Hans Heidsieck - Die Todesotter

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Eine giftige Schlange, die plötzlich aus dem Arbeitszimmer von Doktor Ricardi versschwindet, versetzt das Institut in Angst und Schrecken. Der Hausmeister kann sie schließlich zur Strecke bringen – doch bei genauerer Untersuchung stellt sich heraus, dass es sich gar nicht um die Todesotter handelt! Doktor Ricardi, dem die schöne Viola gerade einen Korb erteilt hat, um sich mit Doktor Colonna zu verloben, schwört Stein und Bein, dass er mit dem Verschwinden der Schlange nichts zu tun hat. Doch in den letzten Wochen hat er mit dem Gift des Tieres experimentiert. Und dann findet man Viola – tot – Herzversagen! Was hat Ricardi mit dem tragischen Vorfall zu tun? Wird sein Chef, Professor da Costa, ihm auf die Schliche kommen? Oder kann Kommissar Nitti mithilfe von Violas Freundin Leona Licht ins Dunkel bringen?-

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Hans Heidsieck

Die Todesotter

Kriminalroman

Saga

Die Todesotter

German

© 1948 Hans Heidsieck

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711508558

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com– a part of Egmont, www.egmont.com

Professor da Costa blickte betreten von der Lektüre eines Geschäftsbriefes auf, als sein Prokurist ohne Anmeldung und im Zustande höchster Erregung zu ihm hereingestürzt kam.

„Herr Professor!!!”

„Was gibt es, Giuliano?” fragte da Costa ruhig, der nicht leicht aus der Fassung zu bringen war.

Giuliano Conti blieb mit lebhaften Gesten dicht vor dem Schreibtisch stehen. „Die Todesotter ist ausgebrochen”, stammelte er, „Sie wissen doch, Herr Professor — die kleine Schlange, die Doktor Ricardi in einem Sonderbehälter verwahrt hielt. Der Behälter ist leer.”

Ein Zucken um die Mundwinkel des Professors verriet, daß auch er jetzt von der Erregung seines Prokuristen angesteckt wurde. Hastig erhob er sich. „So! Und was sagt der Doktor dazu?”

Conti wurde verlegen. „Er ist noch nicht hier”, erwiderte er mit schwankender Stimme, „ich habe ihn auch telefonisch noch nicht erreichen können. Sonst pflegt er um diese Zeit immer schon da zu sein.”

Da Costa warf einen Blick auf die Uhr. Es war genau dreizehn Minuten nach neun. „Haben Sie bereits alles abgesucht?” fragte er.

Conti wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ja gewiß, selbstverständlich. Ich suchte das Zimmer des Assistenten ab und das Laboratorium. Die Schlange ist nirgends zu finden. Seltsamerweise hat die Tür zum Laboratorium offen gestanden; das Tier kann also auch weiter entwichen sein.”

„Weiß außer Ihnen jemand davon?”

„Ja. Der zweite Buchhalter, der den Doktor aufsucben wollte, um ihn etwas zu fragen. Er war es auch, der die Sache entdeckt hat.”

Der Professor schlug unwillig mit der Faust auf den Tisch. „Donnerwetter — das ist fatal. Es braucht nicht gleich im Hause herumzukommen, daß eine unserer gefährlichsten Giftschlangen unterwegs ist. Haben Sie dem Mann nicht gesagt, daß er den Mund halten soll?”

Conti starrte verwirrt vor sich nieder. „Herr Professor, ich war so erregt — — —”

Da Costa faßte ihn an der Schulter. „Kommen Sie! Kommen Sie! Da muß gleich was geschehen!”

Mit diesen Worten zog er den Prokuristen zur Tür hinaus.

Die beiden Herren rannten zum Hauptbüro der zoologischen Großhandlung, die hier von Genua aus den gesamten europäischen Kontinent mit Tieren jeglicher Gattung versorgte. Der zweite Buchhalter, ein scheuer und ängstlicher Mensch, hatte das böse Ereignis schon ausposaunt. Hierdurch war sofort eine panikartige Stimmung entstanden. Besonders die weiblichen Angestellten gebärdeten sich wie toll. Ein hysterisches Mädchen brach in Weinkrämpfe aus. Nur wenige Herren suchten mit ruhigen und vernünftigen Worten wieder Ordnung in dieses Chaos zu bringen.

Da Costa fuhr mit einem Donnerwetter dazwischen. „Seid ihr verrückt geworden? Das ist doch nur halb so schlimm! Außerdem wissen wir ja noch gar nicht, ob nicht Herr Doktor Ricardi das Tier zu Versuchszwecken mit sich hach Hause nahm. Im übrigen greift eine Schlange so leicht keinen Menschen an, wenn sie nicht gerade gereizt wird. Ich bitte Sie, ruhig wieder an Ihre Arbeit zu gehen. Inzwischen wird alles getan werden, um den Fall aufzuklären.”

