Allerdings sehen manche Tarifverträge sog. Spannenklauselnvor, d.h. ein außertariflicher Mitarbeiter hat z.B. Anspruch auf eine Vergütung, die mindestens 5 % über dem Tarifentgelt liegt.
85
Dies allerdings ist nicht gesetzlich vorgegeben, sondern hängt vom einzelnen Tarifvertrag ab. Ebenso findet sich häufig eine Klausel zu generellen Mindestbedingungen für außertariflich Beschäftigte.
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Beispiel:62
Arbeitnehmer, deren Aufgabengebiet höhere Anforderungen stellt als die höchste tarifliche Beschäftigungsgruppe verlangt und deren Entgelt und allgemeine Arbeitsbedingungen im Ganzen gesehen die tariflichen Mindestbestimmungen überschreiten.
In diesem Fall muss die Gesamtheit aller (materiellen) Bedingungen mindestens das höchste tarifliche Maß überschreiten.
3. Mitbestimmung des Betriebsrats für Entgeltsysteme
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Eine betriebliche Regelung ist durch den Betriebsrat jedenfalls dann mitbestimmt, wenn der Arbeitgeber gewisse Regelmäßigkeiten bei der Vergütungszusage anwendet, also eine gewisse Systematik besteht63 – wobei sich die Mitbestimmung auf die Systematikbeschränkt (z.B. Breite von Entgeltbändern, System der Bänder zueinander) und nicht die konkrete Vergütungshöhe erfasst. Weitere Erläuterungen hierzu in Kap. 5 (AT-Vergütung) und Kap. 12 (Mitbestimmung bei Entgeltsystemen).
60MASIG-Reiserer, 532 Rn. 22 f. 61Ständige Rspr. des BAG, etwa BAG 18.4.2007, 4 AZR 696/05, NZA-RR 2008, 144. 62§ 1 Nr. 2 Manteltarifvertrag für die chemische Industrie. 63Vgl. v. Hoyningen-Huene, NZA 1998, 1081; Richardi, NZA-Beil. 2014, 155.
V. Übertarifliche Entgeltbestandteile
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Zu unterscheiden ist zwischen übertariflichenund außertariflichenZulagen: Während eine „außertarifliche“ Regelung Gegenstände betrifft, die die einschlägigen tariflichen Bestimmungen überhaupt nicht vorsehen, knüpft eine „übertarifliche“ Regelung an den tariflichen Gegenstand an, setzt ihn gleichsam voraus und geht über die tariflich normierten Mindestbedingungen hinaus.64
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Vereinfacht gesagt: die Erhöhung oder ein „Zuschlag“ auf eine tarifliche Leistung ist übertariflich, eine Leistung, die der Tarifvertrag überhaupt nicht vorsieht außertariflich. Beträgt also das monatliche Entgelt 3.500 EUR und ein Arbeitgeber zahlt 3.800 EUR monatlich, liegt in der Regel eine übertarifliche Zulage („ütZ“) vor. Zahlt der Arbeitgeber ein Ostergeld, das der Tarifvertrag gar nicht vorsieht, liegt ein außertariflicher Entgeltbestandteil vor. Dieser Unterschied kann bedeutsam sein, denn üblicherweise sind übertarifliche Zulagen auf Tariferhöhungen – sei es wegen der Entgeltrunde oder einer Höhergruppierung – anrechenbar65 (allerdings unter Umständen mitbestimmt),66 wohingegen dies bei außertariflichen Zulagen fraglich sein dürfte und jedenfalls ein (wirksamer) Widerrufsvorbehalt vereinbart oder eine Freiwilligkeitsklausel zugrunde liegen sollte.
64BAG 7.2.2007, 5 AZR 41/06, NZA 2007, 934. 65Vgl. etwa BAG 1.3.2006, 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688. 66BAG 23.10.1996, 1 AZR 299/96, BeckRS 1996, 30764621.
