zumindest darüber belehrt, daß sie trotz ihres Status wenn nötig bestraft werden konnte.
»Wie heißt du?« fragte ich.
»Das geht dich nichts an!« fauchte sie.
»Bist du schon einmal ausgepeitscht worden?«
»Ich bin Temione, eine Lady aus Telnus«, sagte sie. »Nein, man hat mich noch nie ausgepeitscht«, fügte sie dann hinzu.
Telnus ist eine bedeutende Hafenstadt auf der Insel Cos. Zugleich ist es die Hauptstadt des Insel-Ubarates.
»Was tust du hier?«
Sie antwortete nicht.
»Zweifellos bist du den Cosianern gefolgt, weil du Beute gerochen hast, weil der mögliche Gewinn verlockend war, wo Männer beladen mit den Schätzen Ar-Stations nach Süden unterwegs sind, Männer, die anfällig für deine angebliche Notlage sind. Vielleicht hast du sogar gehofft, dir einen reich gewordenen Offizier oder gar einen Händler zu schnappen.«
Temione starrte mich wütend an.
»Du wolltest dazu deine Schönheit einsetzen.«
Mit einer wütenden Kopfbewegung warf sie das Haar über die Schultern.
»Haben dich meine Worte in Wut gebracht?«
»Willst du bestellen?«
»Welche Farbe hat dein Haar?« fragte ich. »Es ist schwer zu sehen in diesem Licht.«
»Kastanienbraun.«
»Ein natürliches Kastanienbraun?«
»Selbstverständlich.«
»Diese Farbe, vor allem, wenn sie natürlich ist, bringt auf Sklavenmärkten einen hohen Preis.«
»Ich bin frei.«
»Da draußen sind noch mehr von deiner Sorte, denen ähnliche Gedanken im Kopf herumspuken. Sie knien nun im Hof, angekettet. Kennst du sie?«
Sie wandte wütend den Kopf ab.
»Lady Temione«, sagte ich, »man hat dir eine Frage gestellt!«
»Sie sind zu fünft«, sagte sie. »Rimice, Klio und Liomache aus Cos, Elene aus Tyros und Amina aus Venna.«
»Wie, glaubst du, sieht ihr Schicksal aus?«
»Zweifellos wird man sie auslösen und freilassen«, sagte Temione. »Wir sind alle freie Frauen. Männer werden uns retten, eine ganz bestimmte Sorte von Männern. Diejenigen, die es nicht ertragen können, eine Träne im Auge einer Frau zu sehen. Für solche Männer ist es undenkbar, daß wir die Folgen unserer Taten ertragen müßten.«
»Hältst du mich für solch einen Mann?«
»Nein«, sagte Temione. »Sonst hätte ich dich gebeten, mich auszulösen.«
»Die Männer, von denen du da gesprochen hast, die so fürsorglich, so verständnisvoll sind, die es so eilig haben, dir zu Hilfe zu kommen, die verzweifelt bemüht sind, dir zu helfen und dich zu erfreuen – bringen die tief in deinem Inneren eine Saite zum Klingen?«
»Ich bin eine freie Frau«, erwiderte sie. »Wir stehen über solchen Dingen.«
»Aber du mußt das Eisen fürchten.«
»Das wird niemals geschehen.«
»Aber du mußt es befürchten.«
»Vielleicht.«
»Die Dinge sähen dann ganz anders aus.«
»Ja. Dann wäre alles anders.«
Das entsprach der Wahrheit. Die Sklavin hat einen ganz anderen Status als die freie Frau. Es ist der Unterschied zwischen einer Person und einem Besitztum. Derselbe Mann, der absurde Bemühungen unternimmt, um einer freien Frau zu gefallen und sich ihretwegen sogar zum Narren macht, würde, sollte dieselbe Frau versklavt worden sein, ohne Zögern seine Wünsche mit der Peitsche deutlich machen.
»Wann sind deine betrügerischen Schwestern und du gefangengenommen worden?« fragte ich.
