Sie hatte keine Benachrichtigungen, aber prüfte jede App einzeln nur für den Fall, dass er sich entschlossen hatte, sie auf eine etwas unauffälligere Art zu kontaktieren, wie beispielsweise ein „Gefällt mir“ auf einem ihrer Fotos zu hinterlassen oder durch das Teilen eines Links zu einer relevanten Nachrichtenmeldung auf ihrer Pinnwand. Mit einem traurigen Seufzen merkte Keira, dass da nichts war. Cristiano hatte keinen Versuch unternommen, sie zu erreichen, nicht einmal ganz dezent, seit sie die Beziehung am Charles de Gaulle Flughafen beendet hatte.
Das unangenehme Gefühl in Keiras Brust ließ Keira realisieren, wie sehr sie es brauchte, ihre Freundinnen heute Abend zu sehen. Eine Party war vielleicht nicht die beste Umgebung für sie im Moment, aber Zeit mit Maxine und Shelby zu verbringen, würde ihr guttun. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte sie fühlen, dass sie sich auf menschliche Gesellschaft freute.
*
Keira eilte die Treppenstufen zu Shelby und Davids Haus hinauf. Es war eiskalt und sie trug nur in ein fast nicht existierendes, kleines schwarzes Kleid. Sie zitterte auf der Treppe, als sie immer wieder die Türklingel drückte, ungeduldig, dass jemand die Tür für sie öffnete.
Endlich öffnete sie sich und ließ Licht, Musik und Geschnatter hinaus zu Keira strömen. Sie rieb sich ihre Arme und sah hinauf zu Rob, Davids Bruder, der dort in der Tür stand.
„Hallo“, sagte er und sah an ihr hinauf und hinunter. Dann zeigte sich ein amüsiertes Stirnrunzeln zwischen seinen Augenbrauen. „Keira Swanson? Bist du es wirklich?“
„Ja“, antwortete Keira. „Kann ich hereinkommen? Ich bin am Erfrieren!“
„Natürlich!“, antwortete Rob und ging einen Schritt zur Seite. Keira eilte an ihm vorbei, aus der Dunkelheit hinein in den hell beleuchteten Flur. Er schloss die Tür hinter ihr. „Ich habe dich nicht erkannt. Du hast dich verändert.“
„Ich bin keine einundzwanzig mehr, falls es das ist, was du meinst“, antwortete Keira, als sie ihre Jacke auszog.
Rob nahm ihre Jacke ab und hängte sie auf einen freien Haken. „War das, als wir uns das letzte Mal gesehen haben?“
Keira nickte. „Ja. College Abschlussfeier.“ Die Hitze der Wohnung begann sie aufzuwärmen und sie hörte auf, ihre Arme so heftig zu rubbeln. „Also, wie geht es dir?“, fragte sie Rob in einem Versuch freundlichen Small Talk zu führen.
„Mir geht’s großartig“, antwortete er strahlend. „Ja, alles ist gut.“ Er kratze seinen Kopf, offenbar unsicher, was er sagen sollte. „Ähem, warum kommst du nicht rein?“
„Klar“, sagte Keira.
Mit einladender Handbewegung deutete er auf die Küchentür. Keira folgte den Geräuschen in Richtung Küche. David und Shelby hatten ein schönes Haus, insbesondere wenn man in Betracht zog, dass niemand sonst in ihrem Freundeskreis in der Lage war, bereits ein eigenes Haus zu kaufen. Zur Hölle, Keira konnte noch nicht einmal genug Geld zusammenkriegen, um die Kaution für eine Mietwohnung zu bezahlen!
Sie fand die anderen in der Küche, wo Shelby neben der großen Kücheninsel hockte und mit einigen Leuten redete, die Keira nicht kannte. Arbeitskollegen, schlussfolgerte Keira. Sie sahen alle hübsch zurechtgemacht aus mit ordentlichen Haaren, trendigen Outfits und selbstbewussten Lächeln. Keira fühlte sich plötzlich sehr unwohl in der Gegenwart dieser offensichtlich ruhigen, gefassten anderen Freunde von Shelby.
„Keira!“, rief Shelby aus, als sie Notiz von ihr nahm. „Du bist gekommen!“ Sie stellte ihr Glas klirrend auf die Küchenbank und wankte zu ihrer Freundin, ganz offensichtlich war sie schon etwas angetrunken. „Oh mein Gott, ich hätte nie gedacht, dich jemals wiederzusehen“, übertrieb sie und warf ihre Arme um Keiras Hals, um sie zu drücken.
