Impressum
© 1976/2021 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-122-7
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Sean Beaufort
Der letzte Kampf um die Schebecke entbrennt
Capitán Luis de Xira stützte sich schwer auf das Schanzkleid und starrte in den dunklen Dschungel, aus dem die vielen lauten Geräusche der nachtjagenden Tiere ertönten. Der Portugiese schwankte zwischen Haß und Erschöpfung, zwischen Angst und rasendem Zorn, zwischen einem Rest von Aberglauben und dem Wunsch, diesen verdammten Dschungel anzuzünden. Die Augenpaare, die ihn anstarrten wie die eines Gespenstes, gehörten zu Tieren, die andere Tiere jagten und fraßen .
Auch er und seine kleine Crew wurden gejagt. Der Feind steckte im Dschungel .
Er kannte diese Strolche nicht, die seine verzweifelte Arbeit ständig störten. Aber er war entschlossen, jeden zu töten, der sich zwischen ihn und die Stunde stellte, in der sie davonsegeln würden .
Es dauerte nur noch wenige Stunden. Dann war das Notruder fertig …
Die Hauptpersonen des Romans:
Luis de Xira– der portugiesische Capitán hat nur einen Wunsch: so schnell wie möglich aus der Bucht zu verschwinden.
Pete Ballieund Blacky– bewähren sich als Wildentenfänger und bringen eine Beute von neunundzwanzig „Schnattertanten“ ins Lager.
Don Juan de Alcazar– hat mehr Glück als Verstand, als er zwei Antilopen zur Strecke bringt.
Dan O’Flynn– betätigt sich als Artist und schaltet den portugiesischen Stückmeister aus, der gerade seine Drehbasse auf die Seewölfe abfeuern will.
Philip Hasard Killigrew– braucht viel Geduld, um den richtigen Augenblick zum Entern der Schebecke abzupassen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Capitán Luis de Xiras tiefliegende, dunkelbraune Augen verrieten nicht, wie es um seine Stimmung stand. Er beherrschte sich nur noch mühsam, aber es erleichterte ihn, wenn auch nur wenig, daß er arbeiten mußte. Er selbst schuftete vom Morgengrauen bis in die späte Nacht – weit mehr als jeder seiner Männer.
De Xira hatte Angst.
Er fürchtete um sein Leben und um das seiner letzten zehn Mannen.
Alvaro Belmonte, trotz der frühen Stunde bereits schweißüberströmt, richtete seinen Rücken gerade und deutete mit dem Daumen über die Schulter.
„Morgen früh sind wir verschwunden, endgültig“, sagte er halblaut.
„Das glaube ich erst, wenn wir auf hoher See und auf Südkurs sind“, entgegnete de Xiras mürrisch. „Gute Arbeit, das alles.“
„Ja. Sieht ganz gut aus“, antwortete Pedro Pascual und hämmerte weiter.
Das Ruderblatt war und blieb verschwunden. Wer es gestohlen hatte, während auf der savannenähnlichen Fläche die Strohpuppe brannte, wußten die Portugiesen nicht. Sicherlich dieselben Schurken, die in den Nächten heulend und dröhnend als Spukgeister erschienen und daran schuld waren, daß ein halbes Dutzend der Crew kopflos geflüchtet war.
Sie hatten die Taue durchschnitten sowie mehrmals die Balken und Stützgerüste losgeschlagen und eingerissen. Schließlich hatten sie auch noch ein Beiboot und eine Tranfunzel gestohlen. Sie würden, wenn sie die geringste Möglichkeit dazu hatten, in der nächsten Nacht wieder zuschlagen.
„Aber sie kommen mir nicht an Deck“, schwor sich der Stückmeister, der in den letzten Stunden die Pistolen durchgesehen und frisch geladen hatte, ebenso zwei Drehbassen. Er würde auf alles feuern, was sich bewegte.
Das Notruder würde eine einfache, aber wirkungsvolle Konstruktion werden. Ein langes, rechteckiges Stück Holz, aus breiten Planken mit Querbändern hergestellt, würde mit dem Schaft durch die Öffnung geschoben werden, über der die Pinne auf dem wirklichen Ruderblatt lag. Sämtliche Befestigungen bestanden nicht mehr aus Metall, sondern aus Leinen und Tampen.
