Dana schaute in die Kamera. »Guten Abend. Ich bin Dana Evans.«
Richard Melton lächelte. »Und ich bin Richard Melton.«
Dana las vom Teleprompter ab. »Zunächst unser heutiges Hauptthema. Nach einer Verfolgungsjagd stellte die Polizei heute zwei Männer, die ein Spirituosengeschäft in der Innenstadt überfallen wollten.«
»Band ab.«
Auf dem Monitor war die Kabine eines Hubschraubers von innen zu sehen. Norman Bronson, ein ehemaliger Pilot der Marineinfanterie, steuerte den WTN-Helikopter. Neben ihm saß Alyce Barker. Dann schwenkte die Kamera nach unten, zum Boden, wo drei Polizeiwagen um eine Limousine herumstanden, die einen Baum gerammt hatte.
»Zu der Verfolgungsjagd kam es, nachdem zwei Männer den Haley Liquor Store an der Pennsylvania Avenue betreten und die Tageseinnahmen verlangt hatten. Der Verkäufer weigerte sich, drückte den Alarmknopf und verständigte dadurch die Polizei. Die Räuber ergriffen die Flucht, worauf die Polizei die Verfolgung aufnahm, bis die Verdächtigen nach rund sechs Kilometern mit ihrem Wagen gegen einen Baum stießen.«
Die wilde Jagd war vom neuen Hubschrauber des Senders aus aufgenommen worden. Wirklich toll, dass Matt Elliot dazu gebracht hat, einen neuen Helikopter zu kaufen, dachte Dana. Damit stehen uns ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung.
Danach kamen drei weitere Beiträge, ehe ihnen die Regisseurin das Zeichen gab, dass eine Werbepause anstand. »Wir sind gleich wieder für Sie da«, sagte Dana.
Der erste Werbespot kam.
Richard Melton wandte sich an Dana. »Hast du mal rausgeschaut? Da draußen ist der Deibel los.«
»Ich weiß.« Dana lachte. »Unser armer Wetterfrosch kriegt bestimmt wieder jede Menge böser Briefe.«
Das rote Licht an der Kamera ging wieder an. Der Teleprompter war einen Moment lang dunkel, dann liefen die ersten Zeilen über den Bildschirm. Dana las sie vor. »Ich möchte, dass wir an Silvester -« Sie stockte verdutzt, las dann den weiteren Text, der da lautete: ...heiraten. Dann haben wir jedes neue Jahr einen Grund mehr zum feiern.
Grinsend stand Jeff neben dem Teleprompter.
Dana blickte betreten in die Kamera. »Wir -«, sagte sie stockend, »wir machen jetzt eine weitere kurze Werbepause.« Das rote Licht ging aus.
Dana stand auf. »Jeff!«
Sie gingen aufeinander zu und schlossen sich in die Arme. »Was sagst du dazu?«, fragte er.
Sie hielt ihn eng umschlungen. »Ich sage Ja«, flüsterte sie.
Rundum ertönten die Hochrufe der Mitarbeiter.
»Wie möchtest du’s denn gern, Liebling?«, fragte Jeff, als sie nach der Sendung endlich allein waren. »Eine große Hochzeit, eine kleine Hochzeit oder irgendwas dazwischen?«
Schon von klein auf hatte sich Dana überlegt, wie sie eines Tages heiraten wollte. Stets hatte sie sich vorgestellt, dass sie in einem prachtvollen Kleid aus weißer Spitze mit einer endlos langen Schleppe vor den Traualtar trat. Im Kino hatte sie gesehen, wie hektisch und aufgeregt es zuging, wenn man eine Hochzeit vorbereiten musste ... die Gästeliste zusammenstellen ... für das Bankett sorgen ... die Brautjungfern aussuchen . die richtige Kirche wählen . All ihre Freundinnen und Freunde sollten dabei sein, ihre Mutter. Es sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Und jetzt war es soweit.
»Dana ...?«, sagte Jeff. Er wartete auf ihre Antwort.
Wenn ich eine große Hochzeit mit allem Drum und Dran feiere, dachte Dana, muss ich meine Mutter und ihren Mann einladen. Aber das kann ich Kemal nicht antun.
»Lass uns irgendwo hinfahren«, sagte Dana.
Jeff nickte verdutzt. »Von mir aus, wenn du das möchtest.«
Kemal war schier aus dem Häuschen, als er die Neuigkeit erfuhr. »Du meinst, Jeff ist dann ständig bei uns?«
»Ganz recht. Wir sind alle zusammen. Dann hast du eine richtige Familie, mein Schatz.« Dana saß eine Stunde lang an Kemals Bett und unterhielt sich mit ihm über ihr zukünftiges Dasein. Sie würden alle drei zusammen leben, gemeinsam in Urlaub fahren, immer füreinander da sein.
