Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2015
Copyright Cartland Promotions 1985
9781782136835
Gestaltung M-Y Books
www.m-ybooks.co.uk
Die Marquise trank einen Schluck Madeira.
„Der Arzt“, sagte sie, „hat mir jede Art von Alkohol strengstens verboten, aber dein Besuch muß gefeiert werden.“
„Tut dir der Aufenthalt hier denn gut, Mama?“
Die Stimme des Marquis klang besorgt, was seiner Mutter nicht entging.
Der blasierte Ton, der im Kreis des Prinzregenten Mode war, war ihr wohl bekannt. Sie hütete sich davor, es auszusprechen, aber die arrogante Art der jungen Leute war ihr zuwider.
„Ja“, antwortete sie. „Die Schmerzen sind durch die Bäder erheblich zurückgegangen, aber Harrogate ist langweilig und ich sehne mich nach meinem Zuhause.“
Der Marquis stand auf, ging zum Kamin und lehnte sich gegen den Sims.
Die Suite, die seine Mutter im besten und teuersten Hotel von Harrogate bewohnte, war elegant, doch recht nüchtern eingerichtet. Die Marquise hatte jedoch eine Menge persönlicher Dinge mitgebracht, und die Atmosphäre war daher sehr angenehm.
Auf einem Beistelltisch stand eine Miniatur ihres Sohnes, weiche Seidenkissen lagen auf den düsteren Damastbezügen der Sitzmöbel, Silberdöschen zierten Kommoden und Fensterbänke, und in der ganzen Suite waren Vasen mit frischen Blumen verteilt.
Und das Wichtigste - die Marquise hatte natürlich ihre zwei kleinen Spaniel mitgebracht, die den Marquis stürmisch begrüßt hatten.
„Du hast es aber recht gemütlich hier“, sagte der Marquis, offensichtlich erstaunt, daß auch ein Hotel seine Vorteile haben konnte.
„Es geht“, entgegnete die Marquise. „Und was führt dich hierher? Ich bin überzeugt davon, daß du ein Anliegen hast. Du machst doch nicht die lange Reise, weil du sehen willst, ob ich entsprechend untergebracht bin.“
Während sie sprach, ruhte der Blick der Marquise bewundernd auf ihrem Sohn. Niemand, fand sie, sah besser aus, war besser angezogen und wirkte männlicher.
Der Marquis hatte breite Schultern und sehr schmale Hüften - sehr zur Verzweiflung seines Schneiders und Hemdenmachers. Es war nicht in Mode, Muskeln zu haben, aber der Marquis war der beste Boxer seines Herrenklubs in der Bond Street. Auch im Fechten war er so perfekt, daß er kaum einen Partner fand, der sich mit ihm hätte messen können. Dazu kam, daß er einer der elegantesten und weltgewandtesten jungen Herren Londons war und von allen beneidet wurde.
Auf andere wirkte er gleichgültig, zynisch und unbeeinflußbar, doch seine Mutter wußte, daß er sehr freundlich, sehr verantwortungsbewußt und mitfühlend und zum Teil auch sehr lieb und anhänglich sein konnte.
„Wenn ich das Gefühl hätte, Mama“, sagte er, und die Marquise wußte, daß es ehrlich gemeint war, „daß du meine Gesellschaft brauchst, würde ich überallhin kommen.“
„Sicherlich“, entgegnete die Marquise. „Aber sag mir den wirklichen Grund.“
„Ich habe beschlossen zu heiraten, Mama.“
„Gallen!“ Die Marquise war so erschrocken, daß sie schnell das Glas wegstellte. Sie schlug die Hände zusammen und sah ihren Sohn an. „Das ist doch nicht dein Ernst! Nach all den Jahren hast du jemanden kennengelernt, den du wirklich zu deiner Frau machen willst!“
„Ich habe mich zur Heirat entschlossen, Mama, weil ich einen Erben brauche“, sagte der Marquis. „Und daß ich eine Frau haben will, die aus guter Familie kommt und mich nicht zu Tode langweilt, versteht sich wohl von selbst.“
„Und für wen hast du dich entschieden?“
„Ich habe um die Hand von Lady Beryl Fern angehalten“, antwortete der Marquis. „Da ich vermeiden wollte, daß du in der Gazette von dem Verlöbnis deines Sohnes liest, habe ich Beryl und ihren Vater gebeten, absolutes Schweigen zu bewahren, bis ich mit dir gesprochen habe.“
„Lady Beryl Fern“, sagte die Marquise langsam. „Natürlich ist sie mir ein Begriff.“
„Sie ist unumstritten das hübscheste Mädchen Englands“, erklärte der Marquis. „Da sind sich alle einig. Der Prinz nennt sie sogar die Unvergleichliche.“
Der spöttische Unterton in der Stimme des Marquis war unverkennbar.