Bartolomeu Gomes hob den Kopf. Er glaubte, wieder einen fernen Donnerschlag gehört zu haben.
„Schon wieder Ärger in Kavali?“ murmelte er und zuckte mit den Schultern.
Aber das Geräusch wiederholte sich nicht, und als er mit rotgeränderten Augen die Umgebung ausspähte, sah er vor den Hügeln, hinter denen seines Wissens das elende Kaff Kavali zu liegen schien, nur eine kleine Schafherde. Die Tiere fraßen am dürren Gras, und der Hirte, winzig klein, schien sich für alles andere als das Schiff zu interessieren.
„Hoffentlich brennt alles ab“, sagte Gomes und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Cristobal Dias und Nicolao Lamego, der Stückmeister, wateten, schwammen und balancierten zwischen Heck und Stützgerüst und bereiteten die Leinenenden vor, mit denen das Notruder leicht beweglich belegt werden sollte. Die Arbeit ging gut voran, obwohl die Müdigkeit groß und die Stimmung der winzigen Crew mehr als miserabel waren.
„Alberto!“ rief der Kapitän. „Bring uns etwas zu trinken!“
Heute sorgte der Messerwerfer für Backen und Banken. Gottlob hatten die Seewölfe genügend gebunkert. Die Vorräte für die Crew reichten mindestens einen Monat lang. Schließlich waren nur noch elf von einst fünfunddreißig Mann übriggeblieben.
„Sofort, Capitán!“ rief Alberto Roque aus dem Luk und verholte zur Kombüse.
Keiner von ihnen konnte sich erklären, was hinter den Hügeln und dem kümmerlichen Saum aus Gebüsch und braunen Palmenwedeln vorgefallen sein mochte.
Gestern, am Nachmittag, schien die Erde kurz gebebt zu haben. Dann hatten sie dumpfe Donnerschläge gehört. Schließlich war am Himmel eine große, träge davonziehende Wolke erschienen. Wolken dieser Art und Farbe hatten sie noch nie gesehen, jedenfalls nicht über dem Meer. Hier schien ein riesiger Brand gewütet zu haben, obwohl sie weder am Tag noch in der Nacht Flammen oder den Widerschein von Feuer hatten sehen können, auch nicht durch die Spektive.
Ob es etwas mit der Schwefelmine zu tun hatte?
Jedesmal, wenn de Xira daran dachte, zuckte er nur mit den Schultern. Schon möglich. Für ihn gab es Wichtigeres. Er hob die kleine Zimmermannsaxt und versuchte, die Oberfläche der wuchtigen Planke zu glätten. Unter den Schritten der Männer erzitterte das Achterdeck und das Grätingsdeck der Schebecke.
Der Tag hatte eben erst angefangen.
Er versprach, heiß zu werden, aber im Nordosten türmten sich schon jetzt Wolken auf. Sie versprachen Regen, wenn nicht Schlimmeres.
„Gleichgültig“, murmelte de Xira und wischte mit dem Unterarm den Schweiß aus dem Gesicht. Die Bartstoppeln kratzten.
„Wenn wir das echte Ruderblatt noch hätten“, sagte Alberto und hob den Krug und die Becher. „Hierher! Ein Schluck Wein wird keinem schaden.“
Lamego enterte auf. Sie hatten die Jakobsleiter an Backbord über das Schanzkleid zum Wasser abgefiert. Auch der Stückmeister, ein sonst kräftiger Mann, war am Ende seiner Leistungsfähigkeit. Obwohl es achtern gut aussah, war auch sein Gesicht von Verzweiflung gezeichnet. Jeder von ihnen hatte längst ein paar dutzendmal bereut, sich auf Drawida Shastri eingelassen zu haben.
„Von mir aus können wir das Notruder abfieren“, sagte er und schnappte sich den Becher. „Seid ihr soweit?“
„Da fehlt noch etwas“, antwortete der Kapitän.
„Wir werden schon rechtzeitig fertig“, meinte Alvaro Belmonte, der Erste.
Er schliff wie ein Besessener an den weniger glatten Holzteilen und schaute auf. Über die Schultern der anderen Seeleute hinweg sah er in der Richtung, in der sie Kavali und die Schwefelmine vermuteten, eine fahle Wolke davontreiben.
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