10. Älteste Erinnerungen? Eindrucksvolle oder oft wiederkehrende Träume? (Vom Fliegen, Fallen, Gehemmtsein, Zuspätkommen zum Eisenbahnzug, Wettlauf, Gefangensein, Angstträume).
Man findet dabei oft Neigung zur Isolierung, warnende Stimmen im Sinne übergroßer Vorsicht, Ehrgeizregungen und den Vorzug, der einzelnen Personen, der Passivität usw. gegeben wird .
11. In welcher Hinsicht ist das Kind entmutigt? Fühlt es sich zurückgesetzt? Reagiert es günstig auf Aufmerksamkeit und Lob? Hat es abergläubische Vorstellungen? Läuft es vor Schwierigkeiten davon? Fängt es verschiedene Dinge an, um sie bald stehenzulassen? Ist es seiner Zukunft unsicher? Glaubt es an die nachteiligen Wirkungen einer Vererbung? Wurde es von seiner Umgebung systematisch entmutigt? Hat es eine pessimistische Weltanschauung?
Ergibt wichtige Gesichtspunkte dafür, daß das Kind den Glauben an sich verloren hat und in einer fehlerhaften Richtung seinen Weg sucht .
12. Weitere Unarten: Schneidet es Grimassen? Gebärdet es sich dumm, kindisch, komisch?
Wenig mutige Versuche, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken .
13. Hat es Sprachfehler? Ist es häßlich? Plump? Klumpfuß? Rachitis? X- oder O-Beine? Schlecht gewachsen? Abnorm dick? Abnorm groß? Abnorm klein? Hat es Augen-, Ohrenfehler? Ist es geistig zurückgeblieben? Linkshändig? Schnarcht es bei Nacht? Ist es auffallend schön?
Hier handelt es sich um Lebensschwierigkeiten, die das Kind meist überschätzt. Es kann dadurch dauernd in die Stimmungslage der Entmutigung kommen. Eine ähnlich fehlerhafte Entwicklung findet man öfter auch bei sehr schönen Kindern. Sie geraten in die Suggestion, als ob sie alles geschenkt, ohne Anstrengung erhalten müßten und versäumen dabei die richtigen Vorbereitungen für das Leben .
14. Spricht es offen von seiner Unfähigkeit, von seiner »mangelnden Begabung« für die Schule? Für die Arbeit? Für das Leben? Selbstmordgedanken? Ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen seinen Mißerfolgen und seinen Fehlern? (Verwahrlosung, Bandenbildung.) Überwertet es den äußeren Erfolg? Ist es servil? Frömmelnd? Revoltierend?
Ausdrucksformen weitgehender Entmutigung. Oft erst nach vergeblichen Ansätzen emporzukommen, die wegen der anhaftenden Unzweckmäßigkeit, aber auch mangels genügenden Verständnisses der Umgebung scheitern. Sodann Suchen einer Ersatzbefriedigung auf einem Nebenkriegsschauplatz .
15. Positive Leistungen des Kindes. Visueller, akustischer, motorischer Typus?
Wichtiger Fingerzeig, da möglicherweise Interesse, Neigung und Vorbereitungen des Kindes in eine andere Richtung als die bisher eingeschlagene weisen .
Auf Grund dieser Fragen, die nie punktweise, sondern gesprächsweise zu stellen sind, niemals schablonenmäßig, sondern gleichzeitig aufbauend, ergibt sich immer ein Bild der Persönlichkeit, aus der die Fehlschläge wohl nicht als berechtigt, aber als begreiflich zu verstehen sind. Die aufgedeckten Irrtümer sind immer freundlich, mit Geduld und ohne Drohung aufzuklären.
Bei Fehlschlägen von Erwachsenen hat sich mir folgendes Untersuchungsschema als wertvoll erwiesen, bei dessen Einhaltung der Geübte wohl schon innerhalb einer halben Stunde eine weitreichende Einsicht in den Lebensstil des Individuums erhält.
Meine Erkundigungen verlaufen, freilich nicht immer nach der Regel, in folgender Reihenfolge, bei der der Kundige eine Übereinstimmung mit medizinischer Fragestellung nicht vermissen wird, wobei sich dem Individualpsychologen in den Antworten kraft seines Systems eine ganze Menge von Hinblicken ergeben, die sonst unbeachtet bleiben. Folgendes ist ungefähr die Reihenfolge:
1. Welches sind Ihre Klagen?
2. In welcher Situation waren Sie, als Sie Ihre Symptome wahrnahmen?
3. In welcher Situation leben Sie jetzt?
4. Welches ist Ihr Beruf?
5. Schildern Sie mir Ihre Eltern in bezug auf Charakter, Gesundheit, eventuell Todeskrankheit, und in Beziehung zu Ihnen.