Eine Stenotypistin, tiefrot im Gesicht, trat auf den Chef zu. „Die Polizei muß benachrichtigt werden!” rief sie mit fast überschnappender Fistelstimme. Dabei hielt sie scheu nach allen Richtungen Ausschau, ob die Schlange nicht bereits auf sie zukam.

„Die Polizei hat mit dieser Angelegenheit gar nichts zu tun”, erwiderte da Costa bestimmt und warf dem Mädchen einen verächtlichen Blick zu. „Was hier zu tun und zu lassen ist, das bestimme ich. Es ist unbedingt zu vermeiden, daß unser Institut durch eine solche Lächerlichkeit ins Gerede kommt. Wer es sich etwa einfallen läßt, meinen Anordnungen entgegenzuarbeiten, kann sich von Stund an als entlassen betrachten. Ich glaube hiermit deutlich genug gesprochen zu haben. Wenn Sie ein Hasenfuß sind, Signorina, gehen Sie ruhig nach Hause, bis die Angelegenheit aufgeklärt ist. Später sehe ich dann Ihrer mutigen Rückkehr entgegen.”

Das wirkte. Feigheit wollte sich niemand vorwerfen lassen. Die Leute begannen sich langsam auf ihre Plätze zurückzuziehen. Die Worte des Chefs, der bei alten hohe Achtung genoß, hatten ihre Wirkung getan. Die überlegene Ruhe, die ihn selbst stets beherrschte, übertrug sich auf seine Umgebung. Man sah ein, daß die Angelegenheit wirklich gar nicht so schlimm war, wie sie anfangs dargestellt wurde.

Im stillen machte sich allerdings mancher noch weiter seine Gedanken darüber. Eine gewisse Unruhe blieb bestehen. Aber äußerlich ließ man sich nichts mehr anmerken, — ja, man begann sogar Scherze zu machen und sich gegenseitig zu necken.

Da Costa zog sich mit Conti in sein Büro zurück. „Ich verstehe nicht”, sagte er, „daß der Doktor nicht kommt. Er könnte uns wahrscheinlich gleich eine Aufklärung geben. Ich verstehe das wirklich nicht.”

Während der Professor den Telefonhörer zur Hand nahm, fragte der Prokurist: „Und was soll nun veranlaßt werden?”

Da Costa sah ihn verwundert an. „Wie? Veranlaßt? Was zu veranlassen war, ist getan. Jeder weiß, was geschehen ist, und ich glaube kaum, daß ein einziger da ist, der nicht mit Luchsaugen Umschau hält. Wichtig erscheint mir nur, daß ich den Doktor erreiche.”

Der Professor hatte die Nummer der Leute gewählt, bei denen Doktor Ricardi zwei elegante Zimmer gemietet hatte. Eine Dame meldete sich.

„Verzeihen Sie bitte, Signora, — ich möchte Doktor Ricardi sprechen.”

„Doktor Ricardi? — Wer ist denn dort?”

„Hier spricht Professor da Costa.”

„Ach — Herr Professor — — — ich bin selbst ganz durcheinander. Der Doktor ist heute nacht nicht nach Hause gekommen. Eben bin ich in seinem Zimmer gewesen. Das Bett ist noch unberührt.”

Der Professor zuckte zusammen. „Hat er nichts hinterlassen?”

„Nein. Er ist immer so solide gewesen — — — bei Ihnen befindet er sich also auch nicht?”

„Dann hätte ich jetzt nicht bei Ihnen angerufen, Signora. Bitte benachrichtigen Sie mich sofort, wenn er kommt.”

„Selbstverständlich. Ob man nicht der Polizei davon Mitteilung machen soll?”

„Vorläufig nicht. Schließlich kann er ja mal woanders genächtigt haben. Ich habe das in früheren Zeiten sogar ziemlich oft getan. Wenn er freilich bis zur Mittagszeit nicht zurück ist — — na, darüber werden wir dann noch sprechen .....”

Da Costa legte den Hörer hin und starrte den Prokuristen an. „Er ist nicht zu Hause. Können Sie sich das erklären, Conti?”

„Nein, Herr Professor.”

„Ich auch nicht.”

„Vielleicht —” Conti kam nur zögernd damit heraus, — „vielleicht hängt es mit der Schlange zusammen.”

Da Costa horchte auf. „Meinen Sie? — Hm. Das wäre allerdings nicht beruhigend.”

Es war ein strahlender Tag, der über der Mittelmeerküste emporstieg. Die Sonne tauchte den Hafen von Genua, die Stadt und die Vororte in ein gleißendes Licht.

Ein wahrhafter Frühlingstag. Überall blühte es in den Gärten, hoben sich taubenetzte, buntfarbige Kelche dem Licht entgegen, — in einer prachtvollen Üppigkeit, wie man sie nur in diesen südlichen Ländern kennt.

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