Lars Kepler - Paganinis Fluch
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- Название:Paganinis Fluch
- Автор:
- Издательство:Bastei Lübbe
- Жанр:
- Год:неизвестен
- Город:Köln
- ISBN:978-3-8387-1016-7
- Рейтинг книги:5 / 5. Голосов: 1
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»Seht her«, sagt Joona sanft und demonstriert, wie er mit einer Hand den Stoff beider Jackenärmel packen und Frippes Arme hinter dessen Rücken festhalten kann, während die andere Hand seine langen Haare festhält.
»Ich habe Frippe nun vollkommen in meiner Gewalt, und an seinem Körper wird trotzdem kein einziger blauer Fleck zu finden sein.«
Joona hebt die Arme des jungen Mannes hinter seinem Rücken. Frippe jault auf und beugt sich vor.
»Immer mit der Ruhe«, sagt er lachend.
»Du bist natürlich viel größer als das Opfer, aber ich denke trotzdem, dass ich deinen Kopf in die Wanne drücken kann.«
»Tu ihm nicht weh«, sagt Åhlén.
»Ich werde ihm nur seine Frisur durcheinanderbringen.«
»Vergiss es«, sagt Frippe.
Es entspinnt sich ein stummer Kampf. Åhlén wirkt besorgt und Svanehjälm verlegen. Petter lässt sich zu einem Fluch herab. Joona drückt Frippes Kopf schließlich ohne größere Schwierigkeiten in die Wanne, hält ihn kurz unter Wasser, lässt dann los und weicht zurück. Frippe richtet sich taumelnd auf, und Åhlén eilt mit einem Handtuch zu ihm.
»Es hätte doch völlig gereicht, es uns zu erzählen«, sagt er verärgert.
Als Frippe sich abgetrocknet hat, gehen alle schweigend in den angrenzenden Raum, in dem Verwesungsgeruch in der kühlen Luft hängt. Eine Wand besteht aus Kühlfachluken aus rostfreiem Stahl in drei Ebenen. Åhlén öffnet Luke 16 und zieht ein Schubfach heraus. Auf einer schmalen Pritsche liegt die junge Frau. Nackt und bleich, mit einem braunen Adernetz um den Hals. Joona zeigt auf die dünne, geschwungene Linie über ihrer Brust.
»Zieh dich aus«, sagt er zu Frippe.
Frippe knöpft die Jacke auf und zieht das schwarze T-Shirt aus. Auf seinem Brustkorb hat der Rand der Wanne einen deutlich sichtbaren, hellrosa Abdruck hinterlassen, eine geschwungene Linie, die einem fröhlichen Mund ähnelt.
»Verdammt«, sagt Petter.
Åhlén geht zu der Toten und studiert ihre Kopfhaut. Er zieht eine schmale Taschenlampe heraus und richtet sie auf die weiße Haut unter dem Haar.
»Dafür brauche ich kein Mikroskop, jemand hat ihren Kopf sehr hart an den Haaren festgehalten.«
Er schaltet die Lampe aus und steckt sie in den Arztkittel zurück.
»Und das heißt …«, sagt Joona.
»Und das heißt, dass du natürlich recht hast«, sagt Åhlén und klatscht in die Hände.
»Mord«, seufzt Svanehjälm.
»Beeindruckend«, sagt Frippe und streicht ein wenig Kajal fort, der auf seiner Wange verlaufen ist.
»Danke«, antwortet Joona geistesabwesend.
Åhlén sieht ihn fragend an:
»Was ist los? Joona? Was hast du gesehen?«
»Das ist sie nicht«, sagt er.
»Wie bitte?«
Joona begegnet Åhléns Blick und zeigt anschließend auf die Leiche vor ihnen.
»Das ist nicht Penelope Fernandez, das ist jemand anderes«, sagt er und begegnet dem Blick des Staatsanwalts. »Diese tote Frau ist nicht Penelope Fernandez. Ich habe ihren Führerschein gesehen und bin mir sicher, dass sie es nicht ist.«
»Aber was …«
»Penelope Fernandez ist möglicherweise auch tot«, sagt er, »aber wenn es so ist, haben wir sie jedenfalls noch nicht gefunden.«
14
Ein nächtliches Fest
Penelopes Herz schlägt rasend schnell, sie versucht lautlos zu atmen, aber die Luft fährt bebend durch ihre Kehle. Sie rutscht den rauen Fels hinunter, reißt feuchtes Moos mit sich, gelangt unter die dicht wachsenden Zweige der großen Fichte. Sie zittert vor Angst und kriecht näher an den Stamm heran, wo die nächtliche Dunkelheit am dichtesten ist. Sie hört sich selbst wimmern, als sie an Viola denkt. Björn sitzt reglos in der Dunkelheit unter den Ästen, er hat die Arme um sich geschlungen und murmelt ununterbrochen irgendetwas vor sich hin.
