Otokar Brezina - Hymnen

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Hymnen

Die Glücklichen

Gefährliches Schweigen fiel in unsere Einöden und in die Tiefen der Wälder,
wo die höchsten Wipfel der Bäume von den Wundern des Lichtes flüsterten,
ein langer Aufschrei erbebte – und es neigte sich Durst zu der Quelle des Blutes.

Zwischen uns und den Sternen ziehen die Wolken der Erde.
Mit tausend feurigen Augen in unsere Nächte blicken spöttisch die Städte
und in den klingenden Gärten, wohin die Sterne tropften wie Tau, entstieg den Düften Begier.
Jahrhunderte künftiger und vergangener Schuld begegnen sich im Wahnsinn der Menge
und die Hände, die, müde vom Recken zur Höhe und in Gebeten, sich senkten,
schwärmen von glühenden Berührungen und nicht gehorcht uns unser reineres Träumen.
Fahl wurden die lieben Gesichter in unserer Seele, die Worte erstickten in schmerzlichem Lachen,
unsere ätzende Atmosphäre machte die Blüte der Farben und Dinge zu Schatten.
Dampf raucht aus den Wassern, auf denen wir fahren, versteinert sind unsere Ruder in ihnen,
die schmerzlich gekrampften Hände halten sie kaum, so reglos hängt ihre Schwere in den Wellen,
und schwindelnd faßt uns die Suggestion der Tiefen.

So sprach zu euerer Seele das Dunkel, doch stumm eurem Schmerze
und eueren Blicken, die die Tiefe verloren, bleibet die Erde:
weit irrt, vor euch Schwachen, ihr Traum in Jahrtausenden,
duftend und bebend in den Strahlen des Höchsten.

O Glückliche, die ihr aus diesen Augenblicken frei und rein euch erhobet,
öffnend die Augen, die vom Sturmwind des Feindes geschloßnen.
Den Starken ähnlich, als sie am Tage des Todes auszogen, Gebet auf den Lippen:
Flügelschlag höherer Wesen gab ihren Schritten den Rhythmus,
und ihr magisches Lächeln, der Sonne befahl es:
Stehe still über unserem Tag und gehe nicht unter,
bis die Ernte der Saat reift und wir auf der Walstatt anstimmen ein Danklied!
Und die Sonne stand still über ihrem Tag und ging durch Jahrhunderte nicht unter,
denn der Tag der Sieger, der Tausenden Licht gibt, leuchtet auf ewig.

O Glückliche, die ihr aus diesen Augenblicken frei und rein euch erhobet
und durch euer Gebet mit einem Flügelschlag die duftenden Träume der Erde erreichtet:
aus den unsichtbaren Gärten, bepflanzt mit tausenden Toten, die eueres Werkes dort harren,
einatmet ihr tief die stärkenden Düfte.

Gebet für die Feinde

Deine Macht schuf, daß unsere Röte in die Wangen unserer Feinde hinüberfloß,
als unser Antlitz vor Bangen erblaßte,
und das Licht in den Blicken der Feinde machtest du klar wie Sterne durch unsere Bewölktheit.
Ihre freudigen Schreie entstiegen unserem Schweigen
und den Hauch unserer Grabblumen aus ihren Knospen einatmeten sie als lieblichen Duft.
Aber unser Gespenst schlich sich ein in ihr Träumen, knüpfte sich fest in ihrer Tanzlieder Kette,
und unsere stillsten Einsamkeiten waren der Ort unserer Begegnung.

Deines Geheimnisses schwerer Schatten seit ewig trennt ihre Seelen und uns.
Das mystische Licht, das du den Blicken entzündet, es brach sich anders in ihrer Brust
und der Sommer, in dem ihre Ernte reifte, als Feldbrand durchzog er unsere Fluren.
Aus ihren Stimmen brausen uns Winde, die hundertjährigen Sturm uns brachten,
das Leid vergessenen Weinens und auf den Ruinen verzweifeltes Schweigen.
Ihr Lächeln ist voller Gefahr und Erinnerung an die unbekannten Siege der Toten
und ihrer Stirne Düster ist der Schatten rätselhafter Tode vor Jahrhunderten.
In ihren und unsern Gedanken kämpft der stumme Wirbel der Stimmen aus der Tiefe der Seelen,
Echo der Gedanken der Väter, Vermächtnis der Trauer und Schuld erkalteter Blute:
deines Geheimnisses schwerer Schatten liegt zwischen ihren Seelen und uns.

Allgegenwärtiger! Du in Jahrhunderten unverwandeltes Lächeln!
Umarmung, umfassend die Unendlichkeit! Singendes Pochen tausender Herzen!
Flammen, entsprühend vor Lust verlöschenden Blicken!
Du, dessen Liebe wie brennender Schwefel fällt in die Gärten der irdischen Liebe!
Wir beten ein Gebet für die Feinde, die im Dämmern des Lebens uns nahen,
für sie, die außer uns gehn, unbekannt in der Ferne der Erde, des Todes,
und für jene, die an künftigen Morgen erwarten den Morgen unsres Geschlechts!

