Waffing hielt inne, um sich mit einem mächtigen Schluck Bier zu stärken und vielleicht auch, um die dramatische Wirkung zu verstärken. »Das Beste aber habe ich bis zuletzt aufgespart, mein Führer«, sagte er mit triumphierendem Lächeln. »Unsere Raketenbauer haben Geschosse entwickelt, die eine Nutzlast von drei Tonnen über eine Entfernung von sechstausend Kilometern auf den Feind werfen können. Ganz Zind liegt jetzt innerhalb unserer Reichweite.«
»Gut gemacht, Waffing!« rief Feric aus.
Wieder hob Waffing den Bierkrug an die Lippen, diesmal offensichtlich zur dramatischen Betonung, denn als er ihn vor sich niedersetzte, zeigte er ein breites und listig-selbstzufriedenes Lächeln.
»Und das ist erst die Hälfte, mein Führer!« sagte er. »Eine unserer Forschungsgruppen hat Techniken zur Gewinnung der legendären Bestandteile des Feuers der Alten entdeckt: angereichertes Uran, Plutonium und Schweres Wasser. Geben Sie uns noch einige Monate Zeit, und wir werden imstande sein, ganz Zind mit der fürchterlichsten Waffe der Alten vom Angesicht der Erde zu brennen — mit nuklearen Raketen!«
Es schien Feric, daß er in der vollkommenen Stille, die darauf folgte, das Rieseln von Staubteilchen durch die Luft hören könne.
Nukleare Waffen! Das Feuer der Alten, das die Erde verwüstet, die radioaktiven Wildnisse geschaffen, das Genreservoir verseucht und die Dominator-Mutation hervorgerufen hatte! Das Feuer war unmittelbar verantwortlich für die Verhältnisse, die zum Besseren zu wenden die heilige Pflicht aller wahren Menschen war. Welch ein Wahnsinn, an die neuerliche Entfesselung dieser Kräfte zu denken! Ein fehlgeschlagenes Experiment, und die Reinigung des Genreservoirs könnte um Generationen zurückgeworfen werden. Was die Führung eines nuklearen Krieges betraf, so waren die Aussichten unausdenkbar! Wie konnte man die Erde mit demselben Feuer reinigen, das sie zuvor verseucht hatte?
Best und Bogel waren entgeistert, wie es sich für vernünftige Menschen geziemte, aber Remler hatte einen grimmigen, unergründlichen Ausdruck im Gesicht.
Endlich brach Feric die schreckliche Stille. »Waffing, ich verbiete ausdrücklich jede Forschung in dieser Richtung. Ein weiteres Mal dieses Feuer über die Welt zu bringen, ist undenkbar.«
Waffing öffnete den Mund zu einer Entgegnung, doch kam Remler ihm zuvor: »Für uns, mein Führer, aber nicht für die Doms.«
»Ich finde es schwierig zu glauben, daß irgend jemand — selbst Dominatoren — sich zu einer so abgrundtiefen Schlechtigkeit hergeben könnte«, stieß Feric hervor.
»Es ist allgemein bekannt, daß die Doms die Keimzellen ihrer Sklaven radioaktiver Strahlung aussetzen, um neue und immer scheußlichere Perversionen des menschlichen Genotyps zu züchten«, erklärte Remler.
Der Einwand war gut gewählt. Feric hatte wenig Hoffnung, daß Ungeheuer, die solcher schändlicher Obszönität fähig waren, von moralischen Skrupeln zurückgehalten würden, wenn es um den Einsatz nuklearer Waffen ginge. »Darin haben Sie natürlich recht«, sagte er leise. »Aber die eigentliche Frage ist wohl akademisch. Das technologische Niveau von Zind ist, gemessen an unserem Standard, primitiv. Diese Leute mögen radioaktives Material besitzen, aber sie sind außerstande, Nuklearwaffen zu konstruieren.«
»Vielleicht«, sagte Ramler unbehaglich. »Aber auf der anderen Seite gibt es einige recht beunruhigende Berichte aus Zind. Wir wissen, daß die Doms eine Sklavenexpedition ausgerüstet und tiefer in die östlichen Wildnisse haben vordringen lassen, als das je zuvor geschehen ist; diese Wildnisse sind derart verseucht, daß die eingesetzten Sklaven innerhalb weniger Monate qualvoll zugrunde gehen werden. Es muß dort etwas geben, was von großer Bedeutung für die Doms ist, daß sie soviel Protoplasma dafür aufwenden. Und es ist allgemein bekannt, daß in den Tagen der Alten viele Nuklearwaffen der gefährlichsten Art in Bunkern gelagert wurden, die über weite Gebiete verstreut waren.«
»Sicherlich werden die Nuklearwaffen der Alten auch heute nicht mehr einsatzfähig sein, selbst wenn die Dominatoren welche entdecken sollten«, sagte Feric.
