»Aber ich bitte Sie! Betrachten Sie es als Darlehen, und zahlen Sie’s zurück, wann immer es Ihnen beliebt.«
Außerordentlich erleichtert bedankte sich Alec. »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Mr. Michaels.«
Erst einen Monat später erfuhr er Einzelheiten. Vivian hatte inzwischen weitere fünfundzwanzigtausend Pfund verspielt, und Alec bekam einen Zinssatz von zehn Prozent die Woche in Rechnung gestellt. Entsetzen packte ihn. Er sah keine Möglichkeit, soviel Bargeld aufzutreiben. Er besaß nichts, was er verkaufen konnte. Alles, die Häuser, die Antiquitäten, die Autos, seine ganze sogenannte Habe, gehörte Roffe und Söhne. Seine Wut jagte Vivian derartige Angst ein, dass sie hoch und heilig schwor, nie wieder zu spielen. Aber es war zu spät. Alec befand sich in den Klauen von Geldwucherern. Egal, wieviel er ihnen in den Rachen warf, er konnte die Schulden nicht zurückzahlen. Im Gegenteil stiegen sie von Monat zu Monat weiter an, der Berg wuchs, und das nun seit einem Jahr.
Als Tod Michaels’ Eintreiber ihn zum ersten Mal unter Druck zu setzen suchten, drohte er mit dem Polizeichef. »Ich habe Verbindungen zu den höchsten Kreisen«, behauptete Alec.
»Und ich zu den niedrigsten«, entgegnete der Kerl grinsend.
So kam es, dass Alec sich eines Mittags bei White’s jenem fürchterlichen Individuum gegenübersah. Noch dazu musste er seinen Stolz überwinden und um eine Galgenfrist betteln.
»Ich habe doch schon mehr zurückgezahlt, als die Kreditsumme ausmachte. Sie können doch nicht -«
»Das waren nur Zinsen, Sir Alec. Von der Grundsumme haben Sie noch nichts zurückgezahlt.«
Alec fuhr auf. »Das ist Erpressung!«
Ein Schleier legte sich vor Swintons Augen. »Ich werde das dem Boss ausrichten.« Er machte Anstalten aufzustehen.
»Nein, bitte, bleiben Sie«, bat Alec.
Langsam setzte sich Swinton wieder. »Sagen Sie so was nicht noch mal«, warnte er. »Der letzte Kerl, der so quatschte, kriegte seine Knie auf den Fußboden genagelt.«
Alec hatte davon gelesen. Die Gebrüder Kray hatten diese Methode zur »Bestrafung« ihrer Opfer erfunden. Und die Leute, mit denen Alec es zu tun hatte, waren genauso skrupellos. Er fühlte Bitteres in seinem Hals aufsteigen. »So habe ich das ja nicht gemeint«, lenkte er ein. »Es ist doch nur - ich hab’ einfach kein Bargeld mehr.«
Swinton schnippte die Asche von seiner Zigarre in Alecs Weinglas. »So, haste nich, Baby? Aber du hast doch einen fetten Brocken Aktien von Roffe und Söhne, oder?«
»Ja, natürlich. Aber die Anteile sind unverkäuflich und nicht übertragbar. Die nützen niemandem, solange Roffe und Söhne nicht auf den freien Aktienmarkt gehen.«
Swinton stieß dicke Rauchwolken aus. »Und? Tun sie das?«
»Das liegt ganz bei Sam Roffe. Ich - ich hab’ ja schon dauernd versucht, ihn dazu zu überreden.«
»Dann versuch’s mal energischer.«
»Sagen Sie Mr. Michaels, er bekommt sein Geld«, beschwor ihn Alec. »Aber bitte, stellen Sie mir nicht länger nach.«
Swinton starrte ihn unschuldig an. »Nachstellen? Dir? Mann, du kleiner Schwanzlutscher, wenn wir anfangen, dir nachzustellen, dann werden dir die Augen aufgehen. Dann brennen deine verdammten Ställe ab, und du frisst geröstetes Pferdefleisch. Als nächstes ist dein Haus dran. Und vielleicht deine Frau.« Er grinste, ein widerliches Grinsen. »Haste schon mal gebratene Pussy verspeist?«
Alec war wachsbleich geworden. »Um Himmels willen -«
Aber Swinton schaltete bereits eine Gangart zurück. »Mann, reg dich nicht auf, ich mach’ ja nur Spaß. Tod Michaels is’ doch dein Freund, das weißte ja. Und Freunde helfen sich gegenseitig, stimmt’s? Heute morgen erst, bei unserer Sitzung, da haben wir von dir geredet. Und weißte, was der Boss da gesagt hat? >Sir Alec<, hat er gesagt, >auf den kann man sich verlassen. Wenn der das Geld nicht hat, fällt dem bestimmt was anderes ein, wie er uns schadlos halten kann.<���«
Alec legte die Stirn in Falten. »Was einfallen? Wieso?«
»Na, Mann, für ein helles Köpfchen wie dich ist es doch wohl nicht so schwer, darauf zu kommen, oder? Du bist doch einer der Obersten von der großen Drogenfirma, stimmt’s? Und da habt ihr doch so ‘n Zeug wie zum Beispiel Kokain. Na, was? Zwischen uns beiden Hübschen: Wer würde rausbekommen, wenn dir aus Versehen hier und da mal ‘ne Ladung abhanden käme?«
Alec konnte ihn nur anstarren. »Sie - Sie sind verrückt geworden«, brachte er schließlich heraus. »Ich - ich könnte das niemals tun.«
»So? Ist aber erstaunlich, was Leute alles tun können, wenn ihnen nichts anderes übrigbleibt.« Swinton stand auf. »Also, entweder hältst du das Geld für uns bereit, oder wir teilen dir mit, wo du die Ware abzuliefern hast.«
Er drückte die Zigarre auf Alecs Butterteller aus. »Viele Grüße an Vivian. Bis bald.«
Und Jon Swinton verschwand.
