Mackenzie hörte sich Ellingtons Gespräch an und konnte nicht zusammensetzen, worum es ging. Nach weniger als einer Minute beendete Ellington den Anruf und schob sein Handy wieder zurück in die Tasche.
“Also”, sagte er. “Es sieht so aus, als wenn du die Costas Familie alleine besuchen musst. McGrath braucht mich im Büro. Einige Detailarbeiten an einem Fall, über den er ziemlich geheimnisvoll ist.”
“Das heißt wahrscheinlich Routinearbeit”, sagte Mackenzie. “Du Glücklicher.”
“Trotzdem … es ist ein wenig komisch, dass er mich schon so schnell abzieht, wenn wir noch gar keine Hinweise haben. Er muss ganz plötzlich ein großes Vertrauen in dich haben.”
“Und du hast das nicht?”
“Du weißt, was ich meine”, sagte Ellington lächelnd.
Mackenzie nahm einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee, ein wenig verstimmt, als sie merkte, dass er schon leer war. Sie warf die Tasse in den Müll und sammelte die Akten und ihr Handy ein, bereit für ihren nächsten Halt. Zuerst jedoch ging sie zur Theke, um einen weiteren Kaffee zu bestellen.
Es sah aus, als wenn es ein langer Tag werden würde. Und ohne Ellington, der sie auf Trab hielt, brauchte sie definitiv Kaffee.
Aber lange Tage ergaben auch immer Hinweise – in Produktivität. Und wenn Mackenzie es auf ihre Art machen konnte, würde sie den Mörder finden, ehe er Zeit hatte einen weiteren Mord zu planen.
Nachdem sie Ellington in der Parkgarage des FBI-Büros abgesetzt hatte (und einen schnellen, aber leidenschaftlichen Kuss bekommen hatte, ehe sie weiterfuhr), fuhr Mackenzie zur katholischen Blessed Heart Kirche. Sie hatte nicht erwartet etwas zu finden, also war sie nicht enttäuscht, als genau das passierte.
Die Türen waren ersetzt worden, aber sahen genau wie Repliken von denen aus, die sie auf den Fotos des Tatorts gesehen hatte. Sie stieg die Stufen zu den neuen Türen hoch, die hier viel schicker und verzierter waren, als die in der presbyterianischen Cornerstone. Sie drehte sich dann mit dem Rücken zu den Türen und schaute auf die Straße. Sie konnte nicht anders als sich zu fragen, ob es noch irgendwelche weitere Symbolik bei der Kreuzigung der Männer an den Vordertüren gab.
Vielleicht sollten sie nach etwas schauen, dachte Mackenzie. Aber alles was sie sah waren geparkte Autos, ein paar Fußgänger und Straßenschilder.
Sie sah auf ihre Füße und entlang der Kanten des Türrahmens. Es gab kleine gespachtelte Formen, die alles sein konnten. Aber sie hatte diese Farbe schon einmal gesehen – die Farbe von Blut, sobald es auf dem hellen Beton getrocknet war.
Sie sah die Treppen herunter und versuchte sich einen Mann vorzustellen, der dort eine Leiche hochtrug. Das wäre eine Aufgabe, das war sicher. Natürlich wusste sie nicht sicher, dass Costas bereits tot gewesen war, als er an die Tür genagelt wurde, dennoch schien das aber die funktionierende Hypothese zu sein.
Während sie an den Doppeltüren stand und sich umsah, ging sie die Fakten, die sie aus den Akten wusste durch. Dieselbe Art von Nagel wurden sowohl hier, als auch am Tuttle Tatort genutzt. Die einzige gemeinsame Verletzung an den beiden Leichen war eine große Wunde, längs an ihrer Stirn – vielleicht eine Anspielung auf die Christi Dornenkrone.
Sich solch einen grausamen Anblick auf den Stufen vorzustellen, auf denen sie stand, war schwer. Menschen dachten typischerweise nicht an Tod und Aufspießung, wenn sie vor den Türen einer Kirche standen.
Und vielleicht ist das der Punkt. Vielleicht ist das eine Verbindung zum Motiv des Mörders.
Mit dem Gefühl, das sie an etwas dran war, ging Mackenzie die Stufen zur Straße herunter.
Es fühlte sich merkwürdig an, sich in so einem Tempo ohne Ellington an ihrer Seite zu bewegen, aber als sie im Auto war und losfuhr, waren ihre Gedanken nur noch bei dem Fall.
