Nicole Edwards - Harmless - Arglos

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Es sollte eigentlich nur ein harmloser One-Night-Stand sein. Doch diese eine Nacht mit Colton «Seg» Seguine lässt Roan Gregory einfach nicht mehr los. Und als wäre das nicht genug, wird sein Leben auch noch durch den tragischen Tod seiner Schwester ins Chaos gestürzt. Plötzlich ist Roan für seinen kleinen Neffen verantwortlich und muss sich als alleinerziehender Vater durchschlagen. Ein heißer Sportler ist eine Ablenkung, die er jetzt überhaupt nicht gebrauchen kann. Doch auch für Seg war ihre kurze gemeinsame Zeit unvergesslich und er bleibt hartnäckig, obwohl er nicht öffentlich geoutet ist. Roan hat das Gefühl, sich zwischen seinem Glück und dem seines Kindes entscheiden zu müssen – oder ist vielleicht nicht doch beides miteinander vereinbar?
Band 4 der «Pier 70»-Reihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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Moment mal.

Hatte er gesagt…?

Erst jetzt erfasste er den Namen vollständig und Roans Blick ruckte zu dem großen Typen zurück.

Gewelltes, blondes Haar, eine dünne Narbe, die durch eine seiner dichten Augenbrauen verlief, blassblaue, von einem perfekten Grauanteil durchzogene Augen, eine leicht gekrümmte Nase und ein Kiefer, der aussah, als wäre er aus Stein gemeißelt, ganz zu schweigen von den definierten Wangenknochen und diesen Lippen…

Heilige Scheiße.

Die harmlose Versuchung, die ihm hier gegenübersaß, war kein anderer als ein verfluchter Hockey-Spieler.

Harmlos. Klar doch.

»Du bist Colton Seguine«, murmelte Roan und kam sich wie ein Idiot vor.

Das schiefe Grinsen des Kerls verwandelte sein Gesicht von sexy zu… höllisch heiß. »So sagt man, aber alle nennen mich Seg. Dich kenne ich allerdings leider nicht, also…«

Roan streckte die Hand aus, wobei er entdeckte, dass Segs auf dem Tisch lag, als hätte er auf diesen Moment gewartet. »Roan Gregory.«

»Schön, dich kennenzulernen, Roan Gregory.«

Ja, das war es in der Tat.

Segs Hand war stark, sein Griff fest. Und verdammte Scheiße. Das hier war Colton Seguine. Seg. Roan vergaß für den Moment all seine Probleme, während er den Verteidiger des Hockeyteams Austin Arrows anstarrte. Er hatte gewusst, dass der Mann groß war – schließlich hatte er seine Statistiken mehrere Dutzend Mal durchgelesen –, aber aus nächster Nähe und leibhaftig war er gigantisch. Eins dreiundneunzig, knapp einhundert Kilo, wenn Roan sich recht erinnerte.

Die Kellnerin unterbrach ihren Starrwettbewerb, als sie ihnen ihr Bier brachte, und ein paar Sekunden lang verlor sich Roan in den dunstig blauen Augen, ohne den Blick abwenden zu können.

Plötzlich spielte es keine Rolle mehr, dass er sich in Selbstmitleid gesuhlt hatte, während er versuchte, die Tatsache zu verwinden, seinem besten Freund vor fast vier Monaten seine Liebe gestanden zu haben. Er spürte den Schmerz nicht mehr, der sich wie eine Fessel um seine Brust gelegt hatte, als er erkannt hatte, dass sich Cam in jemanden verliebt hatte und sie einander sehr glücklich machten. Der Schmerz rührte nicht daher, dass Cam und Gannon glücklich waren. Seiner Meinung nach war das eine gute Sache. Ausschlaggebend für seine Verunsicherung war die Furcht gewesen, die Freundschaft zu der wichtigsten Person in seinem Leben zu verlieren.

Aber jetzt in diesem Moment erschien die Tatsache, dass er vor seinem besten Freund mit einer Liebeserklärung herausgeplatzt war, unwichtig – ganz zu schweigen davon, dass es überhaupt nicht stimmte.

Nope. Nichts davon spielte mehr eine Rolle, denn seine Synapsen hatten einen Kurzchluss; das Einzige, woran er denken konnte, war Sex. Sex mit diesem unfassbar attraktiven Hockeyspieler. Schmutzigen, harten, hocherotischen Sex.

Wenn das mal kein Tritt in die Eier war. Plötzlich aufwallende Lust sah Roan nicht ähnlich. Normalerweise brauchte er eine Weile, um mit einem Mann warm zu werden. Jedenfalls um einiges länger als diese kurze Vorstellung.

Roan trank einen großen Schluck Bier, womit er den Blickkontakt unterbrach.

Das war verrückt.

Warum zum Teufel war dieser Kerl überhaupt hier? Es war ja nicht so, als wäre er…

Nee. Dieser Kerl war auf keinen Fall schwul.

Und selbst wenn er es wäre – was er nicht war –, konnte Seg doch überhaupt nicht wissen, ob Roan schwul war. Ernsthaft. Woher sollte er das wissen? Sie waren hier nicht in einer Schwulenbar. Und es war nicht so, als würde Roan heute sein Ich bin schwul und stolz darauf-T-Shirt tragen.

