Endlich blickte er mit geweiteten Nasenlöchern auf. „Was zum Teufel ist das!“
Keira schreckte hoch. Sie hätte sich keine schlimmere Sache vorstellen können, die er dazu sagen könnte.
„Was stimmt damit nicht?“, fragte sie und versuchte in Gedanken, irgendwelche offensichtlichen Fehler zu finden. Hatte sie aus Versehen einen falschen Ländernamen benutzt: Schweiz, vielleicht, anstelle von Schweden?
„Was damit nicht stimmt?“, wiederholte Elliot und wurde noch irritierter. „Was nicht stimmt, ist, dass du eine Romantik-Autorin bist, die kein verdammtes romantisches Ende schreiben kann! Julia hat Romeo nicht verlassen! Lizzy Bennet hat Mr. Darcy nicht am Flughafen zurückgelassen! Und Catherine hat es mit Heathcliff nicht einfach im Sande verlaufen lassen!“
„Man muss fairerweise sagen, dass keines dieser speziellen Beispiele besonders gesunde romanti –“
„Das ist mir egal!“, schnappte Elliot und unterbrach sie. „Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber Romantik ist nicht unbedingt meine starke Seite. Aber sogar ich weiß, dass die zwei Hauptfiguren nicht einfach reif miteinander Schluss machen! Bei Shane gab es die ganze Geschichte mit dem toten Vater. Gold! Cristiano war der verschmähte Schürzenjäger! Zauberhaft! Aber Milo? Milo … was … driftet einfach davon?“
Keira musste hart schlucken. Sie konnte sich nicht wirklich selbst verteidigen. „Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Es ist die Wahrheit und ich denke, meine Leser wissen das zu schätzen. Ich konnte nicht lügen, wie die Skandinavier ihre Beziehungen angehen oder darüber, was ich gelernt habe, als ich dort war.“
Elliot schüttelte den Artikel. „Du hast buchstäblich hier geschrieben, dass das, was du mit Milo hattest, nicht mit Worten beschrieben werden kann! Keira, dein ganzer Zweck ist es, über Beziehungen zu schreiben und du nennst es noch nicht einmal beim Namen!“ Er atmete tief durch und sein Kopf versank in seinen Händen. „Die Leser werden es hassen.“
„Ich stimme dir nicht zu“, antwortet Keira mutig. „Ich habe meine Leser überall auf der Welt getroffen. Sie wollen die Wahrheit. Sie respektieren meine Ehrlichkeit.“
Aber Elliot hört nicht zu. „Wir haben keine Zeit, es umzuschreiben. Wir sind zum Scheitern verurteilt.“
„Ich kenne meine Leser“, sagte Keira noch einmal intensiver. „Du wirst mir vertrauen müssen.“
Und als sie sah, dass Elliot noch immer vor sich hin murmelte und ihr keinerlei Beachtung schenkte, haute sie mit ihrer Faust auf den Tisch. Er zuckte erschrocken zusammen.
„Vertraue mir“, sagte Keira noch einmal ernst durch ihre Zähne. „Ich weiß, was ich tue.“
Elliot starrte sie eine lange Zeit still an. Endlich sagte er etwas: „Hoffentlich hast du recht.“
Später an diesem Abend klingelte Keira an der Wohnungstür ihrer Mutter. Einen Moment danach wurde die Tür geöffnet. Aber es war nicht Mallory, die dort stand. Sondern es war Bryn.
„Ich bin VERLOBT!“, kreischte Bryn.
Keira blinzelte, als ihre Schwester ihre linke Hand hochhielt und einen riesigen, glitzernden Diamantring vorzeigte. Ihr Grinsen war größer als je zuvor, als sie gespannt dort stand und darauf wartete, dass Keira etwas sagte. Aber Keira blinzelte immer noch.
„Oh“, war alles, was sie hinkriegte.
Bryns Gesichtsausdruck veränderte sich vom Hochgefühl zu Schmerz, als die Tür vollständig geöffnet wurde und Felix hinter ihr erschien. Er rollte mit seinen Augen.
„Sie sollte das eigentlich beim Abendessen verkünden“, sagte er und lächelte Bryn mit einer liebevollen und gleichzeitig väterlich ernsthaften Art an.
„Ich konnte einfach nicht abwarten“, antwortete Bryn und sah ihn mit ihren großen Kulleraugen an.
Keira runzelte die Stirn.
