“Wir sind Agenten White und Ellington vom FBI”, sagte sie. “Wir würden gerne mit Pastor Levins sprechen, wenn er da ist.”
Die Frau öffnete ihnen die Tür und sie traten in ein Haus, das mit schluchzen und schniefen gefüllt war. Irgendwo im Haus konnte Mackenzie Gebete murmeln hören.
“Ich rufe ihn für Sie”, sagte die Frau. “Bitte warten Sie hier.”
Mackenzie sah zu, wie die Frau zurück ins Haus ging, sie ging in ein kleines Wohnzimmer, wo ein paar Menschen in der Tür standen. Nach ein paar geflüsterten Worten kam ein großer, kahlköpfiger Mann in ihre Richtung. Wie die Frau, die die Tür geöffnet hatte, hatte er ebenfalls geweint.
“Agenten”, sagte Levins. “Kann ich Ihnen helfen?”
“Ja, ich weiß, dass das eine sehr angespannte und traurige Zeit für sie ist”, sagte Mackenzie, “aber wir hoffen, dass sie uns Informationen über Pastor Tuttle geben können. Je eher wir Hinweise bekommen, umso schneller können wir denjenigen erwischen, der das getan hat.”
“Glauben Sie, dass sein Tod mit dem von dem armen Priester am Anfang der Woche in Verbindung steht?”, fragte Levins.
“Das können wir noch nicht mit Sicherheit sagen”, erwiderte Mackenzie, obwohl sie bereits sicher war, dass es so war.
“Deswegen hofften wir, dass wir mit Ihnen sprechen könnten.”
“Natürlich”, erwiderte Levins. “Draußen auf den Treppen. Ich möchte nicht die Gebete hier unterbrechen.”
Er führte sie zurück in die Morgensonne, wo sie auf den Betonstufen Platz nahmen. “Ich muss sagen, ich bin mir nicht sicher, was Sie über Ned finden werden”, sagte Levins. “Er war ein Steh-auf Gläubiger. Abgesehen von den Problemen mit seiner Familie wüsste ich nicht, dass er irgendetwas wie eine Art Feind hatte.”
“Hatte er Freunde innerhalb der Kirche, bei denen Sie vielleicht zweifeln, dass sie moralisch oder aufrichtig sind?”, fragte Ellington.
“Jeder war mit Ned Tuttle befreundet”, sagte Levins und wischte sich eine Träne aus seinem Auge. “Der Mann war einem Heiligen so nah, wie es nur ging. Er gab regelmäßig mindestens fünfundzwanzig Prozent seines Gehalts zurück an die Kirche. Er war immer in der Stadt, hat geholfen, die Armen zu speisen und zu kleiden. Er hat Rasen für Senioren gemäht, Sachen für Witwen repariert, drei Missionsreisen nach Kenia gemacht und jedes Jahr beim medizinischen Dienst geholfen.”
“Wissen Sie etwas über seine Vergangenheit, dass vielleicht fragwürdig sein könnte?”, fragte Mackenzie.
“Nein und das sagt viel aus, weil ich viel über seine Vergangenheit weiß. Er und ich, wir haben viele Geschichten über unsere Kämpfe ausgetauscht. Und ich kann Ihnen im Vertrauen sagen, dass es unter den wenigen Sünden, die er in seiner Vergangenheit erlebt hat, nichts gab, was darauf hindeuten würde, so behandelt zu werden, wie letzte Nacht.”
“Was ist mit Menschen in der Kirche?”, fragte Mackenzie. “Gab es Mitglieder der Kirche, die sich vielleicht von etwas beleidigt fühlten, was Pastor Tuttle gesagt oder getan hat?”
Levins dachte einen Moment nach, ehe er seinen Kopf schüttelte. “Nein. Wenn es irgendein Problem gäbe, dann hat Ned mir das nicht erzählt und ich weiß nichts davon. Aber … ich kann Ihnen mit großer Sicherheit sagen, dass er keine Feinde hatte, von denen ich wusste.”
“Wissen Sie, ob –“, begann Ellington.
Aber Levins hielt seine Hand hoch, als wenn er den Kommentar vertreiben wollte. “Es tut mir sehr leid”, sagte er. “Aber ich bin recht traurig über den Verlust meines guten Freundes und ich habe viele trauernde Mitglieder meiner Kirche hier drinnen. Ich werde Ihnen jegliche Fragen beantworten, die sie vielleicht in den kommenden Tagen haben, aber ich muss mich jetzt bei Gott und meiner Gemeinde melden.”
“Natürlich”, sagte Mackenzie. “Das verstehe ich. Und es tut mir wirklich leid für Ihren Verlust.”
Levins schaffte es zu lächeln, während er aufstand. Neue Tränen liefen über sein Gesicht.
