Dazu lächelte Bogel, womit er andeuten wollte, daß dies scherzhaft gemeint sei. Diese Subtilität entging dem Publikum des armen Kerls jedoch völlig; Gesichter liefen dunkel an, und eine mürrisch-feindselige Atmosphäre braute sich zusammen. Es lag auf der Hand, daß dieser Bogel zwar einen scharfen Verstand besaß, aber keinen Instinkt dafür hatte, wie man Menschen mit Hilfe der Rednergabe in die gewünschte Richtung bewegte.
»Sie wagen zu behaupten, ich hinge an der Leine eines Dominators, Sie armseliger Wicht?«
Bogel schien verwirrt; er hatte den Zorn dieser Leute nicht auf sich lenken wollen, doch gerade dies war nun die Folge seiner Worte. Bei diesem Stand der Dinge kam der Kellner mit Ferics Salat und dem Bier. Feric machte sich mit gutem Appetit über die Mahlzeit her, vermochte ihr jedoch nicht den erwarteten Genuß abzugewinnen, denn aus einem Grund, den er selbst nicht ganz verstand, hatte das sich vor ihm entfaltende Drama seine ungeteilte Aufmerksamkeit gefunden.
Bogel lächelte schwächlich. »Kommen Sie, mein Freund«, sagte er. »Seien Sie nicht so überempfindlich. Ich beschuldige niemanden hier, an der Leine eines Dominators zu hängen. Doch wie können wir andererseits jemals die Gewißheit haben, daß einer unserer Mitbürger nicht in ein Dominanzmuster verstrickt ist? Eben darin liegt die gefährliche Heimtücke dieser Geschöpfe: wahre Menschen wie wir können einander nicht vorbehaltlos vertrauen, so lange noch ein einziger Dominator innerhalb der Grenzen von Heldon lebt!«
Dies schien die Menge ein wenig zu beruhigen, wenigstens soweit, daß Bogel fortfahren konnte.
»Dieser Streit unter uns zeigt, wie tief Heldon unter dem derzeitigen schlappen Regime gesunken ist«, erklärte er. »Ich würde mich dafür verbürgen, daß keiner unter den hier versammelten rechtschaffenen Männern einen Augenblick zögern würde, einem Dominator den Hals umzudrehen, wenn dieser sich offen zeigte. Dennoch scheuen sie sich, eine Partei zu unterstützen, die entschlossen ist, dieses Ungeziefer rücksichtslos auszumerzen. Keiner unter uns, der nicht seine eigenen Abkömmlinge erschlagen würde, sollten diese die menschliche Rasse verraten, indem sie sich mit einem Mutanten oder Hybriden paaren. Dennoch lassen Sie es sich gefallen, wenn der Nationalrat unter dem Druck der Universalisten die Gesetze zur Erhaltung genetischer Reinheit lockert, um ausländischen Mutanten die Ausübung verschiedener Berufe und Arbeiten in Heldon zu gestatten, von denen die Lakaien der Doms Ihnen eingeredet haben, sie wären unter Ihrer Würde. In einer Stadt wie Ulmgarn, in unmittelbarer Nachbarschaft der borgravischen Pestilenz, werden brave Helder wie Sie sicherlich wie ein Mann zu den Waffen greifen und sich um die Fahne der Partei der menschlichen Wiedergeburt scharen, sobald ich unsere Entschlossenheit proklamiere, die rassische Reinheit von Heldon zu bewahren und die Dummköpfe des Nationalrates zu vertreiben, die die eiserne Strenge unserer Gesetze für die Reinhaltung der Rasse verraten würden, um sich bei Faulenzern und Gesindel beliebt zu machen!«
»Gut gesprochen!« brach es unwillkürlich aus Feric hervor, aber seine Stimme ging im allgemeinen Beifall unter, denn Bogel hatte unversehens das einfache und doch edle Gefühl von Rassestolz in ihnen angerührt. Andere Besucher des Gasthauses gaben nun ihre privaten Unterhaltungen auf und wandten ihre Aufmerksamkeit dem schmächtigen, dunkelhaarigen Redner zu.
