MARGIT ECKHOLT
MIT MARIARÄUME DES GLAUBENS ÖFFNEN
Band 8 der Reihe „Spiritualität und Seelsorge“, die von P. Martin Leitgöb und P. Hans Schalk im Auftrag der Ordensgemeinschaft der Redemptoristen herausgegeben wird.
Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung:
S. 23
und S. 70: Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © Katholische Bibelanstalt, Stuttgart 1980. S. 41
: Kurt Marti, Der Traum, geboren zu sein. Ausgewählte Gedichte © 2003 Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag München.
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
2015
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung: stadthaus 38, Innsbruck
Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag
Alle Abbildungen stammen von der Autorin, ausgenommen „Das Paradiesgärtlein“ ( www.staedelmuseum.de) Lithografie: Artilitho, Lavis (I) Druck und Bindung: Alcione, Lavis (I) ISBN 978-3-7022-3477-5 ( gedrucktes Buch ) ISBN 978-3-7022-3500-0 ( E-Book ) E-Mail: buchverlag@tyrolia.atInternet: www.tyrolia-verlag.at
LEBEN UND GLAUBEN VERKNÜPFEN
Mit Maria Räume des Lebens öffnen
RÄUME, KREUZUNGEN UND ZWISCHENRÄUME
Befreiende interkulturelle Marien-Räume
DIE FRAU AUS DEM VOLK
Mit Maria biblische Räume betreten
RAUM DES UNRÄUMLICHEN GOTTES
Mit Maria Räume des Glaubens öffnen
TYPUS DER GLAUBENDEN UND DER KIRCHE
Mit Maria Räume der Kirche erschließen
MARIA PEREGRINA
Offene Räume in einer Welt in Bewegung
THEOLOGIN DES VOLKES
Mit Maria Räume der Weisheit öffnen
DIE FRAU AUS DEM VOLK, AUF DEM WEG MIT UNS
Anmerkungen
Meinem Vater zu seinem
85. Geburtstag gewidmet
LEBEN UND GLAUBEN VERKNÜPFEN
Mit Maria Räume des Lebens öffnen
LEBEN UND GLAUBEN NEU WIEDER ZUM KLINGEN BRINGEN
Auch in Zeiten des Wegbrechens von Zugehörigkeiten zu christlichen Gemeinden, des Verlustes von Bindungen an die Kirche und einer immer größeren Distanzierung zur Kirche als Institution bleiben für viele Männer und Frauen über Wallfahrtsorte und in Gemeinden und Familien tradierte Praktiken der Volksfrömmigkeit – vor allem der marianischen – weiterhin von Bedeutung: das Marienbild in der Wohnung; das Licht, das vor dem Marienaltar im Dom angezündet wird; ein Sich-auf-den-Weg-Machen an bestimmten Marienfesten, zu einer Kapelle, einem Kloster in der Nähe oder Ferne. Das gehört für viele Menschen immer noch zum Ausdruck ihres Glaubens, ein Zeichen ihrer Verbundenheit mit Gott, die sie in der Verehrung Marias zum Ausdruck bringen. Nicht nur in den romanischen Ländern und vor allem im lateinamerikanischen Raum, wo Zigtausende von Menschen alljährlich die Marienwallfahrtsorte der „Virgen de Guadalupe“ in Mexiko, der „Virgen de Copacabana“ in Bolivien oder der „Virgen de Luján“ in Argentinien aufsuchen, auch in den deutschsprachigen Diözesen ist dies von Bedeutung. In der Vielfalt der Bilder der Schutzmantelmadonna, der Knotenlöserin, der Lieben Frau vom Rosenkranz, der Pietà und den vielen Madonnen in den kleinen und größeren Kirchen mit dem Jesusknaben auf dem Arm entdecken viele Menschen ein Bild für die Ausdrucksgestalt ihres Glaubens; aus den Marienbildern tritt für sie das Bild einer Glaubenden und von Gott Erhörten, einer „Begnadeten“, über die sie ihr eigenes Glaubensbild ausprägen können.
