»Ich kann mich erinnern, dass ich mal irgendwo über sie gelesen habe«, sagte Jeff. Er zögerte einen Moment. »Liebling, du weißt doch, dass ich hundertprozentig zu dir stehe .«
»Natürlich, Jeff.«
»Hast du dir schon mal überlegt, ob du dich bei dieser Sache nicht verrennst? Unfälle passieren nun mal. Wie viel Zeit willst du denn noch dafür aufwenden?«
»Nicht mehr allzu viel«, versicherte ihm Dana. »Ich will nur noch ein paar Recherchen anstellen.«
Harriet Berk wohnte in einem schmucken Doppelhaus im Nordwesten von Washington. Sie war eine schlanke Blondine, etwa Anfang dreißig, die sie mit einem unsicheren, aber dennoch einladenden Lächeln empfing.
»Ich danke Ihnen, dass Sie bereit sind, mit mir zu sprechen.«
»Ich bin mir nicht ganz darüber im Klaren, worüber ich mit Ihnen sprechen sollte, Miss Evans. Sie haben gesagt, es ginge um Paul.«
»Ja.« Dana wählte ihre Worte mit aller Sorgfalt. »Ich möchte nicht in Ihr Privatleben eindringen, aber Sie und Paul waren verlobt und wollten heiraten. Daher gehe ich davon aus, dass Sie ihn vermutlich besser kannten als irgendjemand sonst.« »Das hoffe ich.«
»Ich möchte gern ein bisschen mehr über ihn erfahren, darüber, wie er wirklich war.«
Harriet Berk schwieg. Sie klang sanft, beinahe zärtlich, als sie schließlich antwortete. »Paul war anders als alle Männer, die ich jemals kennen gelernt habe. Er war so lebenslustig. Er war immer freundlich und rücksichtsvoll zu anderen Menschen. Aber er konnte auch sehr komisch sein. Er hat sich nicht allzu ernst genommen. Es hat einfach einen Riesenspaß gemacht, mit ihm zusammen zu sein. Vorigen Oktober wollten wir heiraten.« Sie stockte. »Als Paul bei dem Unfall ums Leben kam, habe ich - hatte ich das Gefühl, als ob mein Leben vorbei ist.« Sie blickte Dana an und sagte leise: »Und es kommt mir immer noch so vor.«
»Mein tiefstes Beileid«, sagte Dana. »Ich möchte Sie auch nicht weiter bedrängen, aber wissen Sie vielleicht, ob er irgendwelche Feinde hatte, ob jemand einen Grund gehabt haben könnte, ihn zu töten?«
Harriet Berk schaute sie mit tränennassen Augen an. »Paul töten?«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Wenn Sie ihn gekannt hätten, hätten Sie diese Frage niemals gestellt.«
Danach sprach Dana mit Steve Rexford, dem Butler, der in Julie Winthrops Diensten gestanden hatte. Er war ein eleganter Engländer mittleren Alters.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Miss Evans?«
»Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen über Julie Winthrop stellen?«
»Ja, Madam.«
»Wie lange standen Sie in ihren Diensten?«
»Vier Jahre und neun Monate.«
»Und wie war sie zu den Menschen, die in ihren Diensten standen?«
Er lächelte versonnen. »Sie war überaus freundlich, eine bezaubernde Dame in jeder Hinsicht. Ich - ich konnte es kaum glauben, als ich die Nachricht von ihrem Unfall hörte.«
»Hatte Julie Winthrop irgendwelche Feinde?«
Er runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
»Hat sich Julie Winthrop möglicherweise mit jemandem eingelassen, den sie dann - sitzen ließ? Oder mit jemandem, der ihr oder ihrer Familie womöglich etwas antun wollte?«
Steve Rexford schüttelte nachdenklich den Kopf. »Das sieht Miss Julie gar nicht ähnlich. Niemals hätte sie jemandem wehtun können. Nein. Sie war sehr großzügig, hatte für alle Zeit und für jeden etwas übrig.«
Dana musterte ihn einen Moment lang. Er meinte es ernst. Alle meinten es ernst. Was zum Teufel, mache ich hier?, fragte sie sich. Allmählich komme ich mir vor wie Dana Quichote. Nur dass es keine Windmühlen mehr gibt.
Danach nahm sie sich Morgan Ormond vor, den Direktor des Georgetown Museum of Art.