6. Wie viele Geschwister haben Sie, an welcher Stelle stehen Sie, wie verhielten sich Ihre Geschwister zu Ihnen, wie stehen die anderen im Leben, sind sie auch leidend?
7. Wer war der Liebling des Vaters, der Mutter? Wie war die Erziehung?
8. Fragen nach Zeichen der Verwöhnung in der Kindheit (ängstlich, schüchtern, Schwierigkeiten in der Anknüpfung von Freundschaften, unordentlich usw.).
9. Erkrankungen und Verhalten zu Krankheiten in der Kindheit.
10. Älteste Kindheitserinnerungen?
11. Was fürchten Sie oder fürchteten Sie am meisten?
12. Wie stehen Sie zum anderen Geschlecht, seit Kindheit und später?
13. Welcher Beruf hätte Sie am meisten interessiert und, falls Sie ihn nicht ergriffen haben, warum nicht?
14. Ehrgeizig, empfindlich, zu Zornausbrüchen geneigt, pedantisch, herrschsüchtig, schüchtern, ungeduldig?
15. Wie sind die Personen Ihrer jetzigen Umgebung? Ungeduldig? Zornig? Liebevoll?
16. Wie schlafen Sie?
17. Träume? (Vom Fallen, Fliegen, wiederkehrende Träume, prophetische, von Prüfungen, Versäumen eines Zuges usw.)
18. Krankheiten im Stammbaum.
Ich möchte an dieser Stelle meinen Lesern einen wichtigen Hinweis geben. Wer bis zu dieser Stelle gelangt ist, aber die Bedeutung dieser Fragen nicht vollkommen begreift, sollte wieder von vorne anfangen und nachdenken, ob er dieses Buch nicht mit mangelnder Aufmerksamkeit oder � verhüte es Gott! � in feindlicher Absicht gelesen hat. Sollte ich die Bedeutung dieser Fragen für den Aufbau des vorliegenden Lebensstils hier erläutern müssen, so müßte ich auch das ganze Buch noch einmal wiederholen. Das wäre doch unbillig. So kann diese Fragenreihe und der Kinderfragebogen recht gut als Testprüfung gelten, als deren Resultat hervorgeht, ob der Leser mitgegangen, das heißt, ob er genügend Gemeinschaftsgefühl erworben hat. Dies ist ja auch die wichtigste Aufgabe dieses Buches, nicht nur in den Stand zu setzen, andere zu verstehen, sondern die Wichtigkeit des Gemeinschaftsgefühls zu begreifen und es bei sich selbst lebendig zu machen.
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Der Sinn des Lebens Der Sinn des Lebens Inhaltsverzeichnis 1. Die Meinung über sich und über die Welt 2. Psychologische Mittel und Wege zur Erforschung des Lebensstils 3. Die Aufgaben des Lebens 4. Das Leib-Seele-Problem 5. Körperform, Bewegung und Charakter 6. Der Minderwertigkeitskomplex 7. Der Überlegenheitskomplex 8. Typen der Fehlschläge 9. Die fiktive Welt des Verwöhnten 10. Was ist wirklich eine Neurose? 11. Sexuelle Perversionen 12. Erste Kindheitserinnerungen 13. Gemeinschaftshindernde Kindheitssituationen und deren Behebung 14. Tag- und Nachtträume 15. Der Sinn des Lebens Anhang: Stellung zum Berater Individualpsychologischer Fragebogen Menschenkenntnis Menschenkenntnis Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung I. Kapitel: Die Seele des Menschen II. Kapitel: Soziale Beschaffenheit des Seelenlebens III. Kapitel: Kind und Gesellschaft IV. Kapitel: Eindrücke der Außenwelt V. Kapitel: Minderwertigkeitsgefühl und Geltungsstreben VI. Kapitel: Die Vorbereitung auf das Leben VII. Kapitel: Das Verhältnis der Geschlechter VIII. Kapitel: Geschwister Charakterlehre I. Kapitel: Allgemeines II. Kapitel: Charakterzüge aggressiver Natur III. Kapitel: Charakterzüge nicht aggressiver Natur IV. Kapitel: Sonstige Ausdrucksformen des Charakters V. Kapitel: Die Affekte Anhang:Allgemeine Bemerkungen zur Erziehung Schlußwort Praxis und Theorie der Individualpsychologie Über den nervösen Charakter Adlers ausgewählte Arbeiten aus "Heilen und Bilden"
Vorwort
Einleitung
I. Kapitel: Die Seele des Menschen
II. Kapitel: Soziale Beschaffenheit des Seelenlebens
III. Kapitel: Kind und Gesellschaft
IV. Kapitel: Eindrücke der Außenwelt
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