Maria hat den Weg Jesu von Nazaret begleitet, ihr Leben war ganz mit ihm verbunden, darum kann sie „Vorbild“ für einen Weg des Glaubens sein, der eröffnet, wer dieser Jesus von Nazaret, der Mensch gewordene Gottessohn, der Messias Israels, ist. Maria nimmt dabei mit auf einen Weg, der zum Leben ermutigt; ein Weg, auf dem sich aus der Dichte des durchlebten und erlittenen Alltags, in der Vielfalt der Begegnungen, im Darin-sich-Binden an Jesus von Nazaret und im Vertrauen auf und der Hoffnung in das Wirken des Gottes Israels auch die je eigenen Glaubensgestalten herausbilden können. Maria wird in den Gebetstexten und Andachtsbildern der Volksfrömmigkeit oft in „einfachen“, alltäglichen Praktiken dargestellt: Sie nährt Jesus, sie liest, sie verrichtet eine Handarbeit, sie ist in das Gespräch mit Elisabet vertieft. Glauben und Leben stehen bei Maria in einer Verbindung, die andere ermutigt, das eigene, noch so gebrochene und unscheinbare Leben vor Gott zu bringen und dieses Leben anzunehmen, zu ihm zu stehen. Maria hat vertraut auf Gott, der „Freund des Lebens“ (Weish 11,26) ist, und sie ist darin zu einer Lebensbegleiterin für viele Menschen geworden.
Bereits in der frühen Kirche ist Maria als Zuflucht der Glaubenden verstanden worden. Das älteste Mariengebet „Unter Deinem Schutz fliehen wir“ ist auf einem Papyrus des 3./4. Jahrhunderts entdeckt worden. 1Es ist Ausdruck der Verehrung Marias und der Bedeutung, die sie in der frühen Kirche für den Glauben des Volkes hatte. Sie war und ist „Vorbild“ im Glauben und darin „Typus“ der Kirche, wie die Kirchenvätertheologie herausgearbeitet hat. Die Kirche, das Volk Gottes auf dem Weg durch die Zeit, die Gemeinschaft der Glaubenden, hat in ihr ein „Vorbild“, das helfen kann, den Glauben zu bilden und auszubilden. In der Volksfrömmigkeit haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder neue Gestalten der Verehrung Marias ausgebildet, Ausdrucksformen für den lebendigen Glauben des Volkes und die vielfältigen Weggestalten. Das Zweite Vatikanische Konzil wird dies bestätigen, wenn im abschließenden Kapitel der Kirchenkonstitution Lumen gentium von Maria die Rede ist als „Typus der Kirche unter der Rücksicht des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus“ (Nr. 63). In einer Ansprache am 23. Oktober 2013 hat Papst Franziskus daran erinnert: „Der Glaube Mariens ist die Erfüllung des Glaubens Israels. In ihr ist die gesamte Wanderschaft, der gesamte Weg des Volkes in Erwartung der Erlösung zusammengefasst, und in diesem Sinne ist sie ein Vorbild des Glaubens und der Kirche, in dessen Zentrum Christus steht, die Menschwerdung der unendlichen Liebe Gottes.“ 2
Auf Maria zu schauen heißt, in einen Raum des Glaubens und Lebens zu treten, der sich in der Geschichte christlichen Glaubens in den vielen Räumen von Menschen in der Spur Jesu entfaltet hat. Auf Maria zu schauen ist darum nicht mehr und nicht weniger als eine Einführung in den christlichen Glauben. Gerade heute, in Zeiten vielfältiger und neuer religiöser Suchbewegungen, die die vielen Wege der Welt nehmen und oft weniger in „klassischen“ Räumen der Glaubenstradierung der Kirchen zu finden sind, brauchen solche Einführungen in den Glauben konkrete, „greifbare“, „verkörperte“ Gestalten, an denen sich Menschen orientieren können und die Räume eröffnen, in denen das konkret wird, was Heil, Erlösung, Befreiung ist. Sie brauchen Menschen, die auf ihrem Lebensweg in das Vertrauen in Gott hineingewachsen sind und die daraus gelebt haben, die ihr Leben in den Dienst dieser Gottesgeschichte gestellt haben: dass der Gott Israels den Menschen ganz nah gekommen ist, dass Gott Mensch geworden ist, dass sich darin die Verheißung von Erlösung erfüllt und im Geschehen von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi verdichtet hat. An diesen Menschen – die Kirche verehrt sie als Selige und Heilige – kann in symbolischer Weise abgelesen werden, was Glauben heißt. Die Orientierung an einem Bild, einem Gebet, einer Andacht, die eine Annäherung an diesen besonderen Menschen bedeutet, ermöglicht den Suchenden unserer Zeit ein je neues Sich-Vertiefen in den Glaubensweg dieses Menschen und darin eine Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte, ein Wachsen und Reifen und ein Sich-herausfordern-Lassen durch das „Vorbild“ des anderen, ein Sich-Bereiten für einen Ruf, für ein neues Hören auf Gottes Wort und Sich-von ihm-ansprechen-Lassen.
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