»Dafür bin ich hergekommen«, sagte er grinsend. »Und jetzt, Paul, kümmern wir uns um Ihr kleines Problem, dann fliegen wir heim und geben unsere Millionen aus.«
Im tiefen, ruhelosen Schlaf des Ältesten gab es keine Träume, aber Irritationen.
Die Irritationen kamen schneller und schneller, immer drängender. Von dem Zeitpunkt an, als die ersten Gateway-Prospektoren aufgetaucht waren, bis dahin, als er den letzten von ihnen abgeschrieben hatte (wie er glaubte), nur ein Lidschlag – eigentlich nicht mehr als einige Jahre. Und bis die Fremden und der Junge gefangen genommen wurden, kaum ein Herzschlag; und bis er wieder geweckt wurde, um zu hören, dass die Frau entflohen war, gar keine Zeit – überhaupt keine! Sogar kaum Zeit für ihn, Sensoren und Nervenendorgane abzuschalten und sich auszuruhen, und nun gab es immer noch keinen Frieden. Die Kinder waren in Panik und streitsüchtig. Es war nicht ihr Lärm allein, der ihn störte. Lärm konnte den Ältesten nicht wecken, nur physischer Angriff oder direktes Ansprechen. Das Aufreizendste an diesem Tumult war, dass er nicht wirklich an ihn gerichtet zu werden schien, sondern nur zum Teil. Es war eine Debatte – ein Streit; einige angstvolle Stimmen verlangten, dass man ihm sofort etwas mitteile, ein paar noch ängstlichere sprachen sich dagegen aus.
Und das war nicht korrekt. Eine halbe Million Jahre lang hatte der Älteste seinen Kindern Manieren beigebracht. Wenn er gebraucht wurde, musste man ihn ansprechen. Er durfte nicht aus unwichtigen Gründen geweckt werden und ganz gewiss nicht durch Zufall. Vor allem jetzt nicht. Vor allem dann nicht, wenn jedes anstrengende Erwachen sein Gefüge immer stärker strapazierte und der Zeitpunkt absehbar war, an dem er überhaupt nicht mehr aufwachen würde.
Der ärgerliche Tumult hörte nicht auf.
Der Älteste aktivierte seine Außensensoren und betrachtete seine Kinder. Warum waren es so wenige? Warum lag fast die Hälfte von ihnen ausgestreckt am Boden, offenkundig im Schlaf?
Unter Qualen nahm er sein Verständigungssystem in Betrieb und sprach: »Was geht vor?«
Als sie angstvoll zu antworten versuchten und der Älteste verstand, was sie sagten, zuckten und verschwammen die Farbstreifen auf seinem Panzer. Die Frau nicht wieder eingefangen. Die jüngere Frau und der Junge ebenfalls fort. Weitere zwanzig von den Kindern hoffnungslos im Tiefschlaf aufgefunden, und Dutzende von ihnen – unterwegs, um das Gebilde zu durchsuchen – gaben keine Nachricht.
Auf ganz schreckliche Weise war alles aus den Fugen.
Selbst am Ende seines nutzvollen Lebens war der Älteste eine prachtvolle Maschine. Es gab selten gebrauchte Hilfsmittel, Energien, die seit hunderttausenden von Jahren nicht beansprucht worden waren. Er erhob sich auf seinen vieleckigen Rollen, überragte die sich duckenden Kinder und griff hinein in seine tiefsten und am seltensten benutzten Gedächtnisspeicher, um Rat und Wissen zu finden. An seiner Stirnplatte, zwischen den äußeren Sichtrezeptoren, begannen zwei glänzende blaue Vorsprünge zu summen, und auf seinem Panzer glühte eine flache Schale in schwachem violettem Licht. Es war Jahrtausende her, seit der Älteste eines seiner besonders strafstarken Nervenendorgane benutzt hatte, aber als die Informationen aus den großen Gedächtnisspeichern sich zusammenfügten, begann er zu glauben, dass es Zeit wurde, sie wieder zu gebrauchen. Er griff sogar in die gespeicherten Persönlichkeiten, und Henrietta stand ihm offen; er wusste, was sie gesagt und was die neuen Eindringlinge gefragt hatten. Er begriff (im Gegensatz zu Henrietta) die Bedeutung der Handfeuerwaffen, die Robin Broadhead geschwenkt hatte; in den tiefsten aller Gedächtnisspeicher, in jenen, die sogar vor seine Zeit als Fleisch und Blut zurückgingen, gab es eine Lanze, die seine eigenen Vorfahren in Schlaf versetzt hatte, und dies hier war ganz offensichtlich etwas Ähnliches.
