1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Zwar maß der Ring gute fünfhundert Meilen in jede Richtung, doch war er in der Mitte durch einen Gebirgszug geteilt. Die Hochlande. Auf der anderen Seite der Hochlande lag das Östliche Königreich, welches die zweite Hälfte des Rings beherrschte. Und dieses Königreich, seit Jahrhunderten regiert von ihren Rivalen, den McClouds, hatte schon immer versucht, seinen zerbrechlichen Waffenstillstand mit den MacGils zu zerschmettern. Die McClouds waren ein unzufriedener Schlag, uneins mit ihrem Schicksal, davon überzeugt, ihre Seite des Königreichs läge auf weniger fruchtbarem Boden. Sie fochten auch die Hochlande an, bestanden darauf, dass die gesamte Gebirgskette ihnen gehörte, wo jedoch zumindest die Hälfte davon im Besitz der MacGils war. Es gab ewige Auseinandersetzungen an den Grenzen, und beständig drohte eine Invasion.
Die Gedanken daran versetzten MacGil in üble Laune. Die McClouds sollten doch froh sein: sie lebten in Sicherheit innerhalb des Rings, vom Canyon geschützt; sie saßen auf vorzüglichem Land und hatten nichts zu befürchten. Sie sollten sich doch einfach mit ihrer Hälfte des Rings zufrieden geben. Nur deswegen, weil MacGil seine Armee so stark vergrößert hatte, wagten die McClouds erstmals in der Geschichte keinen Angriff. Aber MacGil, als der weise König, der er war, spürte etwas am Horizont lauern; er wusste, dass dieser Friede nicht von Dauer sein konnte. So hatte er diese Vermählung seiner ältesten Tochter mit dem ältesten Prinzen der McClouds arrangiert. Und nun war der Tag gekommen.
Unter seinen Augen strömten Tausende Gefolgsleute herein, in bunte Tuniken gekleidet, aus allen Ecken des Königreichs, von beiden Seiten der Hochlande. Beinahe der gesamte Ring, und alle strömten sie ins Innere seiner Mauern. Sein Volk hatte monatelang an den Vorbereitungen gearbeitet, unter der Anweisung, dass alles wohlhabend aussehen müsse—und stark. Dies war nicht nur der Tag einer Vermählung: es war ein Tag, um den McClouds eine Botschaft zu übermitteln.
MacGil begutachtete die Hunderten seiner Soldaten, die strategisch entlang der Brustwehr, in den Straßen, entlang der Mauern in Stellung waren; mehr Soldaten, als er je brauchen könnte—und er war zufrieden. Es war genau die Präsentation von Stärke, die er wollte. Aber er fühlte sich auch unruhig: die Stimmung war geladen, reif für eine Auseinandersetzung. Er hoffte, dass von keiner der beiden Seiten irgendwelche Hitzköpfe, vom Trunk erdreistet, Streit anzetteln würden. Er blickte prüfend auf die Turnierplätze, die Spielfelder, und dachte an die kommenden Tage voller Spiele und Turniere und aller Arten von Festivitäten. Sie würden intensiv werden. Die McClouds würden bestimmt mit ihrer eigenen kleinen Armee auftauchen, und jedes Turnierreiten, jeder Ringkampf, jeder Bewerb würde eine tiefere Bedeutung haben. Wenn auch nur eines davon schief ging, könnte es zu einem Gemetzel ausarten.
„Mein König?“
Er fühlte eine sanfte Hand auf der seinen, und drehte sich zu seiner Königin um, Krea, immer noch die schönste Frau, die er je gekannt hatte. Glücklich verheiratet während seiner gesamten Herrschaftszeit, hatte sie ihm fünf Kinder geboren, drei davon Jungen, und sich nicht auch nur einmal beschwert. Darüber hinaus war sie zu seiner engsten Ratgeberin geworden. Über die Jahre hinweg hatte er gelernt, dass sie weiser war als alle seine Mannen. Sogar weiser als er selbst.
„Es ist ein politischer Tag“, sagte sie. „Aber es ist auch die Hochzeit unserer Tochter. Versuche, Freude daran zu haben. Es wird nicht zweimal passieren.“
„Ich hatte weniger Sorgen, als ich nichts hatte“, antwortete er. „Jetzt, wo wir alles haben, macht mir alles Sorgen. Wir sind in Sicherheit. Aber ich fühle mich nicht in Sicherheit.“
Sie sah ihn an mit Augen voller Mitgefühl, groß und nussbraun; sie wirkten, als läge in ihnen alle Weisheit der Welt. Ihre Augenlider hingen tief, wie schon immer, stets ein wenig schläfrig wirkend, und wurden umrahmt von ihrem wunderschönen, glatten braunen Haar, von Grau durchzogen, das zu beiden Seiten ihres Gesichts herabfiel. Sie hatte vielleicht ein paar Falten mehr, aber sie hatte sich nicht im Geringsten verändert.
