Ich gab also auf, kapitulierte und plante meinen reumütigen Rückzug in das elterliche Haus in Kanada – mit »Ihr wusstet es schon immer«-Tattoo auf der Stirn. Ich musste mich damit abfinden, dass ich nicht dafür bestimmt war, L.A. zu erobern. Ich konnte kaum meine Miete bezahlen, geschweige denn mich als Schriftstellerin über Wasser halten. Schluchzend begann ich, mein Leben einzupacken und mich für den Umzug bereit zu machen.
Und an diesem seinem tiefsten Punkt begann sich mein Leben zu drehen.
Und eines kann ich Ihnen sagen: Wenn Sie Gott zum Lachen bringen wollen, brauchen Sie ihm nur Ihre Pläne zu erzählen.
In einem letzten verzweifelten Anlauf hatte ich mich für einen Job als Texterin beworben, den ich auf Craigslist gesehen hatte – und bekam ihn. Es war eine mit 15 Dollar in der Stunde bezahlte regelmäßige Schreibtätigkeit für ein kleines Persönlichkeitsentwicklungs-Start-up. Anfangs erschien mir das wie ein gewaltiger Dämpfer für mein Ego. Das waren nicht gerade die Art Texte, die zu schreiben ich mir vorgestellt hatte, als ich nach L.A. zog. Damals hatte ich mir vorgestellt, wie George Clooney mir meinen Oskar und seine Telefonnummer überreichen würde. Dieser Job war weder berauschend noch heldenhaft, aber ich befand mich nun einmal in einer Notlage und musste mir irgendwie Zeit erkaufen.
Ich stürzte mich mit Haut und Haaren in den Job und war in der Tat ziemlich gut darin. Ja, sogar mehr als das. Ich leistete gute Arbeit, knüpfte Kontakte und lernte viel über das Internet. Ich übernahm die Leitung eines kleinen Blogs namens »Pick the Brain« und mit dem Blog wuchs mein Selbstvertrauen. Binnen zweier Jahre wuchs PTB zu einer der erfolgreichsten Persönlichkeitsentwicklungs-Adressen im Netz heran und ich war die Chefredakteurin und Miteigentümerin. Irgendwann wurde mir klar: Ich lebte meinen Traum: Ich bezahlte meine Miete von meinen eigenen Worten! Was ich nicht erwartet hatte, war, wie viel ich am Ende von den Hunderten von Persönlichkeitsentwicklungs-Autoren lernte, die ich redigierte und betreute. Wie hätte ich, als ich anfing, wissen können, dass wir am Ende anderen Menschen helfen würden, genau die beschissenen Entscheidungen nicht zu treffen, die ich getroffen hatte. Es fühlte sich richtig, richtig, richtig gut an, anderen zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden.
Mit den Jahren setzte noch eine andere Wandlung ein. Ich begann mich an das Tausendsassa-Mädchen zu erinnern, das ich gewesen war, bevor mir das Leben ins Gesicht trat. Ich verbrachte große Teile meiner Arbeitstage damit, Persönlichkeitsentwicklungs-Texte von Menschen zu lesen, die so viel klüger waren als ich, und verdammt, es funktionierte. »Pick the Brain« half mir, die Puzzlestücke meines Lebens wieder zusammenzufügen und mich wieder in die Verfassung zu bringen, die ich brauchte, um jenes sich in einem fort entschuldigende, immer ängstliche und zimperliche Wesen abzuschütteln, das ich mit Anfang 20 geworden war. Hier nun lernte ich, mein Ding zu machen und mich einen Sch *darum zu kümmern, was andere von mir erwarteten.
Zwei Jahre später sammelten meine Partnerin Geri Hirsch und ich eine Million US-Dollar ein, um unser eigenes Lifestyle-Start-up namens LEAFtv zu starten – die erste In-Video-Shopping-Site im Netz. Ich hatte mehr als 300 Autoren aus aller Welt, die für »Pick the Brain« schrieben. Das Wirtschaftsmagazin Forbes listete den Blog 2013 unter den »100 einflussreichsten Websites für Frauen«.
