Ich schüttle den Kopf, unfähig, vom Tisch aufzuschauen. „Nein.“
Sie zieht das Gesicht zusammen und denkt nach. „Aber du hast tiefe Gefühle gehegt, schätze ich mal.“
„Ja. Ich meine, ich hatte definitiv das Gefühl, als…“ Ich halte inne, sammle meine Gedanken. „Ich hatte das Gefühl, als hätte ich die eine Person gefunden, die es einfach… kapiert. Oder mich kapiert? Ich weiß nicht. Vielleicht soll jeder, mit dem man Sex hat, so sein, aber –“
„Warte, du hast ihm deine Jungfräulichkeit geschenkt?“, fragt Evie. Ihre Augenbrauen schnellen in die Höhe. „Verdammt, Mädel.“
Daraufhin lasse ich eine Minute verziehen, in der ich an meinem Tee nippe. Er ist wirklich irgendwie tröstlich, der Zitronengeschmack und Kräuterduft.
„Ich bin seit Jahren in Jameson verliebt“, gestehe ich schließlich. Es ist irgendwie eine Erleichterung, es laut vor jemandem auszusprechen. „So ungefähr seit ich alt genug war, um schmutzige Träume zu haben. Ich dachte irgendwie immer, irgendwo in meinem Hinterkopf, dass wir zusammenkommen würden. Seit ich fünfzehn war, hatte ich vor, ihm meine Jungfräulichkeit zu schenken, noch bevor ich richtig wusste, was das eigentlich bedeutet.“
Evies Augen weiten sich, es ist fast schon komisch. „Warte, du hast… dich für Jameson aufgehoben ?“
Ich zucke mit den Achseln und erröte. „Ja, das habe ich. Ich meine, die letzten paar Jahre steckte keine Absicht mehr dahinter. Aber als ich anfing, diese ‚ Ich fühle mich zu dir hingezogen ‘-Signale von ihm zu empfangen, wollte ich irgendwie… da wollte ich wirklich, wirklich dafür sorgen, dass es auch passiert.“
„Määädelll“, sagt sie aufgeregt. „Ich kann nicht fassen, dass du schon so lange auf ihn stehst! Und ich kann nicht fassen, dass ich es nicht wusste.“
Ich beiße auf meine Lippe und zucke mit einer Schulter. „Spielt keine Rolle wegen Asher.“
Sie setzt sich etwas aufrechter hin. „Asher? Was hat er mit irgendetwas davon zu tun?“
„Asher hat vor Jahren diese bescheuerte Regel aufgestellt. Er hat Jameson und Forest und Gunnar gesagt, dass sie nicht mit mir schlafen dürfen. Tatsächlich hat er Gunnar mehrere Male in seine Schranken verwiesen, denn Gunnar ist…“ Ich suche nach dem richtigen Wort.
„Eine Schlampe?“ Evies Mundwinkel krümmen sich nach oben.
„Ja. Jedenfalls existiert diese Regel, seit ich einen Busen bekam, glaube ich. Denn ich kann ja offensichtlich nicht selbst entscheiden, mit wem ich schlafen möchte. Gäbe es diese Regel nicht, würde ich nämlich einfach mit jedem Kerl, den ich sehe, in die Kiste hüpfen!“, sage ich sarkastisch. „Aber Asher hat natürlich keine Regeln darüber, mit wem er schlafen oder wen er daten darf.“
Evie blickt hinab auf den Tisch und fährt gedankenverloren etwas nach. „Das klingt nicht fair.“
„Dankeschön! Das ist es auch nicht.“ Ich lehne mich zurück und versuche, nach meiner berechtigten Empörung zu greifen, aber sie ist nicht da. Ich bin viel zu beschäftigt damit, traurig zu sein, als das irgendeine andere Emotion eine Chance hätte.
„Also… bist du schon bereit, über die andere Sache zu reden?“, erkundigt sie sich sanft.