Er hatte es mit Schwierigkeiten in einem Ausmaß zu tun, wie er sie nie vorher gekannt hatte, von einer Art, die er nicht mühelos zu beherrschen vermochte. Seine große Masse konnte nicht durch die Korridore des Gebildes gelangen, außer durch die goldenen; die Waffen, die zur Vernichtung bereitstanden, hatten keine Ziele. Die Kinder? Ja, vielleicht. Vielleicht konnten sie die Eindringlinge aufspüren und überwältigen; gewiss lohnte die Bemühung, den wenigen Überlebenden den Befehl zu geben, und er tat es. Aber im rationalen, mechanischen Verstand des Ältesten war die Rechenfähigkeit unbehindert. Er konnte die Aussichten gut einschätzen. Sie versprachen nicht viel.
Die Frage war: Schwebte sein großer Plan in Gefahr?
Die Antwort war ein Ja. Aber zumindest hier gab es etwas, das er tun konnte. Der Kern des Planes war der Ort, wo das Gebilde gesteuert wurde. Es war das Nervenzentrum der gesamten Konstruktion; dort hatte er es gewagt, die letzten Schritte seines Planes zu beginnen.
Bevor er noch ganz damit fertig war, die Entscheidung zu formulieren, führte er sie schon aus. Das Metallungetüm bewegte und drehte sich, dann rollte es hinaus durch die Spindel, in den breiten Tunnel, der zur Steuerung führte. Einmal dort, war er in Sicherheit. Mochten sie kommen, wenn sie wollten! Das Arsenal stand bereit. Die starke Belastung seiner nachlassenden Kräfte zwang ihn, nur langsam und unsicher voranzukommen, aber im Grunde gab es Energie genug.
Er blieb stehen. Vor ihm war eine der Wandausgleichsmaschinen nicht an ihrem Platz. Sie stand mitten im Korridor, und dahinter …
Wenn er nur eine Spur weniger verbraucht gewesen wäre, um den Bruchteil einer Sekunde schneller … Aber er war es nicht. Der Strahl der Grabmaschine überflutete ihn. Er war blind. Er war taub. Er spürte, wie die Ausbuchtungen an seiner Hülle verbrannten, fühlte, wie die riesigen, weichen Zylinder, auf denen er rollte, schmolzen.
Der Älteste wusste nicht, wie man Schmerz empfand. Er wusste nichts von Seelenqual. Er war gescheitert.
Die Wesen aus Fleisch und Blut hatten die Herrschaft an sich gerissen, und seine Pläne waren für immer zunichte gemacht.

Mein Name ist Robin Broadhead, und ich bin das reichste Wesen, das es im ganzen Sonnensystem gibt. Der Einzige, der an mich herankommt, ist der alte Bover, und er käme noch viel näher, wenn er nicht die Hälfte seines Geldes für Slumbeseitigung und Stadterneuerung und einen großen Teil vom Rest für eine genaue Abtastung des transplutonischen Weltraumes ausgegeben hätte, auf der Suche nach dem Schiff mit den Überresten seiner Frau Trish. (Was er mit ihr tun will, wenn er sie findet, weiß ich nicht.) Die überlebenden Herter-Halls stinken ebenfalls vor Geld. Das ist eine gute Sache, vor allem für Wan und Janine, die eine komplizierte Beziehung klären müssen, und das in einer komplizierten, abweisenden Welt. Meine Frau Essie ist bei bester Gesundheit. Ich liebe sie. Wenn ich sterbe, das heißt, wenn nicht einmal mehr medizinischer Vollschutz mich noch zusammenflicken kann, habe ich einen kleinen Plan, wie ich mich mit jemand anderem befasse, den ich liebe, und das befriedigt mich. Fast alles befriedigt mich. Die einzige Ausnahme ist mein wissenschaftlicher Berater Albert, der dauernd versucht, mir Machs Prinzip zu erklären.
Als wir den Hitschi-Himmel in unsere Gewalt brachten, bekamen wir alles. Die Methode, wie man Hitschi-Schiffe steuert. Die Methode, wie man Hitschi-Schiffe baut, einschließlich der Theorie, die ermöglicht, dass sie schneller fliegen als das Licht. Nein, das hat nichts mit »Hyperraum« oder »vierter Dimension« zu tun. Es ist ganz einfach. Beschleunigung vermehrt die Masse, sagt Einstein – der echte, nicht Albert. Aber wenn die Ruhemasse Null ist, spielt es keine Rolle, wie oft man sie multipliziert. Sie bleibt Null. Albert sagt, Masse könne geschaffen werden, und beweist das durch logische Grundprinzipien: Sie existiert, also kann sie geschaffen werden. Deshalb kann sie ebenso eliminiert werden, denn was geschaffen werden kann, kann auch beseitigt werden. Das ist das Hitschi-Geheimnis, und mit Alberts Hilfe, um das Experiment auszuführen, und Mortons Hilfe, die Gateway-Gesellschaft zu veranlassen, dass sie Schiffe zur Verfügung stellt, probierten wir es aus. Es kostete mich keinen Cent; einer der Vorteile großen Reichtums ist der, dass man sein Geld nicht auszugeben braucht. Alles, was man tun muss, ist, andere Leute zu veranlassen, dass sie es ausgeben, und dazu gibt es Anwaltsprogramme.
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