»Aber ich wünsche es mir so!«
»Dann sei ruhig weiter frustriert. Es wird nicht dein letztes Frusterlebnis mit den Menschen bleiben, das garantiere ich dir.« Mit diesen Worten dreht sich Herr Beck um und wandert wieder davon.
Soll er ruhig. Ein großer Trost war er sowieso nicht.
Ich setze mich auf und beschließe, Herrn Becks weise Ratschläge einfach zu ignorieren. Natürlich kann ein Hund Teil einer menschlichen Familie sein. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass eine Katze das auch könnte, sie müsste nur wollen. Das bringt mich aber wieder zu meiner Ausgangsüberlegung: Wie komme ich selbst an eine Familie? Aber vielleicht ist es ja für Jens und Carolin noch nicht zu spät. Immerhin sind sie heute Abend verabredet. Vielleicht kann ich da irgendwie für gute Stimmung sorgen? Immerhin hat Carolin selbst gesagt, dass sie den Tag mit Jens toll fand. Auf alle Fälle muss ich mich irgendwie in diese Verabredung mit reinmogeln, komme, was da wolle! Den restlichen Nachmittag verbringe ich also damit, mich auf die Lauer zu legen. Nicht, dass Carolin noch ohne mich das Haus verlässt.
Tatsächlich macht sie heute etwas früher Schluss als sonst und geht hoch, um sich umzuziehen. Ich hefte mich an ihre Fersen und weiche auch nicht von ihr, als sie noch einmal ins Badezimmer verschwindet.
»He, Herkules! Was ist denn heute los mit dir? Du bist so anhänglich.« Sie scheucht mich vor die Badezimmertür und schließt ab.
Nun gut, wenn sie wieder rauskommt, muss sie an mir vorbei, es sei denn, sie klettert aus dem Fenster.
Tut sie natürlich nicht - nach einer ganzen Weile taucht sie wieder auf und hat jetzt das schwarze, kurze Kleid an, über das wir neulich Abend schon einmal diskutiert haben. Außerdem hat sie ihre Haare auf ihrem Kopf zu einem kleinen Berg aufgetürmt. Ich schöpfe Hoffnung - wenn Carolin so viel Arbeit auf ihr Aussehen verwendet, will sie sich das mit Jens vielleicht doch noch mal überlegen.
Es klingelt, und kurz darauf steht Jens vor unserer Tür. Carolin begrüßt ihn mit einem Küsschen auf die Wange, dann beugt sie sich zu mir herunter.
»So, Herkules, du bleibst heute hier. Also sei schön brav und spring vor allem nicht wieder vom Balkon!«
Nix da! Ich will nicht hierbleiben. Ich laufe herüber zu Jens und mache Männchen. Der lacht amüsiert.
»Scheint so, als wolle uns dein Kumpel unbedingt begleiten. Hat mich wohl seit der Wurstaktion ins Herz geschlossen.«
»Das kommt gar nicht infrage. Der bleibt schön hier.«
Pfui! Wie herzlos von dir! Aber ganz so einfach lasse ich das nicht mit mir machen. Als Carolin die Wohnungstüre öffnet, renne ich einfach los und an ihr vorbei ins Treppenhaus. Unten angekommen, habe ich Glück: Die Wellensittich-Meyer kommt gerade ins Haus, und ich kann an ihr vorbei ins Freie. Dort steht auch schon das Auto ohne Dach und lächelt mich einladend an. Wenn ich nicht so kurze Beine hätte, könnte ich gleich reinspringen, so muss ich noch auf Jens und Carolin warten.
»Sag mal, du ungezogener Hund!« Carolin kommt auf mich zu und schimpft. »Wenn ich sage, du bleibst hier, dann bleibst du auch hier!«
Sie greift nach mir, aber bevor sie mich am Halsband packen kann, laufe ich zu Jens und reibe mich schwanzwedelnd an seinen Beinen. Dazu versuche ich, möglichst freundlich zu bellen. Jens bückt sich und hebt mich hoch.
»Tja, mein Kleiner, ich würde dich ja mitnehmen, aber dein Frauchen ist heute ganz streng. Ich habe fast ein bisschen Angst vor ihr.«
Carolin lacht. »Gegen zwei Männer, die sich einig sind, komme ich wohl nicht an. Dann nimm ihn von mir aus mit.«
»Siehst du, Kumpel, Glück gehabt. Dann wollen wir mal los.«
Er setzt mich in den Fußraum der Beifahrerseite, dann steigen beide ein, und wir fahren los. Hartnäckigkeit lohnt sich eben doch!
