Dennoch, dergleichen mußte geschehen sein. So etwas war einfach Pech, fand Barlennan, wozu sich die Tatsache gesellte, daß der einzige Mensch des Universums, der Kabremm mit ziemlicher Sicherheit zu identifizieren in der Lage war, ausgerechnet in dem Moment zur Stelle hatte sein müssen, als Kabremm sich blicken ließ.
Nun wußten die Menschen also, daß die Besatzung der Esket nicht ausgelöscht war. Für einen solchen Fall war nicht vorgesorgt worden; keine abgesprochene Ausrede existierte, deren Kabremm mit Barlennans Kenntnis sich hätte bedienen können. Vielleicht griff Dondragmer ein; er konnte sich in dieser Beziehung völlig auf ihn verlassen, gleichwohl wie der Captain über die ganze Angelegenheit dachte, aber was würde er tun? Die Schwierigkeit lag darin, daß Barlennan nicht zu erfahren imstande war, wie Dondragmer sich zu Kabremms Erscheinen äußerte, und deshalb nicht wußte, was er selber, wenn die zweifellos zu erwartenden Fragen der Menschen kamen, ihnen sagen sollte. Wahrscheinlich war es die sicherste Taktik, sich absolut unwissend zu stellen und freundlich einen detaillierten Bericht Dondragmers anfordern zu lassen. Jedenfalls würde der Captain Kabremm, den anscheinend die ganze Schuld an dieser Entwicklung traf, daran hindern, noch mehr verräterische Tollheiten zu begehen.
Für Barlennans Gemütszustand war es ein Glück, daß er nicht wußte, wo Kabremm aufgetaucht war.
Easy hatte ihm gegenüber einige Sekunden vor dem Zwischenfall erwähnt, daß Benj gerade eine Schilderung von Ereignissen gebe, die auf einem Bildschirm zu sehen seien, der zu einem Kommunikator der Kwembly gehöre; andernfalls hätte der Commander angenommen, Kabremm wäre vor die Linse eines Kommunikators der Esket gelaufen. So nahm er an, der Zwischenfall habe sich in oder bei der Kwembly zugetragen, nicht aber fünf Meilen von ihr entfernt. Die fünf Meilen waren so nachteilig, wie fünftausend es gewesen wären, da jede Verständigung zwischen den Fahrzeugen und der Basis ausschließlich über den Satelliten der Menschen erfolgte, und Dondragmer war wie Barlennan außerstande, böse Folgen abzuwenden.
Es gelang dem Captain dennoch, wenn auch ganz unbeabsichtigt. Er hatte Easys Ausruf ebenfalls vernommen, ihn aber als kaum mehr denn eine Ablenkung empfunden, da seine Überlegungen sich vollständig mit der Schilderung von Benj beschäftigten. In der Tat hatte ein gewisser Aspekt ihn in solchem Maße beunruhigt, daß er sich zu etwas verleiten ließ, das zu vermeiden ihn die bisherigen Erfahrungen mit der Kommunikation gelehrt hatten. Während Benj noch sprach, richtete er eine dringende Anfrage an den Satelliten.
„Bitte, bevor du etwas anderes unternimmst, berichte mir Näheres über diese Flüssigkeit, die durch das Flußbett rinnt! Sollte das als Ankündigung einer neuen Flut zu werten sein, gib Stak bitte folgendes durch: Er möge mit zweien seiner Matrosen und dem Kommunikator weiter stromaufwärts marschieren und ständig über die Natur des Rinnsals berichten, vor allem, ob es anschwillt. Die drei anderen sollen dem Rinnsal folgen und feststellen, wie nahe es bereits der Kivembly gekommen ist. Sobald sie sich dieser Dinge vergewissert haben, sollen sie die entsprechenden Informationen durchgehen, damit du sie an mich weiterleiten kannst. Wir müssen, falls wirklich eine zweite Flutwelle bevorsteht, unverzüglich das Fahrzeug und das Tal verlassen.
Bitte bestätige und übermittle Stakendee diese Befehle sofort!“
Die Durchsage erreichte den Satelliten, als Easy soeben der Ausruf entfahren war. Mersereau und Aucoin waren noch abwesend, und Benj zögerte nicht, Dondragmers Anweisungen umgehend weiterzugeben. Easy dachte eine oder zwei Sekunden lang nach, beschloß dann, das Problem Kabremm aufzuschieben, und informierte Barlennan von Dondragmers Befürchtungen. Wenn Don die Situation als Notfall betrachtete, konnte man schlecht etwas dagegen einwenden; er mußte es am besten beurteilen können. Dennoch wandte sie ihren Blick nicht von jenem Bildschirm, auf dem noch immer Kabremm zu sehen war; sein Auftauchen bedurfte immerhin einer Erklärung.
