»Gar nichts. Ich - ich kann mich jetzt nicht darüber auslassen, aber - ich bin davon überzeugt, dass alles gut geht.«
»Dana, du darfst nicht zulassen, dass dir etwas zustößt! Ich brauche dich. Ich liebe dich mehr als jeden anderen Menschen, den ich jemals kennen gelernt habe. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.«
Rachel hörte noch einen Moment lang zu, dann ging sie leise wieder in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür.
Dana und Jeff redeten noch ein paar Minuten miteinander. Als Dana die Verbindung unterbrach, ging es ihr besser. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit hatte, mich zu verabschieden. Sie blickte auf und sah, dass sie der Mann noch immer anstarrte. So schnell können Jack Stones Männer unmöglich hierher gelangt sein. Ich muss weg. Wieder packte sie die helle Panik.
Danas Nachbar klopfte an ihre Wohnungstür. Mrs. Daley machte auf.
»Hallo.«
»Lassen Sie Kemal nicht raus. Wir brauchen ihn noch.«
»Ich kümmere mich drum.« Mrs. Daley schloss die Tür und rief Kemal. »Deine Haferflocken sind gleich fertig, mein Süßer.«
Mrs. Daley ging in die Küche, nahm die Haferflocken vom Herd und zog die unterste Schublade des Schranks auf, die voller Arzneimittelpackungen mit der Aufschrift BuSpar war. Am Boden der Schublade lagen zig leere Schachteln. Mrs. Daley riss zwei neue Packungen auf, zögerte und nahm dann eine weitere. Sie mischte das Pulver unter die Haferflocken, gab Zucker hinzu und trug die Schüssel ins Esszimmer. Kemal kam gerade aus dem Arbeitszimmer.
»Da bist du ja, mein Guter. Es gibt leckeren heißen Haferbrei.«
»Ich hab keinen Hunger.«
»Du musst was essen, Kemal.« Sie schlug einen scharfen Tonfall an, bei dem ihm angst und bange wurde. »Wir wollen doch Miss Dana nicht enttäuschen, nicht wahr?«
»Nein.«
»Gut. Ich wette, dass du für Miss Dana die ganze Schüssel wegputzen kannst.«
Kemal setzte sich hin und fing an zu essen.
Er müsste mindestens sechs Stunden schlafen, schätzte Mrs. Daley. Bis dahin erfahre ich ja, was ich mit ihm anstellen soll.
Dana rannte durch das Flughafengebäude, bis sie an einem großen Bekleidungsgeschäft vorbeikam.
Ich muss mein Äußeres verändern. Sie ging hinein und blickte sich um. Alles wirkte ganz normal. Etliche Kunden suchten sich, von Verkäuferinnen betreut, allerhand Sachen aus. Und dann blickte Dana zur Ladentür und spürte wieder das altbekannte Kribbeln. Zwei bedrohlich aussehende Männer standen dort zu beiden Seiten des Eingangs. Einer von ihnen hatte ein Walkie-Talkie in der Hand.
Wie haben sie mich hier in Chicago gefunden? Dana versuchte die Angst zu unterdrücken. Sie wandte sich an die Verkäuferin. »Gibt es hier noch einen anderen Ausgang?«
Die Verkäuferin schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Miss. Der ist nur für das Personal.«
Dana hatte einen trockenen Hals. Wieder blickte sie zu den Männern. Ich muss ihnen entkommen, dachte sie verzweifelt. Es muss doch eine Möglichkeit geben.
Kurz entschlossen schnappte sie sich ein Kleid vom Ständer und ging auf den Ausgang zu.
»Einen Moment mal!«, rief die Verkäuferin. »Sie können doch nicht -«
Dana war schon fast an der Tür, die beiden Männer kamen bereits auf sie zu. Doch als sie über die Schwelle trat, löste die elektronische Diebstahlsicherung an dem Kleid Alarm aus. Ein Wachmann kam aus dem Laden gestürmt. Die beiden Männer blickten einander an und wichen zurück.
»Einen Moment, Miss«, sagte der Wachmann. »Kommen Sie bitte mit in das Geschäft zurück.«
»Wieso sollte ich?«, wandte Dana ein.
»Wieso? Weil Ladendieb stahl strafbar ist.« Der Wachmann ergriff Dana am Arm und zog sie hinein. Missmutig blieben die beiden Männer draußen stehen.