„Das liegt daran, dass du nicht in Sicherheit bist“, sagte sie. „Kein König ist je sicher. Es gibt mehr Spione an unserem Hof, als du je wissen möchtest. Und so ist es eben.“
Sie lehnte sich vor und küsste ihn, und lächelte.
„Versuche, dich zu freuen“, sagte sie. „Immerhin ist es eine Hochzeit.“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ die Brustwehr.
Er blickte ihr nach, dann wandte er sich zurück zum Anblick seines Hofs. Sie hatte recht; sie hatte immer recht. Er wollte ja auch Freude daran haben. Er liebte seine älteste Tochter, und es war immerhin eine Hochzeit. Es war der schönste Tag in der schönsten Zeit des Jahres, am Gipfelpunkt des Frühlings, mit dem Sommer am Horizont, die beiden Sonnen perfekt am Himmel stehend, und der feinste Hauch einer Brise in der Luft. Alles stand in voller Blüte, rundum waren die Bäume eingefärbt in einer breiten Palette an Rosa und Lila, Orange und Weiß. Er täte nichts lieber, als sich hinunter zu seinen Mannen zu setzen, zuzusehen, wie seine Tochter verheiratet wurde, und becherweise Bier zu trinken, bis er nicht mehr konnte.
Aber das konnte er nicht. Er hatte eine lange Liste an Aufgaben zu erfüllen, bevor er überhaupt einen Schritt vor seine Burg setzen konnte. Schließlich bedeutete der Hochzeitstag einer Tochter für einen König gewisse Verpflichtungen: er musste seinen Rat einberufen; seine Kinder sprechen; sowie eine lange Reihe an Bittstellern sehen, die das Recht hatten, den König an diesem Tag zu sprechen. Er würde von Glück sprechen können, wenn er rechtzeitig zu Beginn der Zeremonie bei Sonnenuntergang aus der Burg kam.
*
In seine feinsten königlichen Gewänder gekleidet; Hosen aus schwarzem Samt, einem goldenen Gürtel, einer Königsrobe aus feinster purpurner und goldener Seide; in seinen weißen Mantel gehüllt, glänzende Lederstiefel über seine Waden gezogen, seine Krone auf den Kopf gesetzt—einem kunstvoll verzierten goldenen Reif mit einem großen Rubin, der in seine Mitte gefasst war—stolzierte MacGil durch die Hallen seiner Burg, von Bediensteten flankiert. Er schritt durch einen Raum nach dem anderen, stieg die Stiegen von der Brüstung hinab, durchquerte seine königlichen Gemächer, die große gewölbte Halle mit ihrer hochragenden Decke und den Reihen an Fenstern aus buntem Glas. Schließlich erreichte er eine alte Eichentüre, dick wie ein Baumstamm, die seine Diener für ihn öffneten, bevor sie zur Seite traten. Der Thronsaal.
Seine Ratgeber standen stramm, als MacGil eintrat und die Tür hinter ihm geräuschvoll ins Schloss fiel.
„Nehmt Platz“, sagte er, abrupter als sonst. Er war sie leid, besonders an diesem Tag, die endlosen Formalitäten des Regierens, und er wollte sie hinter sich bringen.
Er durchquerte den Thronsaal, der ihn ohne Ende beeindruckte, mit seiner fünfzig Fuß über ihm aufragenden Decke, mit einer gesamten Wand aus Buntglas, Boden und Mauern aus einem Fuß dicken Stein. Dieser Raum könnte mit Leichtigkeit einhundert Würdenträger fassen. An Tagen wie diesem jedoch, wenn sein Rat einberufen wurde, gab es nur ihn und seine Handvoll Ratgeber in dieser majestätischen Umgebung. Der Raum wurde beherrscht von einem ausladenden Tisch in Form eines Halbkreises, hinter dem seine Ratgeber standen.
Er schritt durch den Eingang, direkt durch die Mitte auf seinen Thron zu. Er stieg die steinernen Stufen hinauf, an den goldenen Löwenstatuen vorbei, und sank in die roten Samtkissen, die seinen Thron überzogen, der gänzlich aus Gold geschmiedet war. Sein Vater hatte auf diesem Thron gesessen, wie auch wiederum dessen Vater und alle MacGils vor ihm. Als er sich hinsetzte, fühlte MacGil das Gewicht seiner Ahnen—aller Generationen zusammen—auf ihm lasten.
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