1 ...8 9 10 12 13 14 ...26 „Ah, eine verkackte Trinkerin also. Verstehe.“ Zuerst spielte Lucas mit dem Gedanken, ihn auf die Sache mit dem Arm anzusprechen, ließ es jedoch lieber bleiben. Es hatte ohnehin den Eindruck, dass man Bastian schnell hätte vergraulen können.
„Ja, sie erscheint ziemlich oft schon angetrunken zum Unterricht. Hat auch ständig eine Fahne. Aber …“
„Es gibt ein aber?“
„Sie ist eigentlich ganz nett. Immer, wenn wir einen Test schreiben, gehen wir die Antworten vorher durch.“
„Wie jetzt?“
„In der ersten Stunde lehrt sie uns die Antworten, die einfacher wirklich nicht sein könnten, und in der zweiten Stunde schreiben wir dann die Arbeit.“
„Also bekommt jeder immer die volle Punktzahl.“ Lucas war sich da ziemlich sicher.
„Nein.“
„Wie jetzt?“
„Nur die wenigstens bekommen eine Eins. Die meisten schaffen gerade mal so eine Zwei oder eine Drei. Aber auch Vieren, gar Fünfen sind üblich.“
„Laber!“
„Ist so.“
„Krasser Scheiß!“
„Total krasser Scheiß“, stimmte Bastian ihm zu.
„Du gehst in die Neunte, oder?“
„Jupp.“
„Sehr bedauerlich.“
„Was meinst du?“
„Wenn du in meiner wärst, in der Zehnten, hätten wir auf alle Fälle ’ne Menge Spaß.“
„Da könnte ich mich doch glatt in den Hintern beißen, dass ich in der Achten patzen geblieben bin.“
„Ohne Scheiß?“
Eigentlich behielt Bastian dies gerne für sich. Warum es ihm so leicht über die Lippen gegangen war, wusste er selbst nicht. „Ja, ähm …“ Beschämt lächelte er.
„Ey, ich halt dir keinen Vortrag oder so. Bin selbst sitzen geblieben …“ Mit dem Blick himmelwärts wackelte er nachdenklich mit dem Kopf. „Zweimal“, gestand er.
„Halt dir auch keinen Vortrag“, versprach Bastian schmunzelnd.
„Danke. Finde ich sehr nett.“
Kurz sahen sie einander kichernd an.
„Sie geht weg“, erkannte Bastian.
„Sie taumelt“, korrigierte Lucas.
„Oder so.“
Das Klingelzeichen zum Ende der Pause ertönte.
„Und jetzt sollten wir uns beeilen.“ Bastian legte an Tempo zu.
„Wieso so eilig?“, wunderte Lucas sich und hastete hinterher.
„Weil sie ziemlich schnell die Türen verschließen.“
„Ist doch voll der verfickte Scheiß, Mann! Dafür, dass du keinen Sport treibst, bist ganz schön flott.“
„Entschuldige.“ Stehen bleiben war trotzdem keine Option. Sie erreichten den Schulhof.
„Treffen wir uns in der nächsten Pause wieder hier?“
Auf diese Frage hatte Bastian nur gewartet. „Ja, klar, warum denn nicht?“
„Cool.“
Bastian sah die Lehrerin, die schon dabei war, die Türen zu schließen. „Warten Sie, bitte!“, rief er und rannte auf sie zu.
„Aber schnell“, sagte sie ungeduldig und ließ die beiden ausnahmsweise noch hinein.
„Danke Ihnen.“ Bastian flitzte an ihr vorbei.
Lucas hob, als er sie flüchtig ansah, nur kurz die Mundwinkel an. Solche Frauen kannte er zu Genüge. Und es war eindeutig, dass diese Person eine Alkoholikerin war. „Hey, Basti!“
Fragend schaute Bastian, als er die Tür aufzog, über die Schulter. „Hm?“ Dieses Grienen fand er frech, aber auch verdammt süß. „Was denn?“
„Lass dich nicht unterkriegen“, bat Lucas mit einem charmanten Lächeln.
Bastian spitzte grinsend die Lippen und blieb vor seiner Klasse stehen. „Werde ich nicht.“
„Versprochen?“
Warum Lucas das so wichtig schien, kapierte er zwar nicht, aber diese Worte fühlten sich wohltuend an. Richtig erfrischend und energiebringend. „Dann bis nachher.“
„Und immer fleißig lernen“, feixte Lucas, ehe er sich umwandte.
Bastian sah ihm verträumt nach. Mann, dieser Hintern!
Ob er noch guckt? Lucas sah über die Schulter und lächelte erfreut.