Dana lächelte den Wachmann an. »Na gut. Ich gebe es zu. Ich wollte es stehlen. Rufen Sie die Polizei.«
Immer mehr Passanten blieben stehen und wollten sehen, was da los war. Der Geschäftsführer kam eilends herbei. »Was ist hier los?«
»Ich habe diese Frau dabei erwischt, wie sie das Kleid stehlen wollte.«
»Nun ja, ich fürchte, wir müssen die Pol-« Er drehte sich um und erkannte Dana. »Mein Gott! Das ist ja Dana Evans.«
Das löste allgemeines Getuschel unter den Schaulustigen aus, deren Schar immer größer wurde.
»Es ist Dana Evans ...«
»Wir schauen uns jeden Abend die Nachrichtensendung mit ihr an .«
»Erinnerst du dich an ihre Berichte aus dem Kriegsgebiet
...?«
»Tut mir Leid, Miss Evans«, sagte der Geschäftsführer. »Hier liegt offensichtlich ein Versehen vor.«
»Nein, nein«, erwiderte Dana rasch. »Ich wollte es stehlen.« Sie streckte die Hände aus. »Sie können mich ruhig festhalten.«
Der Geschäftsmann lächelte. »Ich denke nicht im Traum daran. Sie dürfen das Kleid behalten, Miss Evans. Mit unseren besten Empfehlungen. Wir fühlen uns sehr geschmeichelt, dass es Ihnen gefällt.«
Dana starrte ihn ungläubig an. »Sie wollen mich nicht festnehmen lassen?«
Sein Lächeln wurde breiter. »Ich will Ihnen was sagen. Ich überlasse Ihnen das Kleid im Tausch gegen ein Autogramm. Wir sind große Fans von Ihnen.«
»Ich auch!«, rief eine der Frauen aus dem Menschenauf-lauf.
»Krieg ich auch ein Autogramm?«
Weitere Schaulustige drängten sich vor.
»Schau mal! Da ist Dana Evans.«
»Kann ich ein Autogramm von Ihnen bekommen, Miss Evans?«
»Mein Mann und ich haben jeden Abend vor dem Fernseher gesessen, als Sie in Sarajevo waren.«
»Durch Sie ist der Krieg wirklich real geworden.«
»Ich möchte auch ein Autogramm.«
Dana stand da und wurde zusehends verzweifelter. Sie warf einen Blick nach draußen. Die beiden Männer warteten immer noch. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie wandte sich an die Menschenmenge und lächelte. »Ich will Ihnen mal was sagen. Gehen wir hinaus an die frische Luft, und unterdessen gebe ich jedem von Ihnen ein Autogramm.«
Aufgeregte Schreie ertönten.
Dana reichte dem Geschäftsführer das Kleid. »Sie dürfen es behalten. Vielen Dank.« Sie ging auf die Tür zu, umlagert von ihren Fans. Die beiden Männer draußen zogen sich verdutzt zurück, als die Menschenmenge auf sie zustürmte.
Dana wandte sich an ihre Fans. »Wer ist zuerst dran?« Sie drängten sich um sie, hielten ihr Stifte und Papier hin.
Verlegen standen die beiden Männer da und sahen zu, wie Dana ein Autogramm nach dem anderen schrieb, während sie sich zum Ausgang des Flughafengebäudes begab. Die Menschenmenge folgte ihr nach draußen. Ein Taxi fuhr vor und setzte einen Fahrgast ab.
Dana wandte sich an ihre Verehrer. »Vielen Dank. Ich muss jetzt los.« Sie sprang in das Taxi und war kurz darauf im Verkehr untergetaucht.
Jack Stone telefonierte mit Roger Hudson. »Mr. Hudson, sie ist uns entkommen, aber -«
»Gottverdammt! Kommen Sie mir nicht mit so was. Ich möchte, dass sie aus dem Verkehr gezogen wird - sofort.«
»Keine Sorge, Sir. Wir haben die Zulassungsnummer des Taxis. Sie wird nicht weit kommen.«
»Dass Sie mir nicht noch mal versagen.« Roger Hudson knallte den Hörer auf.
Bei Carson Pirie Scott & Company, einem großen Bekleidungshaus im Herzen des Chicagoer Loop, herrschte Hochbetrieb. In der Schalabteilung legte eine Verkäuferin gerade letzte Hand an das Paket, das sie für Dana gepackt hatte.
»Möchten Sie bar oder per Karte bezahlen?«
»Bar.« Keine unnötigen Spuren hinterlassen.
Dana nahm das Paket entgegen und war schon fast am Ausgang, als sie starr vor Angst stehen blieb. Zwei Männer mit Walkie-Talkies warteten draußen vor der Tür. Dana musterte sie, stellte mit einem Mal fest, wie trocken ihr Mund war. Sie wandte sich um und kehrte eilends zur Kasse zurück.
Читать дальше