Ich war enttäuscht, wenn ich auf den Abend zurückschaute, aber gleichzeitig hatte mich der Ansporn gepackt, noch nicht aufzugeben. Daher bahnte ich mir den Weg zurück in die Menschenmenge auf dem Festivalgelände.
Es war mittlerweile bereits nach 23 Uhr. Die Bands, die tagsüber die Festivalbesucher angeheizt hatten, waren mystischen Klängen gewichen, die aus den Lautsprechern quollen und wie dichter Nebel über das dunkle Gelände waberten.
Als Erstes begegnete ich einem jungen Mann, mit dem ich eine ganze Weile über Gott und das Leben sprach. Das war für mich sehr ermutigend, denn der Mann lief nicht gleich weg, sobald ich von Jesus erzählte. Danach ging ich einfach durch das Lager und studierte den kleinen Kosmos um mich herum mit seinen riesigen bunten Fratzen über den Zelteingängen und Traumfängern an jeder Ecke.
Ganz automatisch führten mich meine Füße nach einer Weile wieder hinaus, weg von den Menschen, ans Meer. So langsam machte sich das fehlende Abendessen im Magen bemerkbar. Die Anspannung und die Frustration, die mich den Tag über in Beschlag genommen hatten, verblassten, stattdessen überkam mich die schon lange überfällige Müdigkeit. Nur wenige Leute waren zu dieser Zeit am Strand unterwegs. Die meisten hatten sich wahrscheinlich in ihre Zelte zurückgezogen oder probierten sich noch bei den verschiedenen Angeboten auf dem Festivalgelände aus.
Erschöpft schlenderte ich über den Strand zum Meer. Ich beobachtete, wie meine Füße leise durch das Wasser glitten und mit jedem Schritt in den körnigen Sand einsanken. Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie sich mir jemand näherte. Als ich aufblickte, sah ich in der Dunkelheit zwei Personen. Während sie näher kamen, wurden ihre Silhouetten immer klarer und ich erkannte, dass es sich um eine Frau und einen Mann handelte. Zuerst dachte ich, sie wollten einfach wie ich das kühle Wasser genießen, doch sie schienen geradewegs auf mich zuzusteuern. Ich war erstaunt, dass ausnahmsweise mal jemand auf mich zukam – und das sogar trotz meiner offensichtlichen Müdigkeit.
Bevor ich irgendetwas sagen konnte, platzte der Mann mit den schwarzen Locken heraus:
»Do you love Jesus?«
Moment mal – die zwei mussten Teil unseres Teams sein. Wer sonst würde auf einem New-Age-Festival in Israel so ungeniert eine solche Frage stellen? Seiner Hautfarbe und seinem Akzent nach zu urteilen war er Israeli, aber unser Team war so groß, dass ich mir noch nicht alle Gesichter hatte merken können. Der Mann hatte etwas Fröhliches, Aufrichtiges an sich und konnte kaum älter als dreißig sein.
»Warum fragst du?«, erkundigte ich mich erst einmal vorsichtig.
Er antwortete: »Ich hab dich gesehen, wie du den Strand entlang gelaufen bist und deine Hände auf dein Herz gelegt hast. Das sah aus, als würdest du Jesus in deinem Herzen bewahren.«
Während mir innerlich die Kinnlade runterfiel, versuchte ich, mir meine Verwunderung nicht anmerken zu lassen. Seine freundliche, warme Stimme passte so gar nicht zu dieser unglaublich merkwürdigen Situation, in der ich mich gerade befand.
Die Frau, die bis zu diesem Zeitpunkt kein einziges Wort gesagt hatte, hatte es plötzlich eilig, uns zu verlassen. Aber der junge Israeli, der sich als Maor vorstellte, wollte sich offensichtlich sehr gerne weiter mit mir unterhalten. Er fragte mich, mit wem ich denn auf dem Festival so unterwegs wäre und ob er meine Freunde kennenlernen könne. Auf Nachfragen fand ich heraus, dass er Jude war, in Jerusalem lebte und somit nicht zu unserem Team gehörte. So dauerte es nur wenige Minuten, bis wir uns auf den Weg zu unserem Quartier machten, damit Maor meine Freunde und den Rest des Teams kennenlernen konnte.
Zu meiner Überraschung saßen immer noch ein knappes Dutzend Leute in kleinen Grüppchen auf den alten, sandigen Teppichen unseres »Wohnzimmers« und unterhielten sich. Einige von ihnen sahen erstaunt auf, als Maor und ich das Quartier betraten, denn er war unschwer als Israeli zu erkennen.
Kaum hatten wir das Wohnzimmer betreten, scharte sich eine Handvoll der israelischen Teammitglieder um uns, die Maor herzlich auf Hebräisch begrüßten. Nun wusste ich, dass er am richtigen Ort war.
Wir verbrachten anschließend noch zwei Tage auf dem Festivalgelände und ich sah Maor immer wieder beim Essen oder in offensichtlich ernste Gespräche vertieft in unserem »Wohnzimmer«. Manchmal konnte man ihm an den tiefen Furchen auf seiner Stirn ablesen, dass etwas in ihm arbeitete.
Am frühen Morgen des dritten Festivaltages machte sich unser kleines deutsches Team auf den Weg zu unserem nächsten Stopp: Jerusalem.
Aaron, der uns zum Festival gebracht hatte und dort bis zum Ende geblieben war, traf gegen Mitternacht ebenfalls in Jerusalem ein. Ich war noch wach und konnte es kaum fassen, als Aaron begeistert erzählte, dass sich Maor nach vielen Fragen und Gesprächen dafür entschieden hatte, sein Leben Jesus zu geben.
Etwas später lag ich in meinem Bett in unserem Gästehaus in Jerusalem, starrte an die Decke und ließ die Nacht, in der ich den Israeli kennengelernt hatte, noch einmal vor meinem inneren Auge ablaufen. Die einfache Frage von Maor, die er mir am Strand gestellt hatte, würde ich für immer in Erinnerung behalten:
»Do you love Jesus?«
Jetzt, zwei Tage später, konnte Maor diese Frage selbst mit »Ja« beantworten. Und ich hatte eigentlich gar nichts getan, außer Jesus in meinem Herzen zu bewahren und für Maor da zu sein.
Als meine Augenlider immer schwerer wurden und ich langsam in den Schlaf abdriftete, dämmerte mir, dass Gott eigentlich gar nicht so sehr an meinem Können interessiert war. Er brauchte keine besonders schlagfertigen Argumente oder meinen Charme, um fremde Leute anzusprechen. Er wollte einfach, dass ich aufmerksam dafür war, wen er mir in den Weg stellte, und bereit, darauf zu reagieren.
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