Als wir unsre Mäntel zuknöpften und heimwärts gingen, rannte Jip voraus und gab vor, nach Wasserratten zu suchen.
„Er weiß etwas“, flüsterte der Doktor. „Ich glaube, er weiß, was geschehen ist. Merkwürdig, daß er’s mir nicht erzählt. In elf Jahren hat er das noch nie getan. Seltsam, höchst seltsam.“
„Glauben Sie, er weiß etwas über den Einsiedler, das große Geheimnis, von dem man immer flüstern hört?“
„Ich wäre nicht erstaunt, wenn er es wüßte“, antwortete der Doktor langsam. „Ich habe gesehen, was für ein Gesicht er machte, als wir die Tür offen und die Hütte leer fanden. Und wie er den Fußboden abgeschnüffelt hat — der muß ihm was erzählt haben. Er hat Zeichen gesehen, die wir nicht gesehen haben. Ich möchte nur wissen, warum er’s mir nicht sagt. Ich will ihn einmal fragen. Jip, komm her, Jip! Wo ist denn der Hund? Ich dachte, er wӓr’ uns vorausgelaufen.“
„Das ist er auch“, sagte ich. „Er war noch eben da — ich habe ihn in voller Lebensgröße gesehen. Jip! Jip! Jip! ...“
Aber Jip war fort. Wir riefen und riefen und gingen sogar wieder zur Hütte zurück, aber Jip blieb verschwunden.
„Höchstwahrscheinlich ist er nach Haus vorausgelaufen“, sagte ich. „Das tut er oft. Wenn wir nach Hause kommen, wird er schon da sein.“
Der Doktor schlug den Mantelkragen höher, schritt weiter gegen den Wind und murmelte vor sich hin: „Seltsam, höchst seltsam.“
JIP UND DAS GEHEIMNIS
Als wir nach Hause kamen, fragte der Doktor sofort in der Halle Dab-Dab, ob Jip schon zu Hause sei.
„Nein“, antwortete Dab-Dab, „ich habe ihn nicht gesehen.“
Er bat sie, es ihm sofort zu sagen, wenn er nach Hause käme, und hing seinen Hut auf.
„Ja, sofort“, sagte sie. „Wascht euch schnell die Hände — das Essen steht schon auf dem Tisch.“
Kaum hatten wir uns zum Essen hingesetzt, als ich ein Kratzen an der Hintertür hörte. Ich lief hin und öffnete, und Jip sprang herein.
„Doktor“, rief er, „kommen Sie schnell in die Bibliothek, ich muß Ihnen was erzählen. Nein, Dab-Dab, das Essen muß warten. Bitte, beeilen Sie sich, Doktor, wir dürfen keinen Augenblick verlieren, lassen Sie kein anderes Tier mit herein — nur Sie und Tommy.“
Als wir die Tür der Bibliothek hinter uns geschlossen hatten, sagte er: „Bitte, drehen Sie den Schlüssel herum, und vergewissern Sie sich, daß uns niemand belauscht.“
„Es ist schon gut“, sagte der Doktor, „niemand kann dich hören. Was ist denn geschehen?“
„Doktor“, sagte Jip noch ganz außer Atem vom schnellen Laufen, „ich weiß alles über den Einsiedler, ich hab’s schon jahrelang gewußt, aber ich hab’s Ihnen nicht erzählen dürfen.“
„Warum denn nicht?“ fragte der Doktor.
„Weil ich versprochen hatte, es keinem zu erzählen. Sein Hund Bob hat’s mir erzählt, und ich habe ihm geschworen, es geheimzuhalten.“
„Und jetzt willst du’s mir erzählen?“
„Ja“, sagte Jip, „denn wir müssen ihn retten. Ich bin Bobs Spur gefolgt, habe ihn gefunden und gefragt: ‚Darf ich es jetzt dem Doktor erzählen? Vielleicht kann er etwas für ihn tun!‘ Und Bob hat gesagt: ‚Ja, jetzt kannst du es ihm erzählen, denn ...‘“
„Um Himmels willen mach schnell!“ rief der Doktor, „erzähl uns das Geheimnis und nicht, was Bob zu dir, und was du zu Bob gesagt hast. Was ist geschehen, und wo ist der Einsiedler?“
„Im Puddlebyer Gefängnis!“
„Im Gefängnis? Was hat er denn getan?“
Jip ging zur Tür und schnupperte an der Schwelle, ob jemand horche. Dann kam er auf Zehenspitzen zum Doktor zurück und flüsterte: „Er hat einen Menschen getötet.“
„Der Herr bewahre mich!“ rief der Doktor, sank in einen Stuhl und trocknete sich die Stirn. „Wann hat er das getan?“
„Vor fünfzehn Jahren in einer mexikanischen Goldmine. Darum hat er immer als Einsiedler gelebt. Er hat sich seinen Bart abgeschnitten und sich vor den Leuten draußen auf den Marschen versteckt, damit man ihn nicht findet. Aber vorige Woche sind neue Polizisten in die Stadt gekommen, und als sie hörten, er lebe draußen auf den Fennen einsam in einer Hütte, schöpften sie Verdacht. Seit langem sucht man in der ganzen Welt nach dem Mann, der vor fünfzehn Jahren den Mord begangen hat. Die Polizisten sind zur Hütte hinausgegangen und haben Lukas an einem Mal auf seinem Arm erkannt und ihn ins Gefängnis gesteckt.
„Wer hätte das gedacht!“ murmelte der Doktor, „Lukas der Philosoph soll einen Menschen getötet haben? Ich kann es kaum glauben.“
„Leider ist es wahr“, sagte Jip. „Lukas hat es getan, aber es war nicht seine Schuld. Bob war dabei, sagt er, und hat es mitangesehen. Er ist damals kaum mehr als ein Hundebaby gewesen. Bob sagt: Lukas hat nichts dafür gekonnt — er mußte es tun.“
„Wo ist Bob jetzt?“ fragte der Doktor.
„Unten im Gefängnis. Ich wollte, daß er mit mir mitkäme — aber er will das Gefängnis nicht verlassen, solange Lukas gefangen sitzt: er bleibt vor der Gefängniszelle und rührt sich nicht vom Fleck. Er ißt nicht einmal das Futter, das man ihm gibt. Bitte, kommen Sie doch mit und sehen Sie, ob man etwas für ihn tun kann. Die Sitzung soll nachmittags um zwei Uhr sein — wie spät ist es jetzt?“
„Es ist zehn Minuten nach eins.“
„Bob sagt: sie werden Lukas zum Tode verurteilen, wenn sie beweisen können, daß er’s getan hat, oder ihn sicherlich für den Rest seines Lebens ins Gefängnis stecken. Bitte, kommen Sie mit! Vielleicht lassen sie Lukas frei, wenn Sie mit den Richtern sprechen und ihnen erzählen, was für ein guter Mensch er ist.“
„Natürlich komme ich mit“, sagte der Doktor und erhob sich, „aber ich fürchte, ich kann nicht ernstlich helfen.“ Er drehte sich in der Tür um und zögerte nachdenklich — „oder vielleicht doch ― ― ―“
Dann öffnete er die Tür und ging hinaus, und Jip und ich folgten ihm auf den Fersen.
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