Keira strich über den Arm, der sie würgte. „Sei nicht albern“, quietschte sie. „Ich habe mir nur eine Auszeit gegönnt.“
Shelby löste sich aus der engen Umarmung und sah an ihr auf und ab. „Wow, du siehst umwerfend aus!“ Sie zupfte das Material von Keiras Kleid mit den Fingern und ließ es zurück gegen ihre Hüfte schnippen. Dann drehte sie sich um und wandte sich an die Freunde im Raum. „Seht mal, wie umwerfend meine Freundin Keira aussieht!“, rief sie aus. „UND sie ist SINGLE!“
Keira errötete sofort. „Bitte, Shelby“, stotterte sie aus dem Mundwinkel. Sie fühlte sich nicht sonderlich attraktiv, insbesondere dank der extra Kilos, die sie in der letzten Zeit zugelegt hatte.
„Was denn?“, kicherte Shelby. „Du bist wieder zu haben und ich habe einige sehr gutaussehende Freunde. Und Süße, dein Hintern sieht fantastisch aus.“
„Es gibt einen Unterschied zwischen fantastisch und fett“, stammelte Keira. „Und ich bin noch nicht für etwas Neues bereit. Das ist buchstäblich mein erster Abend seit über zwei Wochen, an dem ich nicht Trübsal blase.“
„Okay, okay“, antwortete Shelby und rollte mit ihren Augen. „Ich werde dich nicht drängen. Aber ich hole dir ein Glas Wein.“ Sie grinste verschmitzt.
„Nein!“, protestierte Keira. Sie wusste nur zu gut, was für eine hemmungslose Betrunkene sie sein konnte und wie sie viel zu leicht zu viel trank, besonders, wenn sie so emotional war. Alkohol war das Letzte, was sie jetzt brauchte.
Aber es war zu spät. Ein überfülltes Glas mit Weißwein wurde durch die Menge zu ihr gereicht. Sie nahm es aus einer ausgestreckten, körperlosen Hand und versuchte durch die Lücke zwischen den Köpfen zu sehen, wer es war, der es ihr reichte.
„MAX!“, heulte Keira, als sie endlich bemerkte, dass die Hand zu ihrer anderen besten Freundin gehörte.
Max drückte sich durch eine kleine Lücke zwischen zwei Typen hindurch, die großgewachsen und unbeweglich dort standen und umarmte Keira.
„Hallo Fremde“, sagte sie. „Es ist so schön dich zu sehen.“ Sie lösten sich voneinander und Maxine lächelte sie an, ihre dunklen Augen glitzerten mit Fürsorge. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, ich habe sogar eine Nachricht an deine Schwester geschickt.“
Keiras Augenbraue zog sich hoch. Maxine und Bryn konnten sich nicht ausstehen. Irgendein unerklärlicher Streit, an dessen Anfang sie sich beide nicht erinnern konnten, ließ ihre Beziehung im besten Fall frostig erscheinen.
„Davon hat sie mir nichts gesagt“, sagte Keira.
„Natürlich hat sie das nicht“, antwortete Maxine und rollte mit den Augen. „Egal, ich freue mich, dass du jetzt hier bist. Jetzt kann ich dir persönlich ins Gesicht sagen, dass du eine starke, mächtige, wundervolle Frau bist, die nicht von einem Mann definiert wird.“
Keira lachte. Es fühlte sich an, wie das erste echte Lächeln, das sie seit Tagen gelächelt hatte.
„Danke, Max“, sagte sie und stupste ihre Freundin an.
Sie fühlte sich ein wenig glücklicher und nippte an ihrem Wein. Er war gut, mit einem delikaten, leichten Geschmack. Sofort konnte sie sich Cristianos Stimme in ihrem Kopf vorstellen, wie er ihr sagte, der Wein würde wunderbar zu Meeresfrüchten passen. Sie fühlte einen Anfall von Verlust über sich kommen.
„Hast du bemerkt, dass Rob dich anstarrt?“, fragte Maxime plötzlich und unterbrach ihre Gedanken.
„Nein“, sagte Keira und sah hinüber zu ihm. Er stand auf der anderen Seite der Küche und lehnte sich gegen den Kühlschrank. Er sah sofort weg.
„Du solltest mit ihm reden“, drängte Maxine. „Er scheint dich zu mögen.“
Keira schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht im richtigen Zustand im Moment, um gemocht zu werden. Cristiano war meine Ablenkung von Shane, erinnerst du dich? Und schau, wie das geendet ist.“
„Shane war die Ablenkung von Zach“, erinnerte sie Maxine. „Und das war die beste Entscheidung, die du in einer Weile für dich getroffen hast.“
Keira schüttelte wieder ihren Kopf. Sie sprach mit leiser Stimme: „Kann ich bitte nur einen Abend haben, ohne an irgendwelche Beziehungen denken zu müssen?“
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