Als wir im Restaurant ankommen, frage ich mich, warum Carolin mich nicht mitnehmen wollte. Schließlich handelt es sich um ein Gartenlokal, und schon auf den ersten Blick sehe ich zwei Hunde unter anderen Tischen liegen: einen alten Boxer und eine sehr hübsche Retriever-Dame, die mir huldvoll zunickt, als wir am Nachbartisch Platz nehmen. Ich lege mich so hin, dass ich sie gut sehen kann. Vielleicht sollte ich nicht immer nur an Carolins Herz denken, sondern zur Abwechslung auch mal an mein eigenes. Andererseits muss ich gerade heute natürlich die Öhrchen spitzen, wenn ich mitbekommen will, was Carolin so erzählt. Ich will schließlich eingreifen, wenn sie wieder mit ihrem Ich-muss-mich-selbst-finden-Murks anfängt.
Noch kreist das Gespräch aber unverdächtig um die Auswahl der Speisen und Getränke. Carolin bestellt sich ein Wasser, Jens lacht.
»Ich dachte eigentlich, wir bestellen zur Feier des schönen Abends etwas, das ein bisschen prickelt. Und damit meine ich nicht die Kohlensäure in deinem Mineralwasser.«
»Du wirst es nicht glauben, aber ich habe heute Morgen schon zwei Glas Sekt mit Nina getrunken. Quasi ein Versöhnungsritual, wir hatten nämlich ein bisschen Stress. Deswegen bleibe ich erst mal bei nichtalkoholischen Getränken.«
»Wie du meinst. Ich will dich zu nichts überreden. Warum hattet ihr denn Streit?«
»Ach, eine blöde Geschichte. Ich hatte mich mehr oder weniger aus Versehen mit jemandem verabredet, den sie sehr mag. Das fand sie blöd.«
»Mehr oder weniger aus Versehen? Das klingt ja interessant. Wie macht man das denn?«
»Na, es war nicht wirklich als Date geplant. Sondern eher ... ach, ich weiß auch nicht. Jedenfalls war Nina sauer.«
»So, so, ein ungeplantes Date. Mir war gleich klar, dass du eine begehrte Frau bist.«
Er lacht und greift nach Carolins Hand. Sie zögert, aber bevor sie die Hand richtig offensichtlich wegziehen kann, springe ich auf und fange einfach mal an zu bellen. Carolin beugt sich zu mir.
»Pst, Herkules, was hast du denn?«
»Vielleicht ein anderer Hund?«
»Hm, eigentlich ist Herkules kein Kläffer. Hat ihn bestimmt irgendetwas erschreckt.«
Ja, klar hat mich etwas erschreckt. Nämlich die Aussicht, dass Carolin hier gleich den nächsten Mann vergrault. Immerhin habe ich diese Situation zwar brachial, aber wirkungsvoll umschifft. Hoffe nur, dass das nicht den ganzen Abend so weitergeht.
Es geht den ganzen Abend so weiter. Immer, wenn ich das Gefühl habe, Carolin steuert das falsche Thema an, werde ich unruhig. Und das ist so alle zehn Minuten der Fall. Carolin ist schon schwer genervt.
»Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?«, zischt sie mich an. »Ich wollte ja, dass du zu Hause bleibst, und das wäre auch besser gewesen. Du bist unglaublich ungezogen! Wenn du so weitermachst, sperren wir dich gleich ins Auto ein.«
Okay, das wäre schlecht. Vielleicht muss ich mal ein bisschen vom Gas gehen. Ich lege mich wieder ganz brav unter Carolins Stuhl. Die Retriever-Hündin am Nachbartisch mustert mich interessiert.
»Sag mal, Kleiner, hast du eine Blasenschwäche?«
»Nö, ich? Weso?«
»Weil du die ganze Zeit so rumhampelst.«
Wie peinlich. Diese schöne Frau denkt, ich sei inkontinent. Das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen.
»Also, ich bin so unruhig, weil ich mein Frauchen gerade vor einem großen Fehler bewahren will.«
»Wie, vor dem Typen da? Der sieht doch gar nicht so schlimm aus. Hat eine nette Stimme.«
»Das finde ich auch. Wir haben aber das umgekehrte Problem. Ich fürchte, sie will ihn loswerden.«
»Aha. Na, sie wird ihre Gründe haben.«
»Finde ich nicht. Sie mag ihn, aber sie will erst sich selbst finden. Das ist völlig gaga, oder?«
»Kleiner, darf ich dir einen Rat geben?«
»Gerne.«
Von einer attraktiven Frau verspreche ich mir gerade in dieser Angelegenheit einen guten Tipp. Wahrscheinlich war sie schon einmal in der gleichen Situation wie Carolin.
»Halt dich aus den Menschensachen raus. Das gibt nur Ärger. Und sieht auch ziemlich albern aus, die Show, die du gerade abziehst.«
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