Da saß Sir Alec, allein und verlassen in einer Umgebung, die Teil seines Lebens gewesen war, eines Lebens, das er nun aufs höchste bedroht sah. Alles war wie sonst, mit Ausnahme des ekelhaften Zigarrenstummels auf dem Butterteller. Wie hatte er diese Kerle nur in sein Dasein eindringen lassen können? Da hatte er sich in eine Position manövrieren lassen, wo er Werkzeug in den Händen der Unterwelt war. Jetzt wusste er auch, dass sie mehr als nur Geld von ihm verlangten. Das Geld war lediglich ein Vorwand. In Wirklichkeit waren sie auf seine Verbindung zum Pharma-Konzern aus, wollten ihn dazu zwingen, für sie zu arbeiten. Sobald herauskam, dass er sich in der Gewalt von Verbrechern befand, würde die Opposition im Parlament es sich nicht nehmen lassen, Kapital daraus zu schlagen. Und die eigene Partei würde ihn mit Sicherheit zum Rücktritt zwingen. O ja, so was geschah sehr taktvoll und geräuschlos. Sie würden Druck auf ihn ausüben, sich für die sogenannten »Chiltern Hundreds« zu bewerben, einen Staatsposten, finanziert von der Krone, für den lediglich ein Nominalgehalt von hundert Pfund im Jahr ausgeworfen war. Als Parlamentarier durfte man aber nicht im Sold der Regierung oder der Krone stehen. Auf diese Weise würde Alec sich gezwungen sehen, seinen Parlamentssitz aufzugeben. Natürlich konnte man auch den wahren Grund nicht auf ewig verschweigen, und Alec sah sich schon der öffentlichen Schande preisgegeben. Es sei denn, er brächte die fragliche Geldsumme auf. Immer wieder hatte er Sam Roffe zu überzeugen versucht, ihn gedrängt, Aktien von Roffe und Söhne zu veräußern.
»Vergiss es«, hatte Sam geantwortet. »In dem Augenblick, wo wir Außenstehenden Anteile verkaufen, tauchen plötzlich lauter Fremde bei uns auf, die uns sagen wollen, wie wir unser Unternehmen zu führen hätten. Und ehe du dich’s versiehst, haben die das Direktorium übernommen und dann das ganze Unternehmen. Warum bist du eigentlich so scharf darauf, Alec, wo liegt für dich der Vorteil? Du hast ein hohes Einkommen, ein unbegrenztes Spesenkonto und dergleichen mehr. Du brauchst das Geld doch gar nicht.«
Einen Moment lang war Alec in Versuchung gewesen, Sam die Wahrheit zu sagen. Und wie er das Geld brauchte! Aber er wusste, das hätte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Sam Roffe war ein Geschäftsmann, ein Mensch ohne Sentimentalitäten. Erfuhr er, dass Alec auf so schändliche Weise Roffe und Söhne kompromittiert hatte, würde er ihn feuern, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Nein, Sam Roffe war der allerletzte, den er um Hilfe bitten konnte.
Es gab keine Rettung mehr für ihn.
Der Empfangsportier von White’s näherte sich respektvoll Sir Alecs Tisch im Speisesaal; in seiner Begleitung befand sich ein Mann in grauer Botenuniform, der einen versiegelten Geschäftsbrief trug.
»Verzeihung, Sir Alec«, sagte der Portier, »aber dieser Mann hier besteht darauf, Ihnen das persönlich auszuhändigen.«
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