“Ich meine, was ich gesagt habe”, flüsterte er, und gab sich Mühe nicht vor ihnen zusammenzubrechen.
“Geben Sie mir einen Tag oder so. Wenn es noch Weiteres gibt, was Sie fragen wollen, lassen Sie es mich wissen. Ich würde gerne mithelfen, denjenigen, wer immer das getan hat, zur Rechenschaft zu ziehen.”
Damit ging er wieder hinein. Mackenzie und Ellington gingen zurück zum Auto, als die Sonne endlich ihren richtigen Platz am Himmel gefunden hatte. Es war schwer zu glauben, dass es erst 8.11 Uhr war.
“Was kommt als Nächstes?”, fragte Mackenzie. “Irgendwelche Ideen?”
“Naja … Ich bin jetzt seit fast vier Stunden wach und ich hatte noch keinen Kaffee heute. Das scheint ein guter Ort zum Beginnen zu sein.”
***
Zwanzig Minuten später saßen Mackenzie und Ellington sich in einem kleinen Coffee Shop gegenüber. Während sie ihren Kaffee tranken, sahen sie sich die Akten von Vater Costas an, die sie aus McGraths Büro mitgenommen hatten, sowie die digitalen Ordner von Pastor Tuttle, die Mackenzie auf ihr Handy gemailt bekommen hatte.
Neben dem Studium der Fotos gab es nicht wirklich viel anzuschauen. Sogar in dem Fall von Vater Costas, wo es Papierkram gab, gab es nicht viel zu sagen. Er war entweder von den Stichwunden in seiner Lunge oder einer tieferen Schnittwunde hinten an seinem Nacken gestorben, die tief genug war, um das weiße Glimmern seiner Wirbelsäule zu zeigen.
“Also laut diesem Bericht”, sagte Mackenzie, “waren es die Wunden von Vater Costas Körper, die ihn getötet haben. Er war wahrscheinlich schon tot, ehe er gekreuzigt wurde.”
“Und das bedeutet etwas?”, fragte Ellington.
“Ich glaube schon. Es ist klar, dass es hier eine Art religiösen Zusammenhang gibt. Das bloße Thema der Kreuzigung unterstützt das. Aber es gibt einen riesigen Unterschied zwischen der Nutzung des Aktes der Kreuzigung als eine Nachricht und der Nutzung der Symbolik der Kreuzigung.”
“Ich glaube, ich kann folgen”, sagte Ellington. “Aber du kannst gerne weiter erklären.”
“Für Christen wäre das Bild der Kreuzigung wirklich nur eine Art der Darstellung. In unserem Fall scheint der Tod als Ergebnis der Kreuzigung nicht das Ziel zu sein. Wenn das der Fall wäre, wären die Körper wahrscheinlich frei von Verletzungen. Denk mal darüber nach … das ganze Christentum wäre anders, wenn Jesus bereits tot gewesen wäre, als er ans Kreuz genagelt wurde.”
“Glaubst du also, der Mörder kreuzigt diese Männer nur zur Show?”
“Es ist zu früh, um das zu sagen”, sagte Mackenzie. Sie machte lang genug Pause, um einen ordentlichen Schluck von ihrem Kaffee zu nehmen. “Ich neige aber dennoch zu einem Nein. Beide Männer waren Geistliche … Vorstände einer Kirche, auf die eine oder andere Art. Sie so darzustellen, wie die christliche Figur, um die sich die Kirche dreht, ist auf jeden Fall ein Zeichen. Es gibt eine Art Motiv hinter all dem.”
“Du hast Jesus Christus als eine christliche Figur bezeichnet. Ich dachte, du glaubst an Gott.”
“Das tue ich”, sagte Mackenzie. “Aber nicht mit der Strenge und Überzeugung wie jemand wie Ned Tuttle. Und wenn es um Bibelgeschichten geht – die sprechende Schlange, die Arche, die Kreuzigung – Ich glaube, der Glaube muss sich hinten anstellen und sich auf etwas verlassen was eher dem blinden Glauben näherkommt. Und das ist nicht so angenehm für mich.”
“Wow”, sagte Ellington mit einem Lächeln. “Das ist tiefsinnig. Ich … ich bevorzuge lieber die Ich weiß nicht Antwort. Also … wegen des Motivs, das du erwähnt hast. Wie finden wir das?”, fragte Ellington.
“Gute Frage. Ich plane, mit der Familie von Vater Costas zu beginnen. Es steht nicht viel in den Berichten. Also ich glaube –“
Das Klingeln von Ellingtons Handy unterbrach sie. Er griff schnell danach und runzelte die Stirn, als er auf das Display schaute. “Es ist McGrath”, sagte er, ehe er antwortete.
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