Deines Geheimnisses schwerer Schatten liegt zwischen ihren Seelen und uns.
Wege zu dir sind unsere Siege und unsichtbare Siege sind in unserer Überwindung.
Dem Zischen der Schwerter mischt sich das Rauschen der Ähren geheimnisvollen Reifens. Echo der Hiebe erklingt in der Ferne.
Im geschliffenen Stahl unserer Schwerter und der Schwerter der Feinde entzündest du eine Sonne aller Morgen,
und den Samen von blutenden Händen lässest du aufblühen als Lilien.
Zahllose Flammen seit ewig verzehren das Dunkel. Auch die Sonne und der geheimnisvolle Durst aller Welten,
doch immer erneut wälzt sich’s her aus kosmischen Höhen. Und doch wird am Ende Licht sein.
Und unsere schmerzlichen Schreie, einst werden sie tönen wie Bienen,
nahend den Stöcken mit der Süße des Honigs, den sie errafften auf den Fluten der Zeiten.
Wir kämpfen deinen geheimnisvollen Feldzug.
Du bestimmtest die Führer der Truppen und machtest ihre Höhe die Jahrtausende überblicken,
die Strahlen ihrer Blicke brachen nicht im Übergang von Mitte zu Mitte
und das Flüstern ihrer Befehle ward zum Donner im Echo der Tiefen.
Du gabst Kraft unserm Angriff, als die Landschaften des Lichtes von unseren Schritten erdröhnten,
und Kraft den Armen der Feinde, als wir die Siege des Tages
bei nächtlichen Fackeln entwarfen! —
Unsere Tage erstehen in Nebeln und bange und bange und bange!
Unser Ermatten sät Rosen auf die Felder der Feinde! Und es führt unser Weg zu den Grenzen der Zeit!
O Ewiger!
Im Azur künftiger Jahrhunderte raucht zu dir als ein Bittopfer der Schmerz aller Siege
und das Falten aller Hände, die von Tränen benetzt sind, nach mystischer Verzeihung ruft es!
Mache unsere Hiebe süß und die Zahl der Lebenden größer, nicht kleiner!
Und daß in der Stille unseres Schmerzes in der Seele die mystischen Quellen des Lichtes uns rauschen,
denn der Schmerz und das Licht sind der Vibration deines Geheimnisses einzige Formen!
Mögen im Mittag unseres Kampfes uns klingen die ätherischen Küsse der im Tode versöhnten Seelen,
und die von der ewigen Schuld entzündeten Wangen kühle der Tau eines neuen Schattens,
in dem auch wir die Seelen unserer Feinde dereinst im Grimme der Liebe durchdringen,
die wir leugneten weinend und im rosigen Regen der Küsse der Toten,
denen du befahlst, zu welken auf den Lippen des Kämpfers!

Die Stadt

Ich sah eine Stadt im Flor fremden Lichts. Und Sonne
hing bleich und des Glanzes beraubt über ihr,
nichts mehr als ein Stern inmitten von Sternen.

Tausend Türme wuchsen zu den Wolken und eines vor langem zerstörten
Turmes Schatten erhob sich. Zahllose Massen wälzten sich torwärts und hervor aus den Toren,
Musik zu unbekannten Festen ertönte, es kamen Züge von Büßern,
Soldaten kehrten vom Kampfplatz, Gefangene schritten in Ketten,
und den Gräbern entstiegene Schatten irrten inmitten der Menge,
und in die Stimme der Lebenden mischte sich ihre Stimme und herrschte:
Sie vereinigten Hände von Fremden und ihr Lachen fiel in der Liebenden Küsse,
wo sie durch Umarmungen schritten, sanken die geöffneten Arme,
und aus ihren im Vorwurf der Schuld unheimlich klaffenden Augen
brach eine geheimnisvolle Sonne und floß jenes Leuchten,
das die Stadt und tausend Lebende in sein melancholisches Zittern tauchte.
Und ich irrte allein durch die Menge, der Schlag meines Herzens
erstarb im Pochen zahlloser toter und lebendiger Herzen
und die magische Welle aller unserem Tage erloschenen Blicke
bestrahlte die Seele mir. Und dort traf ich dich:
deinem Odem entwehte der Duft meiner tiefsten Einsamkeiten,
der Heimaterde, der ätherischen Blüten im dunkelnden Laubgang,
erblüht in des Nachthimmels silbernem Regen,
und deine Stimme bebte von Stimmen, die ich im irrenden Winde erlauscht

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