Felix wandte seine Aufmerksamkeit nun wieder Keira zu. „Willkommen zurück“, sagte er. „Komm rein und raus aus der Kälte.“
Keira trat ein. Aus der Küche konnte sie hören, wie Mallory rief: „Ist das Keira?“
„JA!“, rief Bryn laut über ihre Schulter, bevor sie sich sofort wieder ihrer Schwester zuwandte: „Also? Willst du gar nichts sagen?“, forderte sie testend. „Herzlichen Glückwunsch, zum Beispiel?“
„Natürlich“, sagte Keira, die sich aus ihrem verblüfften Tagtraum zurück in die Gegenwart holte. „Herzlichen Glückwunsch, für euch beide.“ Sie küsste sie nacheinander auf die Wangen. „Ich bin nur so geschockt. Es kommt so … plötzlich.“
Bryn kniff die Augen zusammen. „Sagt das Mädchen, das sich jeden Monat neu verliebt.“
„Sei nett“, warnte Felix sie. Er wandte sich an Keira und fügte hinzu: „Ich weiß, es sieht etwas überstürzt aus, aber ich werde ja nicht jünger.“
Das kannst du laut sagen, dachte Keira.
In dem Moment kam Mallory mit einer großen Auflaufform aus der Küche. Ihre Haare waren ein wildes Durcheinander und sie sah genauso zerstreut aus wie immer.
„Abendessen“, erklärte sie. „Setzt euch bitte alle hin.“
Keira legte schnell ihre Jacke ab und setzte sich an ihren Platz an den Tisch. Mallory schob einen Teller mit Nudeln mit Käsesauce, Salat und Knoblauchbrot in ihre Richtung.
„Danke, Mom“, sagte Keira und nahm ihren Teller. „Und, hallo.“
„Ja, ja, hallo, mein Schatz“, antwortete Mallory und ihre Aufmerksamkeit galt bereits der nächsten Portion Essen, die sie für Felix auftat. „Große Neuigkeiten, hey? Ich hätte nie gedacht, dass deine Schwester zuerst heiraten würde.“
„MOM!“, riefen beide Swanson Schwestern gleichzeitig laut.
„Nun, ihr könnt mich nicht beschuldigen“, antwortete Mallory und fuhr in ihrer normalen abrupten, taktlosen Art fort. „Keira war immer mehr der häusliche Typ und sie war ja auch lange genug mit Zach zusammen. Ich dachte, Bryn, dass du nicht heiraten wolltest, wegen der Dinge, die zwischen mir und eurem Vater passiert sind.“
„Oh, Mutter, bitte“, schnauzte Bryn und nahm den Teller, den Mallory ihr hinhielt. „Wir werden das Abendessen zu Ehren meiner Verlobung nicht zu einer Mitleidsparty für deine Scheidung machen.“
Mallory stieß ein erbärmliches Seufzen aus.
„Ich denke, was Bryn sagen möchte“, sagte Felix in seiner ruhigen väterlichen Art, „ist, dass wir sehr glücklich sind, mit euch beiden zu feiern und dass wir hoffen, dass ihr unsere Freude und Aufregung mit uns teilen könnt.“
Keira konnte nicht anders, als ein Prusten des Spottes auszustoßen. Sie hatte nichts gegen Felix als Person, aber der Fakt, dass er mit ihrer Schwester ausging – nein, sie sogar heiratete – einem Mädchen, das nur halb so alt war wie er, minderte definitiv ihren Eindruck von ihm. Wenn man dann Bryns offensichtliche Vater-Probleme mit in den Mix warf, wurde Keira von der Sache noch schlechter.
„Ja“, stimmte Bryn zu und wandte ihre Aufmerksamkeit an Keira: „Und ich habe gehofft, dass du meine erste Brautjungfer wirst.“
Keira erstickte fast an ihrer Gurke. „Wirklich?“
„Wen würde ich sonst fragen?“, antwortete Bryn.
Keira war ehrlich gerührt, dass ihre Schwester sie als ihre erste Brautjungfer haben wollte. Sie entschied sich, ihre eigene Meinung beiseite zu legen und sich für Bryn zu freuen. Es war schließlich ihr Leben. Wenn Sie es wirklich mit einem über sechzigjährigem Vater-Ersatz verbringen wollte, dann ging es wirklich nur sie selbst etwas an.
„Das würde ich liebend gern tun“, sagte Keira zu ihr. „Vielen Dank.“
Bryn lächelte, offensichtlich glücklich, dass Keira akzeptiert hatte. Dann schaltete sie sofort in ihren herumkommandierenden Modus um: „Also, du musst deiner Arbeit sagen, dass du vorläufig für keine weiteren Aufträge reisen kannst. Du kannst nicht alle fünf Minuten das Land verlassen. Ich brauche meine erste Brautjungfer zum Anprobieren von Kleidern, zum Kuchen testen und Veranstaltungsort buchen. Ich werde nicht zulassen, dass du meine Hochzeit ruinierst.“
Читать дальше