Schrifttum: Annuß , Entgeltmitbestimmung und Arbeitsvertrag, RdA 2014, 193; G. Berger , Die neuere Rechtsprechung zur Eingruppierung von nichttarifgebundenen Arbeitnehmern, SAE 2015, 78; Boemke , Das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG, ZfA 1992, 473; Creutzfeldt , Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag, JArbR 2015, 25; Creutzfeldt/Eylert , Anmerkungen zum Verfahren nach § 99 BetrVG bei Ein-und Umgruppierungen, FS Klebe, 2018, S. 77; Jacobs/Frieling , Pflicht zur Eingruppierung in eine nicht auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Vergütungsordnung?, FS v. Hoyningen-Huene, S. 177; Kleinebrink , Folgen einer fehlerhaften tarifvertraglichen Eingruppierung in der Privatwirtschaft, NZA-RR 2014, 113; Kleinebrink , Bedeutung und Technik der Eingruppierung, BB 2013, 2357; Krasemann , Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O, 8. Aufl. 2005; Kreft , Mitbestimmung bei Änderung von Entlohnungsgrundsätzen, FS Bepler, S. 317; Lorenz-Schmidt , Die Eingruppierung folgt der Arbeitsorganisation, ZTR 2011, 72; Reichold , Tarifliche Vergütungsordnung – Betriebliche „Allgemeinverbindlichkeit“ kraft Mitbestimmungspflicht, RdA 2013, 108; Salamon , § 87 BetrVG als Geltungsgrund tariflicher Vergütungsordnungen für Außenseiter?, NZA 2012, 899; Seel , Fehlerhafte Eingruppierung – Welchen Voraussetzungen unterliegt eine Eingruppierungskorrektur?, öAT 2011, 95.
Übersicht
I. Einleitung |
1 |
1. Die individualrechtliche Eingruppierung als Grundlage der konkreten Entgeltbestimmung |
2 |
2. Die betriebsverfassungsrechtliche Eingruppierung |
5 |
3. Die Eingruppierung im engeren Sinn |
6 |
II. Die individualrechtliche Eingruppierung |
7 |
1. System einer Vergütungsordnung und der in ihr enthaltenen Tätigkeitsmerkmale |
7 |
a) Schranken der Tarifautonomie beim Entgeltsystem |
8 |
b) Aufbau einer Entgeltordnung |
10 |
c) Tarifliche Richt-, Tätigkeits- oder Regelbeispiele |
21 |
2. Die rechtlichen Grundlagen für die Verbindlichkeit des Entgeltschemas im Arbeitsverhältnis |
28 |
a) Normative Geltung eines tarifvertraglichen Vergütungssystems |
29 |
b) Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag |
31 |
c) Die Benennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag |
36 |
d) Die Anwendung des Tarifvertrags durch betriebliche Übung |
41 |
3. Die Bestimmung der zu bewertenden „Arbeitseinheit“ |
42 |
a) Die Notwendigkeit einer Zusammenfassung von Arbeitsschritten |
43 |
b) Das allgemeine „Muster“ des öffentlichen Dienstes |
48 |
4. Der Zuordnungsvorgang der Eingruppierung |
56 |
a) Die Anwendung der Tätigkeitsmerkmale |
56 |
b) Bedeutung der Erst-Eingruppierung |
59 |
c) Umgruppierung |
63 |
5. Die gerichtliche Überprüfung der Eingruppierung |
70 |
a) Antrag |
71 |
b) Darlegungs- und Beweislast |
73 |
III. Die „betriebsverfassungsrechtliche Eingruppierung“ |
74 |
1. Rechtsgrundlage für die betriebsverfassungsrechtliche Eingruppierung |
75 |
2. Das „betriebliche Entgeltschema“ |
76 |
3. Die Pflicht zur betriebsverfassungsrechtlichen Eingruppierung |
81 |
4. Das Eingruppierungszustimmungsverfahren |
84 |
a) Die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber |
85 |
b) Die Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrats |
86 |
c) Das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren |
89 |
5. Rechtsfolgen der betriebsverfassungsrechtlichen Eingruppierung für das einzelne Arbeitsverhältnis |
90 |
IV. Fazit |
92 |
1
Die Notwendigkeit oder gar die rechtliche Verpflichtung zu einer Eingruppierung kann sich einem Arbeitgeber in verschiedenen Situationen stellen. Dabei wird es in der Praxis meist um die Frage der Zuordnung der zu bewertenden Tätigkeit zu einer von meist nur zwei, seltener auch von drei möglichen Entgeltgruppen einer Vergütungsordnung gehen. Nicht immer sind dabei die Grundlagen und allgemeinen Voraussetzungen der Eingruppierung in vollem Umfang notwendig heranzuziehen, mit denen sich dieser Beitrag beschäftigt. Gleichwohl soll er sowohl allgemein die Prinzipien verdeutlichen, die bei dem Vorgang der Eingruppierung von Bedeutung sind, als auch Einzelheiten der praktischen betrieblichen Anwendung in den verschiedenen Bereichen des Arbeitslebens aufzeigen. Dabei tritt die Eingruppierung im betrieblichen Alltag in zwei voneinander streng zu unterscheidenden Formen auf, nämlich als individualrechtliche und als betriebsverfassungsrechtliche Eingruppierung.
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