»Soweit ich weiß, wollen Sie mich über Gary Winthrop ausfragen.«
»Ja. Ich wollte gern wissen -«
»Sein Tod ist ein schwerer Schlag für uns. Unser Land hat einen seiner bedeutendsten Kunstmäzene verloren.«
»Mr. Ormond, ist die Konkurrenz auf dem Kunstmarkt nicht ziemlich groß?«
»Konkurrenz?«
»Kommt es nicht mitunter vor, dass etliche Interessenten hinter dem gleichen Kunstwerk her sind und sich auf -«
»Selbstverständlich. Aber das gilt doch nicht für Mr. Winthrop. Er besaß eine fabelhafte Privatsammlung, doch zugleich war er Museen gegenüber sehr großzügig. Nicht nur diesem, sondern Museen in aller Welt. Er hatte sich vorgenommen, große Kunstwerke für jedermann zugänglich zu machen.«
»Wissen Sie, ob er irgendwelche Feinde -«
»Gary Winthrop? Nie und nimmermehr.«
Zu guter Letzt traf sich Dana mit Rosalind Lopez, die fünfzehn Jahre lang Madeline Winthrops Zofe gewesen war. Sie arbeitete jetzt bei einem Partyservice, der ihr und ihrem Mann gehörte.
»Danke, dass Sie mich empfangen, Mrs. Lopez«, sagte Dana. »Ich möchte mit Ihnen über Madeline Winthrop sprechen.«
»Die arme Frau. Sie - sie war der netteste Mensch, den ich jemals kennen gelernt habe.«
Allmählich klingt es wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat, dachte Dana.
»Einfach schrecklich, dass sie auf so grausame Weise ums Leben kommen musste.«
»Ja«, pflichtete Dana ihr bei. »Sie waren lange bei ihr angestellt?«
»O ja, Ma’am.«
»Wissen Sie, ob sie irgendetwas getan haben könnte, mit dem sie jemanden beleidigt oder sich zum Feind gemacht hat?«
Rosalind Lopez blickte Dana verdutzt an. »Zum Feind? Nein, Ma’am. Jeder hat sie gemocht.«
Die Platte hat einen Sprung, befand Dana.
Vermutlich habe ich mich geirrt, dachte Dana auf dem Rückweg ins Büro. So unwahrscheinlich es auch sein mag, aber es muss ein Zufall sein, dass sie alle in anderthalb Jahren ums Leben gekommen sind.
Dana begab sich zu Matt Baker. Sie wurde von Abbe Las-mann empfangen.
»Hi, Dana.« »Ist Matt zu sprechen?«
»Ja. Sie können reingehen.«
Matt Baker blickte auf, als Dana in sein Büro kam. »Wie geht’s unserem Sherlock Holmes heute?«
»Ganz einfach, mein lieber Watson. Ich habe mich geirrt. Das gibt keine Story her.«
Der Anruf von Danas Mutter kam völlig unverhofft.
»Dana, mein Schatz, ich habe eine tolle Neuigkeit für dich!«
»Ja, Mutter?«
»Ich heirate wieder.«
Dana war wie vom Donner gerührt. »Was?«
»Ja. Ich bin rauf nach Connecticut gefahren, nach Westport, um eine Freundin zu besuchen, und sie hat mich mit einem ganz bezaubernden Mann bekannt gemacht.«
»Ich - ich freue mich für dich, Mutter. Das ist ja wunderbar.«
»Er - er ist so ...« Sie kicherte. »Ich kann’s nicht beschreiben, aber er ist reizend. Du wirst ihn mögen.«
»Wie lang kennst du ihn denn schon?«, fragte Dana vorsichtig.
»Lang genug, Liebes. Wir sind wie füreinander geschaffen. Ich bin ja so glücklich.«
»Hat er einen Job?«, fragte Dana.
»Führ dich nicht auf wie mein Vater. Selbstverständlich hat er einen Job. Er ist ein sehr erfolgreicher Versicherungsvertreter. Peter Tomkins heißt er. Er hat ein wunderschönes Haus in Westport, und ich kann’s kaum erwarten, dass du und Kimbal raufkommt und ihn kennen lernt. Ihr kommt doch?«
»Natürlich.«
»Peter möchte dich unbedingt kennen lernen. Er hat jedem erzählt, wie berühmt du bist. Bist du sicher, dass ihr es schafft?«
»Ja.« Dana hatte am Wochenende keine Sendung, daher konnte sie jederzeit weg. »Kemal und ich freuen uns schon darauf.«
»Du wirst deine Großmutter kennen lernen«, sagte Dana, als sie Kemal von der Schule abholte. »Wir werden noch eine richtige Familie, mein Schatz.«
»Mega.«
Dana lächelte. »Ganz recht, mega.«
Am frühen Samstagmorgen fuhren Dana und Kemal nach Connecticut. Dana freute sich auf den Abstecher nach Westport.
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