Der Gedanke brachte Roan dazu, Seg aufmerksam zu mustern.

Wusste er, dass Roan schwul war? Strahlte er das etwa aus, ohne es zu merken?

Nachdem er seinen Blick unauffällig durch den Raum hatte schweifen lassen, beugte sich Seg vor und senkte die Stimme. »Was hältst du davon, wenn wir nach diesem Bier zu mir fahren und uns da noch einen Drink genehmigen?«

Okay, vielleicht besaß Seg einen besonders fein abgestimmten Gaydar… und war schwul.

Nicht geoutet natürlich, da Roan sich vage an einen aktuelleren Artikel über Seg und irgend so eine Modeltussi erinnerte, mit der er seit Kurzem ausging. Ja, falls es noch nicht ganz klar geworden war: Roan war ein Fan der Austin Arrows. Ein Riesenfan.

Vielleicht war Seg bi?

Roan ließ sich diesen Gedanken ein paar Sekunden lang durch den Kopf gehen. Er fing nichts mit jemandem an, der bisexuell war. Er hatte ganz sicher nicht die Absicht, mit einem Typen in die Kiste zu springen, der am nächsten Morgen heulte und jammerte, weil sein Leben ihn so verflucht verwirrte. Pussy oder Schwanz, es war doch nicht so schwer herauszufinden, was man bevorzugte.

Ganz abgesehen davon konnte Roan diesen Mist zusätzlich zu allem anderen, womit er sich gerade herumschlagen musste, überhaupt nicht gebrauchen.

Roan ahmte Segs Pose nach, indem er sich vorbeugte, und schüttelte den Kopf. »Ich bin mir ziemlich sicher…« Er deutete mit einer verstohlenen Kopfbewegung auf die Kellnerin. »… dass sie eher dein Typ ist.«

Seg lehnte sich noch weiter vor. »Ich bin mir ziemlich sicher… dass du komplett falschliegst.«

Roan richtete sich auf und trank einen weiteren Schluck, während er den anderen Mann betrachtete.

Da war ein Kerl, dem Roan jahrelang beim Spielen zugesehen hatte. Ein Kerl, der so maskulin war, wie man nur sein konnte. Ein Kerl, der jetzt hier in dieser Sportbar saß und ihn anbaggerte.

Er baggerte ihn doch an, oder? Roan hatte sich schon lange nicht mehr an diesem Spiel beteiligt; vielleicht bildete er sich das auch nur ein.

Sofort kam ihm Cam in den Sinn. Und wie Roan wegen eines kurzzeitigen Aussetzers seines Urteilsvermögens beinahe ihre Freundschaft ruiniert hatte. Sein dämlicher Ausraster hatte ihn fast die wichtigste Person in seinem Leben gekostet.

Dann wanderten seine Gedanken zu seiner Schwester und ihrem verdammten Drogenproblem.

Und zu seinem Vater, der sich mit ihr einfach nicht mehr zu helfen wusste.

Zu seiner Stiefmutter, die gedroht hatte, seinen Vater zu verlassen, wenn sie keine Möglichkeit fanden, um Cassie zu helfen.

Sein Leben war mittlerweile nur noch ein verfluchtes Durcheinander.

Auf gar keinen Fall sollte Roan dieser Liste aus verkorkstem Müll einen verdammten Hockeyspieler hinzufügen.

Offenbar spürte Seg, dass Roan die Idee in Erwägung zog. »Eine Nacht. Ohne weitere Verpflichtungen.«

Nope, diese Anmache konnte man nun wirklich nicht falsch verstehen.

Roan dachte darüber nach.

Sex ohne Verpflichtungen. Gab es das überhaupt?

Er verlagerte sein Gewicht von einer Seite auf die andere und versuchte, diese Idee nicht überzubewerten, doch er konnte einfach nicht anders.

Ein One-Night-Stand mit einem heißen Hockeyspieler.

Wer konnte da schon wirklich ablehnen? Und viel wichtiger: Wer würde da ablehnen?

Seine Welt brach um ihn herum zusammen und dieser Mann bot ihm eine Gelegenheit, das alles für eine kurze Weile zu vergessen. Er wäre dämlich, wenn er dieses Angebot nicht annehmen würde.

»Eine Nacht?«, hakte Roan nach.

Seg nickte.

»Morgen tun wir so, als wäre nichts passiert?«

Ein weiteres Nicken.

Roan stürzte den Rest seines Biers hinunter, griff nach seinem Geldbeutel, zog ein paar Zwanziger heraus und klatschte sie auf den Tisch, bevor er aufstand.

»Geh voraus«, wies er Seg an.

Das Grinsen auf Segs Gesicht erweckte Roans Schwanz schlagartig zum Leben.

Oh ja. Das war definitiv eine gute Entscheidung.

***

Colton Seguine – der während seiner frühen Hockey-Jahre den Spitznamen Seg erhalten hatte – würde sein Handeln morgen wahrscheinlich bitter bereuen, aber jetzt gerade, als er vor seinem Haus hielt, fiel ihm kein einziger Grund zur Reue ein.

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