Sie sind in Panik gerannt, haben sich nicht umgesehen, sind gestolpert, gefallen, haben sich wieder aufgerappelt, sind über liegende Bäume geklettert, haben sich Beine, Knie und Hände aufgeschürft, sind trotzdem immer weitergerannt.
Penelope weiß nicht mehr, wie nah ihnen der Verfolger ist, ob er sie schon entdeckt, ob er aufgegeben und sich für Warten entschieden hat.
Sie sind geflohen, aber Penelope weiß nicht, aus welchem Grund. Sie begreift nicht, warum sie gejagt werden.
Vielleicht ist das alles nur ein schrecklicher Irrtum, denkt sie.
Der schnelle Puls beruhigt sich allmählich.
Ihr ist schlecht, sie muss sich fast übergeben, schluckt stattdessen hart.
»Oh Gott, oh Gott«, flüstert sie immer wieder vor sich hin. »Das kann einfach nicht sein, wir brauchen Hilfe, man muss doch bald das Boot finden und nach uns suchen …«
»Psssst!« Björn bringt sie mit einem ängstlichen Blick zum Schweigen.
Ihre Hände zittern. In Gedanken sieht sie Bilder vorbeihuschen. Sie zwinkert, um sie nicht sehen zu müssen, versucht, auf ihre weißen Sportschuhe zu schauen, auf die braunen Nadeln auf der Erde, Björns schmutzige, blutige Knie, aber die Bilder drängen sich ihr trotzdem auf. Viola ist tot und sitzt mit weit aufgerissenen Augen auf dem Bett, mit undurchdringlichem Blick, ihr Gesicht ist milchig weiß und nass, und ihre Haare sind feucht und strähnig.
Irgendwie wusste Penelope sofort, dass der Mann am Ufer, der Björn aufforderte, ans Ufer zu schwimmen, der Mörder ihrer Schwester war. Sie fühlte es, setzte die Bruchstücke zusammen, die sie besaß, und deutete das Bild blitzschnell. Sonst wären sie jetzt alle tot.
Penelope hatte Björn angeschrien. Sie verloren Zeit, es ging zu langsam, und sie hatte ihn mit der Spitze des Bootshakens verletzt, bevor es ihr gelungen war, ihn an Bord zu ziehen.
Da hatte das Schlauchboot Stora Kastskär schon umfahren und auf der glatten, offenen Wasserfläche Gas gegeben.
Sie hatte direkt auf den alten hölzernen Steg zugehalten, war auf volle Fahrt zurückgegangen und hatte den Motor ausgeschaltet, als der Bug gegen einen Pfeiler stieß. Krachend glitten sie seitlich an dem Steg vorbei und verließen das Boot, flohen in Panik, nahmen nichts mit, nicht einmal ein Handy. Penelope rutschte auf der Böschung aus und stützte sich mit der Hand ab, drehte sich um und sah den schwarz gekleideten Mann hastig das Schlauchboot am Anleger vertäuen.
Penelope und Björn liefen in den Fichtenwald, rannten Seite an Seite, wichen Bäumen aus, umrundeten dunkle Steine, Björn wimmerte, wenn seine nackten Füße auf scharfe Zweige traten.
Penelope zog ihn mit sich, ihr Verfolger war ihnen dicht auf den Fersen.
Sie dachten nicht nach, hatten keinen Plan, liefen in Panik durch die dicht stehenden Farne und Blaubeersträucher.
Penelope hörte sich beim Laufen weinen, mit einer Stimme weinen, die sie noch nie gehört hatte.
Ein dicker Zweig schlug schmerzhaft gegen ihren Oberschenkel, und sie musste stehen bleiben. Sie atmete rasselnd, sie wimmerte, bog mit zitternden Händen den Zweig zur Seite und sah Björn rennend näher kommen. Der Schmerz pochte im Muskel des Oberschenkels. Sie lief weiter, wurde wieder schneller, hörte Björn hinter sich und drang, ohne sich umzuschauen, immer tiefer in den dichten Wald ein.
Wenn man in Panik gerät, verändert sich das Denken. Die Panik ist nicht konstant – manchmal wird sie durchbrochen, um Platz zu machen für vollkommen rationale Überlegungen. Es ist, als würde man Lärm plötzlich abschalten und der Stille begegnen und plötzlich den Überblick wiedergewinnen. Dann aber kehrt die Angst zurück, die Gedanken werden einspurig und drehen sich im Kreis, man will nur noch laufen, sich möglichst weit von seinem Verfolger entfernen.
Penelope dachte immer wieder, dass sie Menschen finden mussten, dass sich an diesem Abend sicher Hunderte Menschen auf Ornö aufhielten. Sie mussten die weiter südlich liegenden, besiedelten Teile der Insel finden, Hilfe suchen, an ein Telefon herankommen und die Polizei rufen.
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