Nach der Wiederholung von Dondragmers Befehlen fügte sie einen eigenen Bericht hinzu, der dem Commander einige Sachverhalte verdeutlichte.
„Bari, ich weiß nicht, in welchem Umfang du über den Lauf der Ereignisse informiert bist. Don hat einen Suchtrupp ausgeschickt und ihm einen Kommunikator mitgegeben; er sollte nach Kervenser und Reffel Ausschau halten, aber bis jetzt hat er nur dieses Rinnsal entdeckt, das Don so große Sorgen bereitet, und ist bei dieser Gelegenheit Kabremm begegnet. Ich habe keine Ahnung, wie er an diesen mehrere tausend Meilen von der Esket entfernten Ort kommt, aber ich denke, er wird es berichten, und wir setzen dich sofort davon in Kenntnis. Die Neuigkeit wird ebenso erfreulich wie aufschlußreich sein; es muß für Meskliniten eine Mö glichkeit geben, zumindest in einigen Gebieten dieses Planeten ohne menschliche Hilfsmittel zu überleben.“
Barlennans Antwort umfaßte lediglich die übliche Bestätigung und einige knappe Dankesworte. Easys Schlußsatz hatte in seinem Hirn neue Spekulationen ausgelöst.
Benj hatte der Durchsage seiner Mutter kaum Beachtung geschenkt, da er selbst ein Gespräch führte. Er richtete Dondragmers Anweisungen dem Suchtrupp aus, der sich befehlsgemäß aufteilte; dann berichtete er dem Captain, daß die Aufträge erledigt würden, jedoch vermochte er sich wieder einmal eines Kommentars nicht zu enthalten.
„Captain, mir ist klar, daß die Auslagerung der Versorgungsanlagen mit einer Menge Arbeit verbunden sein wird, aber sicherlich kannst du genug Leute abkommandieren, um die Arbeiten am Erhitzer fortsetzen zu lassen. Du wirst das Fahrzeug doch nicht vorschnell aufgeben, oder?
Beetch und sein Freund stecken noch darunter; du kannst sie nicht einfach vergessen.“
Dondragmer besaß mittlerweile ein grundsätzliches Bild von Benjs Persönlichkeit, obschon manche Details sich seinem Begriffsvermögen schlichtweg entzogen. Er antwortete so taktvoll, wie er es vermochte.
„Selbstverständlich gebe ich die Kwembly nicht auf, solange eine angemessene Chance besteht, das Fahrzeug zu erhalten, aber das Vorhandensein von Flüssigkeit in nur wenigen Meilen Entfernung drängt mir den Schluß auf, daß die Gefahr einer neuen Flut nunmehr sehr groß ist. Die Metallstange, die wir von der Hülle getrennt haben, wird in wenigen Minuten abgesenkt. Sodann werden sich nur noch Borndender und ein Helfer mit diesem Erhitzer beschäftigen. Die gesamte andere Besatzung, außer Stakendees Gruppe, versteht sich, wird sofort mit der Auslagerung der Pflanzen, Tanks und Leuchtkörper beginnen und sie ans Ufer schaffen. Ich möchte meine Steuerleute nicht im Stich lassen, aber wenn ich die sichere Information erhalte, daß erneut Hochwasser auf uns zukommt, müssen wir schnellstens einen höher gelegenen Platz aufsuchen, ob noch jemand verschwunden ist oder nicht. Ich vermute, daß dir diese Vorstellung mißfällt, aber gewiß begreifst du, daß ich keine Wahl habe.“ Dabei beließ er es, ohne sich dafür zu interessieren, ob Benj darauf antworten wollte; es gab zu viel anderes zu berücksichtigen.
Er sah zu, als man das schwere Metallgestä nge, das als Erhitzer verwendet werden sollte, auf die Steuerbordseite der Kwembly schob. Man hatte Seile daran befestigt, die durch die Klammereisen der Hülle verliefen und von auf dem Eis befindlichen Matrosen gehalten wurden, die langsam, nach Praffens Befehlen, Seillänge um Seillänge nachgaben. Praffen lag auf der Plattform der Helikopterschleuse, beobachtete das Herablassen der Stange und gestikulierte Anweisungen. Das Steuerbordteil der Stange glitt abwärts, und das jenseitige Teil näherte sich dem Meskliniten; es schien, als werde es ihn vom Rumpf drängen, und der Anblick machte Dondragmer ein bißchen nervös, aber Praffen ließ die Stange unter seinem Körper hindurchgleiten, bemüht, genug Beine auf der Plastikhülle zu behalten, dabei stets wenigstens drei Zangenpaare um Klammereisen gelegt. Nach diesem persönlichen Wagnis wies er die Matrosen an, rascher Seil zu geben; es beanspruchte weniger als fünf Minuten, die ganze Stange hinab auf das Eis zu bekommen.
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