Als Kemal schlief, begab sich Dana in ihr Zimmer und schaltete den Computer ein. Wohnungen, Wohnungen. Wir brauchen zwei Schlafzimmer, zwei Badezimmer, ein Wohnzimmer, Küche, Esszimmer und nach Möglichkeit ein, zwei Arbeitszimmer. Das sollte nicht allzu schwer zu finden sein. Dana dachte an Gary Winthrops leer stehende Stadtvilla und prompt schweiften ihre Gedanken ab. Was ist in dieser Nacht wirklich geschehen? Wer hat die Alarmanlage ausgeschaltet? Und wie sind die Einbrecher in das Haus gelangt, wenn es keinerlei Hinweis auf Gewaltanwendung gibt? Unwillkürlich gab sie den Namen »Winthrop« ein. Was, zum Teufel, ist mit mir los? Am Bildschirm tauchte die gleiche Auskunft auf, die Dana bereits zuvor gesehen hatte.
Regional > US-Staaten > Washington D.C. > Regierung > Politik > Federal Research Agency
• Winthrop, Taylor - diente als Botschafter in Russland und handelte bedeutende Wirtschaftsabkommen mit Italien aus .
• Winthrop, Taylor - Unternehmer und Milliardär, der sich um sein Land verdient machte .
• Winthrop, Taylor - die Familie Winthrop begründete zahlreiche karitative Stiftungen, mit denen Schulen, öffentliche Bibliotheken und Förderprogramme für innerstädtische Wohngebiete unterstützt wurden .
Im Internet tauchten die Winthrops auf vierundfünfzig Websites auf. Dana wollte gerade wieder auf Wohnungen umschalten, als ihr eine weitere Eintragung auffiel.
• Winthrop, Taylor - Rechtsstreit. Joan Sinisi, ehemalige Sekretärin von Taylor Winthrop, reichte Klage gegen ihn ein, zog sie später aber wieder zurück.
Dana las die Eintragung noch einmal. Was für ein Rechtsstreit?, fragte sie sich.
Sie suchte weiter unter dem Stichwort Winthrop, stieß aber auf keinen weiteren Hinweis. Dana gab den Namen Joan Sinisi ein. Keine weiteren Meldungen.
»Ist diese Verbindung sicher?«
»Ja.«
»Ich möchte eine Zusammenstellung der Websites, die diese Person ansurft.«
»Wir werden uns der Sache unverzüglich annehmen.«
Als Dana am Morgen darauf in ihr Büro kam, nachdem sie Kemal zur Schule gebracht hatte, schlug sie im Telefonbuch von Washington nach. Keine Joan Sinisi. Sie versuchte es im Telefonbuch von Maryland . Virginia . Vergebens. Vermutlich ist sie weggezogen, dachte Dana.
Tom Hawkins, der Produzent ihrer Sendung, kam in Danas Büro. »Gestern Abend haben wir die Konkurrenz wieder abgehängt.«
»Großartig.« Dana dachte einen Moment lang nach. »Tom, kennen Sie jemanden bei der Telefongesellschaft?«
»Klar. Wollen Sie einen neuen Anschluss?«
»Nein. Ich möchte feststellen, ob jemand möglicherweise eine Geheimnummer hat. Meinen Sie, Sie könnten das in Erfahrung bringen?«
»Wie lautet der Name?«
»Sinisi. Joan Sinisi.«
Er runzelte die Stirn. »Wieso kommt mir der Name irgendwie bekannt vor?«
»Sie war in einen Rechtsstreit mit Taylor Winthrop verwickelt.«
»Ach ja. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Ist vielleicht ein, zwei Jahre her. Sie waren damals in Jugoslawien. Ich dachte, das gibt eine heiße Story, aber die Sache wurde ziemlich rasch beigelegt. Vermutlich steckt sie mittlerweile irgendwo in Europa, aber ich will mal sehen, ob ich was rausfinde.«
Eine Viertelstunde später meldete sich Olivia Watkins. »Tom möchte Sie sprechen.«
»Tom?«
»Joan Sinisi wohnt nach wie vor in Washington. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ihre Geheimnummer geben.«
»Wunderbar«, sagte Dana. Sie nahm einen Stift. »Schießen Sie los.«
»Fünf-fünf-fünf-zwo-sechs-neun-null.«
»Vielen Dank.«
»Schenken Sie sich das Dankeschön. Laden Sie mich lieber zum Lunch ein.«
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