***
Zum zweiten Mal am Tag ging Mackenzie in ein überfülltes Zuhause. Vater Costas hatte in einem schönen Zuhause, einem zweistöckigen Ziegelhaus, direkt in den Außenbezirken der Innenstadt Region gewohnt. Sie wurde von einer Frau empfangen, die sich selbst als Gemeindemitglied von Blessed Heart vorstellte. Sie führte Mackenzie in den Wartebereich, wo sie gebeten wurde, einen Moment zu warten.
Innerhalb von Sekunden betrat eine ältere Frau den Raum. Sie sah erschöpft und zutiefst traurig aus, als sie in einem Lehnsessel Mackenzie gegenüber, die sich auf ein verziertes Sofa gesetzt hatte, Platz nahm.
“Es tut mir leid Sie zu stören”, sage Mackenzie. “Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so viel Besuch haben.”
“Ja, ich hatte auch keine Ahnung”, antwortete die Frau. “Aber die Beerdigung ist heute Abend und plötzlich tauchten all diese Menschen auf. Familienmitglieder, Bekannte, Anhänger von der Kirche.” Sie grinste müde und fügte hinzu: “Ich bin Nancy Allensworth, die Kirchensekretärin. Mir wurde gesagt, dass Sie vom FBI sind?”
“Ja Ma’am. Auch wenn ich sie noch weiterhin aufrege, heute Morgen wurde eine weitere Leiche entdeckt, die auf dieselbe Art wie Vater Costas getötet wurde. Dieser hier war Pastor in einer kleinen presbyterianischen Kirche in der Nähe von Georgetown.”
Nancy Allensworth legte ihre Hand an den Mund in einer dramatischen Oh nein Gestik. “Meine Güte”, sagte sie. Dann durch Tränen und zusammengebissenen Zähnen zischte sie, “Was ist nur aus dieser Welt geworden?”
Mackenzie gab sich Mühe weiterzumachen. “Natürlich haben wir Annahme zu glauben, dass es erneut passieren kann, wenn es bereits zwei Mal passiert ist. Zeit ist also wichtig. Ich hoffte, Sie können mir ein paar Fragen beantworten.”
“Ich kann es versuchen”, sagte sie. Dennoch war klar, dass sie damit kämpfte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.
“Weil Blessed Heart eine relativ große Kirche ist, habe ich mich gefragt, ob es vielleicht jemanden innerhalb der Gemeinde gibt, der vielleicht kürzlich mit Vater Costas Probleme hatte oder sich beschwert hat.”
“Nicht dass ich wüsste. Natürlich müssen Sie bedenken, dass viele Menschen ihn im Vertrauen aufsuchen, um Sünden zu beichten oder spirituelle Unruhen in ihrem Leben auszuarbeiten.”
“Gibt es irgendetwas im Laufe der letzten Jahre von dem sie glauben, dass das jemanden in den falschen Hals bekommen hat? Irgendetwas dass jemanden aufgeregt hat, der vielleicht vorher mit Ehrfurcht zu Vater Costas hochgeschaut hat?”
Nancy schaute auf ihre Hände. Sie spielte nervös mit ihren Händen auf ihrem Schoß, versuchte sie davon abzuhalten, zu zittern. “Ich nehme an, die gab es, aber das war bevor ich hier angefangen habe zu arbeiten. Es gab eine Geschichte, die sich vor zehn Jahren abgespielt hat, ein Bericht, den einer der einheimischen Zeitungen gebracht hat. Einer der Teenager Jungen, der eine Jugendgruppe führte, behauptete, dass Vater Costas ihn sexuell missbraucht hatte. Es war ziemlich heikel. Es gab nie Beweise und um ehrlich zu sein, Vater Costas würde so etwas niemals tun. Aber wenn so eine Nachricht erst mal jemanden in der katholischen Kirche betrifft, wird es als die Wahrheit betrachtet.”
“Was waren die Folgen nach der Geschichte?”
“Soviel ich weiß, hat er Morddrohungen bekommen. Die Besucher in der Kirche sind auf fünfzehn Prozent zurückgegangen. Er hat unerwünschte E-Mails bekommen mit homosexueller Pornografie.”
“Hat er diese Mails aufbewahrt?”, fragte Mackenzie.
“Eine Weile schon”, erwiderte Nancy. “Er sagte, die Polizei hat darauf gesetzt, aber sie konnte nie eine Verbindung herstellen. Nach dem klar war, dass man nichts machen konnte, hat er sie alle gelöscht. Ich persönlich habe sie nie gesehen.”
“Und was ist mit dem Teenager, der die Anschuldigungen gemacht hat? Wenn Sie uns seinen Namen geben könnten, könnten wir ihn einmal aufsuchen.”
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