Seine Mutter runzelte die Stirn. „Was für ein Mädchen ist sie, Gallen?“ fragte sie.
„Sie liebt die Fröhlichkeit und ist das Herz und die Seele von allen Festen, an denen sie teilnimmt. Sie wird die Empfangsräume und Salons von Havingham House aufhellen und dafür sorgen, daß der Familienschmuck, den du so selten trägst, wieder von allen bewundert wird.“
„Meine Frage war anders gemeint, Gallen“, sagte die Marquise.
Ihr Sohn ging vom Kamin zum Fenster und sah auf die Bäume hinaus, die hier im Norden gerade erst ausschlugen.
„Was willst du denn sonst wissen, Mama?“ fragte er nach einer Weile.
„Du weißt ganz genau, was ich wissen will“, entgegnete die Marquise. „Bist du verliebt?“
„Ich bin dreiunddreißig, Mama“, sagte der Marquis zögernd, „und mit dreiunddreißig ist man über die Schwärmereien eines Jünglings hinaus.“
„Dann heiratest du also nur, um einen Sohn zu zeugen.“
„Ich kann mir keinen besseren Grund für eine Ehe vorstellen“, sagte der Marquis.
„Ich hätte dir so gewünscht, daß du dich verliebst.“
„Ich bin zu alt für so einen Unsinn - das habe ich dir eben schon gesagt.“
„Das ist kein Unsinn, Gallen. Dein Vater und ich, wir waren unendlich glücklich, und ich habe immer gehofft, daß du einmal das Glück finden wirst, das wir genießen durften, bis dein Vater von mir genommen wurde.“
„Heutzutage gibt es keine Frauen mehr wie dich, Mama.“
Die Marquise seufzte. „Ich habe deinen Vater auf einer Gartenparty kennengelernt“, sagte sie. „Wie oft hat er erzählt, ich sei von einem weißen Licht umgeben gewesen, als er mich zum ersten Mal sah!“
„Das hat mir Papa auch erzählt.“
„Ich habe ihn erst bemerkt, als er mir vorgestellt wurde“, fuhr die Marquise mit weicher Stimme fort. „Aber als er meine Hand berührte, geschah etwas sehr Merkwürdiges.“ Sie schüttelte den Kopf, als könne sie es immer noch nicht ganz fassen. „Ich habe mich auf der Stelle in ihn verliebt. Ich wußte sofort, daß er der Mann meiner Träume ist. Ich habe immer daran geglaubt, daß es diesen Mann irgendwo auf der Welt gibt, hatte aber Angst gehabt, ihn nicht finden zu können.“
„Das Glück war auf deiner Seite, Mama.“
„Das war nicht Glück, Gallen, das war das Schicksal. Die Eltern deines Vaters hatten ihn mit der Tochter des Herzogs von Newcastle verheiraten wollen, doch wir wußten, daß nichts in der Welt uns mehr trennen konnte.“
Eine leichte Ungeduld befiel den Marquis. Er wußte das alles, und es war ihm immer etwas peinlich, wenn seine Mutter von seinem Vater erzählte. Seine Eltern hatten sich so abgöttisch geliebt, daß seine Kindheit von ihrem Glück überstrahlt war. Daß sie nur ein Kind gehabt hatten, war ihr einziger Kummer gewesen, und weil der Marquis seine Mutter liebte, hatte er nach dem Tod seines Vaters stets versucht, sich um sie zu kümmern und sie zu beschützen. Sie brauchte ihm nicht zu sagen, was es bedeutete, so verliebt zu sein, wie seine Eltern es gewesen waren. Er hatte es selbst erfahren, wußte aber, daß es ihm nie wieder passieren würde.
„Die Zeiten haben sich geändert, Mama“, sagte er. „Die Liebe ist außer Mode gekommen - nur beim Prinzregenten nicht.“
„Du kannst die Liebe und Seine Königliche Hoheit nicht in einem Atemzug nennen, Gallen“, sagte die Marquise fast vorwurfsvoll. „Denk nur daran, wie er die arme Mrs. Fitzherbert behandelt hat! Und ich war immer überzeugt davon, daß sie wirklich verheiratet sind. Und dann diese alberne Lady Hereford - ich kann die Frau nicht ausstehen.“
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