Mein Herz beginnt wie wild zu hämmern, wenn ich nur daran denke. Ich nicke langsam. „Ja, ich denke schon. Es ist nur… ich trage eine Spirale.“
Sie legt den Kopf schief. „Und trotzdem denkst du, du könntest schwanger sein?“
Meine Augen füllen sich erneut mit Tränen. Ich fühle mich erbärmlich. „Ja.“
Evie betrachtet mich eine Minute. „Ich vermute, dass du deswegen keine Glücksgefühle verspürst.“
Ich trinke einen Schluck von meinem Tee, um mich zu beruhigen. Dann hole ich tief Luft. „Ich meine, ich bin ziemlich hin und hergerissen. Einerseits ist da mein fünfzehnjähriges Ich, das… vor Freude jubelt. Ich habe diesen Kerl mein halbes Leben geliebt und jetzt werde ich sein Baby bekommen? Nun… ich hätte mir kein besseres Ergebnis vorstellen können, in der egoistischsten Version.“
Sie schürzt die Lippen. „Und andererseits?“
„Tja, die Kehrseite wiegt doppelt so schwer. Zuerst einmal bezweifle ich, dass das fünfzehnjährige Mädchen besonders glücklich darüber wäre, dass Jameson mit mir Schluss gemacht hat. Und zweitens studiere ich verdammt nochmal Jura! Unter dem Jahr lerne ich und gehe zur Uni, ab dem Moment, in dem ich aufwache, bis zu dem Moment, wenn ich Schlafen gehe. Das ist alles. Ich habe keine Zeit für irgendetwas anderes. Da noch ein Baby hinzuzufügen, das ist wie… ein Rezept für Desaster.“
„Definitiv. Ich meine, du könntest damit klarkommen, aber du möchtest es nicht unbedingt.“
„Genau. Aber… da ist trotzdem ein Teil von mir, der irgendwie Babyverrückt ist. Ich stelle mir vor, wie wundervoll unser Kind wäre. Ich meine, hast du schon mal Babyschuhe gesehen? Denn die sind so verflixt niedlich. Und ich kann uns sehen, wenn sie ein bisschen älter ist. Ich, angezogen für ihre erste Ballettaufführung…“
Ich lasse das Gespräch für eine Minute verstummen, in der ich von pinken Haarschleifen träume. In meinen Gedanken ist Jameson ebenfalls da, denn ich denke, wenn er wüsste, dass ich schwanger bin, würde er darauf bestehen, mich zu heiraten.
Ich blinzle, spekuliere. Ist das verrückt? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es verrückt ist.
Sie räuspert sich. „Ich meine, das klingt schrecklich schön.“
Ich schüttle den Kopf. „Ich denke, dass ich eine sehr komplexe Situation massiv vereinfache. Wenn ich wirklich schwanger bin und beschließen würde, es zu behalten, wären die Dinge zwischen Jameson und mir… nun, komplex ist eine nette Art, es zu beschreiben.“
„Tjaaa…“, sagt sie. „Du weißt doch noch nicht einmal, ob du dir darum Sorgen machen musst. Und es gibt eine ziemlich einfache Methode, herauszukriegen, ob du das tun musst. Also… du weißt schon, alles schön der Reihe nach.“
Ich seufze. „Wir haben keine Schwangerschaftstests hier. Ich hab nachgeschaut.“
Sie steht auf. „Das haben wir aber so was von. Ich weiß, wo sie sind. Jetzt sieh zu, dass du den Rest von deinem Tee trinkst, er ist leicht harntreibend.“
Ich taxiere sie aus zusammengekniffenen Augen, doch sie marschiert bereits aus dem Raum. Ich trinke die Tasse mit dem schnell abkühlenden Tee aus und mache mich dann auf den Weg in den Flur. Sie trifft mich dort, da sie gerade aus ihrem Zimmer kommt.
„Hier“, sagt sie und reicht mir einen in Plastik verpackten Schwangerschaftstest. „Du pinkelst auf das Ende, dann wartest du zwei Minuten. Dann werden wir wissen, womit wir es zu tun haben.“
Ich nehme ihr den Test ab und runzle die Stirn. „Wie funktioniert der? Ich meine, woher wissen wir, ob er stimmt?“
„Diese Dinger sind zu 95% akkurat. Pinkel einfach auf das Ende und dann werden wir sehen, womit wir es zu tun haben.“
Tief Luft holend laufe ich ins Bad. Ich pinkle schnell auf das Stäbchen, dann lege ich den Test neben das Waschbecken und öffne die Badtür. Evie lehnt an der Wand, als ich sie öffne.
„Fertig?“, fragt sie.
„Ja, jetzt müssen wir nur noch warten.“ Ich werfe einen Blick auf den Test, denn ich möchte, dass er fertig ist.
Doch in meinem Herzen kann ich mich nicht entscheiden, welches Ergebnis ich mir wünsche.
Falls er positiv ist, ist mein Leben, wie ich es kenne, vorbei. Daran besteht kein Zweifel. Ich werde das Jurastudium abbrechen müssen. Ich werde mit den enttäuschten und wütenden Gesichtern meiner Familie zurechtkommen müssen. Schlimmer, ich werde es Jameson erzählen müssen.
Andererseits wäre es auch gelogen, würde ich behaupten, dass ich nicht ein klein wenig aufgeregt bin. Ein Baby ist eine große Veränderung und eine gewaltige Verantwortung, aber es wäre Jamesons Baby. Ich hätte ein kleines Stück von ihm, komme was da wolle.
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