»So jedenfalls dachte ich in meinem naiven Sinn, als ich beschloß, von Walder in diese Grenzregionen zu reisen, um Unterstützung für unsere Sache zu finden«, fuhr Bogel fort, nachdem die Ovation sich gelegt hatte. »Aber statt einer rechtschaffenen erzürnten Bürgerschaft, was fand ich? Träge Schlafmützen, zu benebelt von der Aussicht, ihre Arbeit von Wanderarbeitern tun zu lassen, um gegen diese Ungeheuerlichkeit zu protestieren! Naive Hinterwäldler, die glauben, daß alle Doms aus Heldon vertrieben wären, weil eine Regierung von Dummköpfen und rassischen Eunuchen es ihnen weismacht!«
Das war zuviel für Feric. Dieser Bogel sprach offenkundig als ein wahrer Patriot aus überzeugtem Herzen. Seine Rede hatte Überzeugungskraft, seine Sache war gerecht und verdiente Unterstützung, er hatte momentan die Herzen seiner Zuhörer gewonnen, und nun warf er seine Chance weg, um sich in gequältem Selbstmitleid zu ergehen, statt auf die donnernde Forderung nach konkretem und rücksichtslosem Handeln hinzuarbeiten. Statt weiteren Beifall zu ernten, zog er erneuerte Feindseligkeit auf sich. Der Mann war ein guter Redner, aber als politischer Agitator ein Versager. Doch vielleicht ließ die Situation sich retten ...
Feric stand auf und rief mit kühner, klarer Stimme: »Es gibt hier Männer unter uns, die weder Schlafmützen noch naive Hinterwäldler sind!« Indem er so den gekränkten und feindseligen Empfindungen der Zuhörer Ausdruck verlieh, zog er augenblicklich alle Aufmerksamkeit auf sich; selbst Bogel versuchte nicht, ihn zu unterbrechen, da Ferics Worte seinem scharfen Verstand die üble Situation klargemacht hatten, in die er sich gebracht hatte. Alle warteten gespannt auf Ferics nächste Worte; würde er den Redner angreifen oder verteidigen?
»Es gibt hier Männer unter uns, für die Ihre Worte eine laut widerhallende Herausforderung sind!« fuhr Feric fort. Er sah, daß Bogels Züge sich in einem erleichterten Lächeln entspannten. »Es gibt hier Männer unter uns, die weder die Unverschämtheit von Mutanten noch die Verseuchung heimatlichen Bodens durch ihre unsaubere Gegenwart dulden werden. Es gibt hier Männer unter uns, die bereit sind, einen Dominator mit bloßen Händen zu zerreißen, wenn wir ihn sehen. Rechte Männer! Männer mit einer fanatischen Entschlossenheit, nicht nur die rassische Reinheit der gegenwärtigen Großrepublik Heldon zu gewährleisten, sondern die absolute Herrschaft rasseechter Menschen auf jeden bewohnbaren Flecken dieser armen und mißbrauchten Erde auszudehnen! Im Herzen selbst des trägsten Faulenzers lebt ein Held, der gewillt ist, die Waffen in die Hand zu nehmen, wenn es gilt, den reinen menschlichen Genotyp zu erhalten! Unsere Erbmasse verlangt die Ausschließung der Mutanten! Laßt sie nicht ins Land! Treibt sie über die Grenzen! Erschlagt den Dom, wo immer ihr ihn findet!«
Das Publikum brach in langen und lautstarken Beifall aus. Feric sah, daß jedes Augenpaar in der Gaststube auf ihn gerichtet war; Linien psychischer Energie schienen das Zentrum seines Wesens mit dem Herzen eines jeden Anwesenden zu verbinden. Es war, als nährte der kollektive Wille der Zuhörer seine eigene Willenskraft, die ihre Energie verzehnfacht zurückstrahlte, in einer sich weitenden Spirale psychischer Kraft, die sein Wesen durchflutete und erweiterte, einer massiven rassischen Gewalt, die er lenken konnte, wohin er wollte. Eine plötzliche Inspiration schoß ihm durch den Kopf: er konnte dieser Energie ein konkretes Ventil geben, ein Ziel.
»Und ein Dom läßt sich finden, nicht weit von diesem Lokal!« fuhr Feric fort, als die Zurufe aufgehört hatten. »Ja, es gibt einen Dominator in eurer Mitte, und am gefährlichsten Ort, den man sich denken kann! Die Kreatur ist in diesem Augenblick in Reichweite unserer Fäuste!«
Eine Stille senkte sich über den Raum, bis Bogel das Wort ergriff: »Männer wie Sie sind es, die die Partei braucht, Rechtmann! Sagen Sie uns, wo steckt dieser Dominator? Ich bin überzeugt, daß kein einziger hier unter uns ist, der nicht bereit wäre, ihn in Stücke zu zerreißen!«
Feric war erfreut, daß Bogel den Geist des Augenblicks erfaßt hatte. Seine Sache war verdienstvoll, es war die Sache der wahren Menschheit; seine Bemühungen verdienten Unterstützung.
»So unglaublich es scheinen mag, ein Dominator hat sich in das Herz der Zollfestung an der Ulmbrücke eingeschlichen und ist mit dem Schutz unserer genetischen Reinheit betraut«, sagte Feric. »Er hält die gesamte Garnison in einem Dominanzmuster!«
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