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Carina Isabel Menzel
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind
zufällig und nicht beabsichtigt.
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Taschenbuchauflage 2017
Lektorat: Melanie Wittmann
Titelbild gestaltet mit Bildern von: © synGGG und A. Dudy - Adobe Stock lizenziert
ISBN: 978-3-86196-682-1 Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-282-1 E-Book (2020)
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Inhalt
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Für Mama und Carola
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Die Menge tobt. Jubelschreie von beiden Seiten. Die Leute johlen, grölen. Brüllen den Namen des Spielers, der das Tor geschossen hat. Unablässig. Bald fangen meine Ohren an zu dröhnen. Ich werde geschubst und zur Seite gedrängelt. Jetzt, da wir führen, steigt das Fieber. Schweißnasse Trikots reiben sich an mir. Irgendwer hält meine Schulter umklammert. Nicht weit von mir qualmt es. Der beißende Geruch von Zigarettenrauch liegt in der Luft, vermischt sich mit dem von billigem Dosenbier, Schweiß und Deo. Ekelhaft. Die Luft ist aufgeheizt von der Körpertemperatur der Menschen. Tropisch.
Schweiß läuft mir in die Augen. Es brennt und ich muss blinzeln. Verpasse das nächste Tor. Das Dröhnen in meinem Kopf schwillt an, als die Menge erneut beginnt zu schreien. Eine Tröte direkt an meinem Ohr. Ich will mich zu dem Übeltäter umdrehen und ihn anschnauzen, doch ich stecke fest. Zwischen den ganzen Fans. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Panik steigt in mir auf. Die Tröte erklingt erneut. Dann noch mal. Ist das Spiel endlich vorbei?
Gut, dann kann ich hier raus. Doch niemand macht Anstalten, sich vom Fleck zu bewegen. Langsam nimmt mir die stickige Luft den Atem. Mein Mund wird trocken. Ich ringe nach Luft. Die Menge kocht. Aufgeheizte Körper dicht aneinandergedrängt. Zwängen mich ein.
Ich spüre kaum das klebrige Zeug, das irgendwer über mir verschüttet. Höre die gemurmelte Entschuldigung nicht. Vor meinen Augen flackert es. Die Riesenleinwand verschwimmt. Immer noch der Druck von allen Seiten. Schiefes Gegröle. Vereinzelte Schreie. Ich schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Bekomme keine. Spüre, wie der Auflauf um mich herum dichter und dichter wird ...
Schweißgebadet fahre ich hoch, haue mir dabei den Kopf an der Dachschräge an und atme keuchend ein und aus. Nur ein Traum. Alles nur ein Traum.
Mein Herz rast. Ich fahre mir mit der Hand durch das wirre Haar, während mein Blick das Zimmer scannt. Keiner da außer mir. Keine Menschenmassen.
Es ist noch dunkel, durch die Vorhänge fällt ein winziger Streifen Mondlicht ins Zimmer und beleuchtet meinen Schreibtisch. Die Ordner liegen da wie immer. Das Schreibzeug ist hingeworfen, genauso wie ich es gestern Abend dort zurückgelassen habe. Alles ist so, wie es gehört. Ich bin nicht in einer Menge Fußballfans erstickt.
Langsam beruhigt sich mein Herz und ich kann wieder normal atmen. Die Leuchtziffern meines Weckers zeigen Viertel nach drei an. Erschöpft lasse ich mich zurück in die Kissen sinken und starre die dunkle Decke an. Immer noch schwirrt mir das Bild meines Traums im Kopf umher. Albträume, die von Fußball handeln. Ich muss grinsen, doch es vergeht mir, als sich mein Kopf mit einem stechenden Schmerz bemerkbar macht.