»Heute morgen sollten wir die Rechnung bezahlen«, sagte sie. »Als unsere Ausflüchte die Diener nicht umstimmte, legte man jeder von uns Schlingen um den Hals und führte uns in Gewand und Schleier vor den Tisch des Verwalters. Wir gaben ihm das wenige Geld, das wir hatten, aber es reichte nicht aus. Den Rest des Morgens verbrachten wir in einem Käfig auf Rädern, wo wir auf harten Bänken sitzen mußten, während uns Männer anstarrten. Keiner wollte uns auslösen. Mittags, die zehnte Ahn hatte gerade geschlagen, wurde der Käfig zurück in seinen Schuppen gerollt. Dann führte man uns nacheinander aus dem Wagen, und wir wurden unter den Blicken der draußen wartenden Männer von zwei kräftigen freien Frauen ausgezogen und durchsucht. Als sie fertig waren, durften wir nicht zurück, sondern mußten uns ein Stück abseits mit dem Gesicht zur Wand stellen. So verhinderte man auf einfache Weise, daß diejenigen, die bereits durchsucht worden waren, von den anderen etwas zugesteckt bekamen. Unsere Kleider wurden sorgfältig durchsucht, unsere Körper ebenfalls. Das brachte ihnen noch ein paar zusätzliche Münzen ein. Die Frauen waren gründlich, das kann ich dir versichern. Zweifellos erledigten sie dies nicht zum erstenmal.
Als man uns in den Wagen zurückbrachte, waren wir ohne Geld und nackt. Wir hatten nur noch uns selbst. Der Wagen wurde dann zurück zum Tisch des Verwalters gerollt. Wie du dir sicher vorstellen kannst, wurden die Zudringlichkeiten der anderen Gäste jetzt noch schlimmer. Man sah uns an, als wären wir Sklavinnen! Nach der fünfzehnten Ahn holte man uns aus dem Käfig, und wir mußten uns links neben dem Tisch hinknien. Man fesselte unsere Beine. Mit nur einem Seil. So daß wir mit wenig Aufwand aneinandergefesselt waren.«
»Eure Hände hat man natürlich freigelassen«, fuhr ich fort. »Damit ihr sie mitleiderregend anderen Gästen entgegenstrecken konntet.«
»Natürlich«, sagte sie wütend.
»Erzähl weiter.«
»Gegen die siebzehnte Ahn wurde der Verwalter unseres Flehens und den Protesten wohl müde. Außerdem schien er nicht besonders erfreut über Frauen zu sein, die versucht hatten, in seiner Herberge die Zeche zu prellen.«
»Das ist wohl verständlich.«
»Nein«, rief Temione, »wir sind keine Sklavinnen! Wir sind freie Frauen! Wir können alles tun, was wir wollen!«
»Ach, so ist das.«
»Der Verwalter ist kein Ehrenmann!«
»Das glaube ich gern.«
»Es stimmt«, entgegnete sie scharf. »Sieh mich an, ich stehe hier nackt und angekettet.«
»Ich habe dich angesehen«, versicherte ich ihr.
Sie riß wütend an den Ketten.
»Aber allem Anschein nach hat er euch Gelegenheit gegeben, hier euer betrügerisches Handwerk auszuüben«, sagte ich. »Euer Hauptproblem scheint doch darin zu bestehen, daß ihr einfach keinen Erfolg hattet.«
»Vielleicht ist das so«, sagte sie mürrisch.
So wie ich den Verwalter kennengelernt hatte, war ihm nichts wichtiger, als die offenstehenden Beträge einzukassieren, und wenn eben nicht auf die eine, dann auf die andere Weise.
»Fahr fort«, bat ich sie.
»Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen«, sagte sie zornig. »Zur siebzehnten Ahn war er unserer Anwesenheit wohl überdrüssig, und er ließ uns aus der Nähe seines Tisches entfernen. Fünf von uns wurden nach draußen gebracht, und deinem Bericht entnehme ich, daß man sie auf dem Hof ankettete. Mich hat man in den Pagaraum gebracht, damit ich an den Tischen bediene.«
»Warum hat man dich nicht nach draußen gebracht?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Männer sind lustbesessene Tiere«, sagte sie dann. »Zweifellos bin ich hier, weil ich die Schönste bin.«
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