»Ganz recht, mein Führer«, erwiderte Remler. »Vielleicht ist dies nur ein Verzweiflungsakt der Doms, denn sie müssen wissen, daß der Tag ihres Untergangs nahe bevorsteht.«
»Aber auf der anderen Seite«, sagte Waffing, »informieren meine Wissenschaftler mich, daß die spaltbaren Materialien der Nuklearwaffen eine Haltbarkeit von Jahrtausenden besitzen, und daß die Herstellung dieser geheimnisvollen Substanzen der schwierigste Aspekt des Baus nuklearer Waffen ist. Selbst die Dummköpfe von Zind könnten möglicherweise Nuklearwaffen der Alten erneuern, sollten solche entdeckt werden.«
Feric schwand der Mut, denn Waffings Logik war unwiderleglich. Wenn Zind die Waffen der Alten entdeckte, konnte es das Feuer wieder über die Welt bringen; und wenn die Doms das Feuer in die Hände bekämen, würden sie es gebrauchen. Dennoch bewahrte er seine absolute moralische Entschlossenheit, daß Heldon niemals die endgültige und irreparable Verseuchung des Genreservoirs durch ein Spiel mit dem Feuer riskieren dürfe. Es mußte einen Ausweg geben! Und ein plötzlicher Einfall kam ihm zu Hilfe.
»Nehmen wir das Schlimmste an, Waffing«, sagte er. »Wieviel Zeit würde Zind in einem solchen Fall nach vorsichtiger Schätzung benötigen, um ein Arsenal brauchbarer Nuklearwaffen aufzubauen?«
Waffing schob seinen Bierkrug eine Weile auf dem Tisch hin und her, während er nachdachte. »Wer weiß?« meinte er schließlich. »Sie müssen die Waffen der Alten finden, ihre Prinzipien ergründen und anschließend die technischen Vorrichtungen wie Zünder erneuern. Wenn wir Pech haben und sie Glück, könnten sie innerhalb von sechs Monaten im Besitz solcher funktionsfähiger Waffen sein.«
»Aber nicht innerhalb von zwei Wochen?«
»Das ist völlig unvorstellbar!«
Feric sprang auf und zog den Großen Knüppel von Held.
»Sehr gut!« erklärte er. »Es ist entschieden! Bereit oder nicht, wir werden in den nächsten zehn Tagen mit allen unseren Kräften gegen Zind losschlagen und diesen Unrat vom Erdboden vertilgen, bevor die Frage des Feuers Aktualität erlangen kann!«
Augenblicklich waren auch Best, Bogel, Remler und selbst der beleibte Waffing auf den Beinen, die Bierkrüge in den Händen und Feuer in den Augen.
»Tod den Dominatoren!« rief Best.
»Auf den Endsieg!«
»Es lebe Heldon!« rief Bogel.
»Auf unseren glorreichen Führer Feric Jaggar!« brüllte Waffing, den Bierkrug in die Höhe hebend. Die anderen Großkommandeure stießen mit ihm an; alle riefen »Heil Jaggar!« und schütteten das Bier in sich hinein.
Feric aber fühlte sich von einer wilden Freude überkommen, die alle Zweifel hinwegspülte; nichts war so geeignet, einen Menschen oder ein Volk über sich selbst hinauswachsen zu lassen, wie ein Kampf um Leben und Tod. Er hob seinen Bierkrug und brachte einen weiteren Toast aus: »Auf die Kraft der Evolution! Auf Blut und Eisen und den totalen Sieg des Tüchtigsten!«
Angeführt von Waffing, brachen die Großkommandeure in spontane Hochrufe aus und zerschmetterten ihre Bierkrüge an der Wand.
Für Feric gab es nicht den geringsten Zweifel, daß der blitzartige Zugriff auf die großen Ölfelder im Südosten von Zind der Schlüssel zum Sieg war. Solange diese reichen Ölfelder in den Händen des Gegners blieben, würde die mächtige, hochmechanisierte Armee von Heldon innerhalb eines Monats uneingeschränkter Kriegführung aus Kraftstoffmangel liegenbleiben, während die frühzeitige Eroberung der Ölfelder Heldon befähigen würde, die Streitkräfte von Zind mit massivem Einsatz von Panzern und Flugzeugen zu zermalmen.
Unglücklicherweise mußte diese Situation den Doms ebenso offensichtlich sein wie jedem anderen. Daher blieb Feric kein anderer Weg offen als die Vortäuschung eines mit aller Kraft geführten Vorstoßes durch das nördliche Zind gegen die Hauptstadt Bora; wenn die Dominatoren überzeugt waren, daß die heldonische Strategie auf raschem Kriegsentscheid durch Überrollen des nördlichen Kernlandes von Zind und Einnahme der Hauptstadt beruhte, würden sie geneigt sein, die Hauptmasse ihrer Streitkräfte in einem Versuch, Bora zu schützen, im Norden zu binden. Eine zweite Heeresgruppe aus schnellen Panzerund motorisierten Infanterieverbänden, unterstützt von den ersten Geschwadern der neuen Düsenmaschinen, könnte dann aus Neu-Ulmland nach Südosten vorstoßen und die Ölfelder erobern, ehe Zind eine wirksame Reaktion möglich sein würde.
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