Ich setze mich vorsichtig wieder auf, schwinge die Beine aus dem Bett und tapse barfuß in Richtung Badezimmer. Ich mache mir nicht die Mühe, Licht anzuknipsen. Obwohl ich erst seit vier Wochen hier wohne, finde ich schon zum Badezimmer, ohne mich vorher in die Küche zu verlaufen. Die Fliesen sind angenehm kühl unter meinen Füßen. Hier gibt es kein Fenster und mir bleibt nichts anderes übrig, als eine gefühlte Ewigkeit nach dem Lichtschalter zu tasten, der nur aus einem winzigen Schalter inmitten lauter Kabel besteht, weil mein Bruder Marc, der all den Kram, zu dem ich nicht fähig bin, übernimmt, noch nicht dazu gekommen ist, eine Verkleidung zu kaufen und anzuschrauben. Gott sei Dank hängt hier eine Energiesparlampe, sodass das Licht nur langsam hell wird und sich meine Augen allmählich daran gewöhnen können. Ich lasse mir kaltes Wasser über die Arme und das Gesicht laufen, dann knülle ich einen Waschlappen zusammen, tränke ihn und presse ihn gegen meinen Hinterkopf. Der Schmerz lässt augenblicklich etwas nach. Aus dem Spiegel starrt mir eine übermüdete, ungeschminkte Cynthia entgegen. Blass, dunkle Ringe unter den Augen. Meine rotbraunen Haare stehen in alle Richtungen ab, auf meinem Hals sind hektische rote Flecken zu sehen. Wieder kommen mir die Bilder aus meinem Traum in den Sinn. Das darf ich keinem erzählen, sonst werde ich ausgelacht.
Ich verlasse das Badezimmer und mache mich direkt auf den Weg in die Küche. Schlaf kann ich jetzt sowieso vergessen. Ich lasse mich auf einen noch halb in Kartonpapier eingepackten Barhocker sinken, ziehe eine Tasse heran und stelle die Kaffeemaschine an. Das laute Klopfen und Rattern wird meine Nachbarn wecken, aber sei’s drum. Die sind sowieso beide Ärzte und vielleicht haben sie Glück und arbeiten gerade, sodass sie mein Krach nicht zu kümmern braucht. Außerdem haben sie mich sowieso nicht gerade gern, weil ich Bekanntschaft mit ihnen gemacht habe, als Marc und ich mein Bett lautstark die Treppe hochgeschleppt und sie damit aufgeweckt haben. Zum ersten Mal gesehen habe ich sie also, wie sie wütend im Bademantel vor ihrer Wohnungstür herumschrien. Damals waren sie nämlich zu Hause gewesen, nachdem sie die ganze Nacht in der Notaufnahme verbracht hatten. Und ich will nicht wissen, wer nachts so in die Notaufnahme eingeliefert wird. Ganz verziehen haben sie mir das bis heute nicht und sprechen nur das Nötigste mit mir.
Nach dem ersten Schluck Kaffee fühle ich mich schon um einiges wacher. Es dauert noch ein paar Stunden, bis ich mich fertig machen muss. Mein Blick schweift durch das provisorische Wohnzimmer, das direkt an die offene Küche angrenzt. Eigentlich steht noch nichts drin außer einem Sofa und einem Fernseher, der noch nicht angeschlossen ist. Gestern habe ich versucht, ein IKEA-Regal aufzubauen, bin aber kläglich daran gescheitert.
Ich könnte staubsaugen, den ganzen Dreck wegmachen, den Marc und die anderen gestern beim Kabelverlegen hinterlassen haben. Sägespäne und Putzbrocken sind über den gesamten Boden verteilt. Seufzend rutsche ich vom Hocker. Das wird das größte Problem in meiner eigenen Wohnung werden: Ordnung halten und regelmäßig staubsaugen.
Bis vor einem Monat habe ich noch bei meinen Eltern etwas außerhalb von Berlin gewohnt und meine Mutter hatte eigentlich schon vor Jahren beschlossen, mir mein Zimmer selbst zu überlassen, aber wenn es ihr zu unordentlich wurde, hat sie eben doch mal durchgesaugt. Meine Mutter kann Unordnung beim besten Willen nicht leiden. Mir dagegen fehlt einfach immer die Motivation, irgendetwas aufzuräumen, und meistens höre ich nach zehn Minuten wieder auf, weil es sowieso nur ein Etwas-von-einem-Schrank-in-den-anderen-Stopfen ist. Nur ist meine Mutter jetzt nicht mehr hier und räumt mir hinterher. Und ich will die Wohnung ja nicht komplett zumüllen.
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