Bastian hingegen war das total peinlich. Verlegen hielt er sich die Hände vors Gesicht und atmete tief durch, bevor er die Klassentür öffnete.
Verdutzt blickte Frau Pan zu ihm auf. „Wo kommst du denn jetzt bitte her?“
„Häh?“ Bastian war noch ganz duselig in der Birne. „Was?“
Die Schüler begannen zu kichern und zu tuscheln.
„Wir haben Unterricht“, erinnerte die Lehrerin ihn.
Bastian, der weiterhin wie festgenagelt an der Tür stand, nickte nur.
„Wärst du dann vielleicht mal so freundlich“, forderte die Lehrerin ihn mit einer Geste zum Stuhl hin auf, „und würdest dich endlich setzen?“
„Aber sicher doch.“
Miranda konnte es sich nicht verkneifen. „Haste dich wieder knallen lassen, ja?“
Was auch immer da mit Bastian geschah, Miranda schien auf einmal so unbedeutend und klein, als er zu ihr blickte.
„Was guckste denn so blöd?“, regte sie sich auf.
Bastian gab einen belustigten Laut von sich, als er zu seinem Platz ging.
„Der lacht dich aus!“ Aidin war entsetzt. „Der hat dich ausgelacht!“
Gerade, als die Lehrerin das Großmaul zum Schweigen bringen wollte, wurde sie von Bastians Worten überrascht.
„Jetzt wo ich dich so anschaue, fällt mir ein, dass ich vergessen habe, den Müll runterzubringen.“
Ein Gelächter schallte durch den Raum. Auch Frau Pan schmunzelte. Nur Miranda und Aidin stand der Mund fassungslos offen.
„Hast du das gehört?!“, fragte Aidin ihre Freundin. „Hast du das gehört?“
„Hm-hm“, knurrte Miranda. „Ich geb dem gleich!“ Das Lachen der anderen machte sie fortwährend wütender. „Wenigstens bin ich kein Arschficker!“, konterte sie.
„Wow“, tat Bastian einen auf gekränkt. „Der hat gesessen.“
„Ganz schön frech!“, meldete Aidin sich zu Wort.
„Ja und ich“, sagte Miranda laut, nachdem ihr ein passender Spruch eingefallen war, „habe gestern deine Eltern gesehen. Waren zwei ältere Herren. Mit denen machste wohl auch rum!“
„Weißt du Miranda?“, sagte Bastian. „Ich habe schon gegen Dinge gepinkelt, die bei weitem klüger waren als du.“ Abermals lachten seine Mitschüler. Selbst Frau Pan konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
Vor Wut lief Miranda hochrot an. „Du bist schwul!“
„Ja und wenn ich dein Gesicht hätte, würde ich lachend in eine Kreissäge laufen. Okay?“ Aufs Neue lachten die anderen. „Hätten wir das jetzt also geklärt, ja?“
Miranda schossen Tränen des Zorns in die Augen. „Du wirst schon noch sehen, was du davon hast!“
Kichernd ging die Lehrerin dazwischen. „Wären wir dann jetzt fertig, ja?“ Erfreut darüber, dass sich ihr Schüler endlich mal zur Wehr gesetzt hatte, lächelte sie Bastian an.
Was auch immer mit Bastian geschehen war, er fühlte sich großartig. War Lucas etwa der Grund dafür? Immerhin hatte der Athletische gesagt, dass er sich nicht unterkriegen lassen sollte. Während des Unterrichts musste Bastian sich des Öfteren richtig zusammenreißen, um nicht breit zu lächeln oder ausgelassen drauf loszulachen. Irgendwann fing er sogar an, Lucas‘ Namen wieder und wieder in sein Schulheft zu kritzeln. Erst als die Seite voll war und er schnallte, was er da eigentlich getan hatte, wurde es ihm ein wenig peinlich. Wenn das jemand sieht, dachte er. In aller Stille blätterte er um und schaute dabei zur Tafel. Es sollte ja nicht auffallen.
Auf die Pause wartend, wippte Lucas nervös mit dem Fuß auf und ab. Fast schon im Sekundentakt sah er auf seine Armbanduhr. Die Zeit wollte nicht vergehen. Besonders die letzten Minuten zogen sich ungewöhnlich in die Länge.
Das Klingelzeichen zur langersehnten Pause ertönte.
„Ja, endlich!“ Lucas packte schleunigst seinen Kram zusammen und eilte aus dem Klassenzimmer. So aufgeregt hatte er sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt. Er versuchte zwischen all den Köpfen Bastian ausfindig zu machen. „Hey, yo, Basti!“, rief Lucas, als er ihn auf dem Hof erblickte. „Warte auf mich!“
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