Wieder zwei Jahre später wurde LEAF vom börsennotierten Unternehmen Demand Media – der heutigen Leaf Group – übernommen. Geri und ich wurden ebenfalls für zwei Jahre »übernommen«.
Ich hatte es geschafft!
Wirklich …?
Vor etwa drei Jahren jonglierte ich also mit zwei erfolgreichen Unternehmen in einer Branche, die niemals schläft, als eine abgefahrene New Yorker Literaturagentin bei mir anklopfte und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, ein Buch zu schreiben.
Ob ich ein Buch schreiben wollte?????
Also … MEIN GOTT, HALLO, ICH BIN’S, MARGARET! *
Dies und nichts anderes war der ganze Grund gewesen, warum ich überhaupt nach Los Angeles gekommen war.
Aber wie in aller Welt sollte ich das anstellen? Und was das absolut Absurdeste war: Sie wollten, dass ich ein Buch über Produktivität schreibe! Aber wie es aussah, hatte ich keine Wahl.
Ich musste irgendwie die Zeit dazu finden.
Wir unterzeichneten die Papiere, und 13 Jahre nach meinem Umzug nach L.A. war ich offiziell eine Autorin unter Vertrag. Ich konnte es kaum fassen.
Sieben lange Monate gingen ins Land, und ich hatte kein einziges Wort geschrieben. Kein. Einziges. Wort.
Zu meiner Überraschung ließ die Begeisterung von der New Yorker Seite nicht nach – wenn überhaupt, nahm sie noch zu. Man ließ mich nicht vom Haken. Ich machte mir Vorwürfe. Wie konnte ich mir diese Chance entgehen lassen? Wie konnte ich einfach nichts tun? Ich!?
Einen Monat später war ich nahe daran, das Handtuch zu werfen. Auf meinem Plan stand ein Telefongespräch mit meiner Agentin, um ihr von meinen letzten bescheidenen Überlegungen zum Produktivitätsbuch zu berichten, mit dem ich einfach nicht weiterkam. Guter Scherz. In Wahrheit wollte ich ihr sagen, dass der Augenblick nicht der richtige wäre und ich passen müsste.
Und das hätte ich getan, hätte ich nicht kurz vor dem Anruf eine ganz bestimmte E-Mail gelesen.
Als ehemalige Schülerin der besten Mädchenschule Winnipegs bekomme ich monatlich einen Newsletter mit der Betreffzeile »Calling All Crestlines«, was frei übersetzt bedeutet: »Schreib uns und berichte uns über deine Erfolge im Leben.« Drei oder vier Jahre lang hatte ich regelmäßig diese E-Mails bekommen. Und jedes Mal hatte ich sie geöffnet und mir all die tollen Errungenschaften der Ehemaligen angeschaut:
»Mary Joe Clairmont, geb. Smith, Jg. 96, hat soeben ihren ersten Nachwuchs Max zur Welt gebracht«; »Barbara Goldberg, geb. Rosen, Jg. 99, wurde an der Dalhousie University zum Masterstudium der Ingenieurswissenschaften zugelassen«; »Ginnie Rotthousen, geb. Flugaelsteen, Jg. 57, hat ihren neuen Golden Retriever erfolgreich stubenrein gemacht«.
Und seit drei oder vier Jahren sagte ich mir jeden Monat: Ich kann es gar nicht erwarten, selbst einmal etwas vermelden zu können. Vielleicht im nächsten Monat!
Kurz bevor ich mich zum Gespräch mit meiner Agentin einwählte, poppte also der monatliche Calling-All-Crestlines-Newsletter auf meinem Bildschirm auf, und ich scrollte mechanisch durch die Meldungen und wollte schon innerlich sagen: Ich kann es gar nicht erwarten, selbst einmal etwas vermelden zu können, als ich mir selbst ins Wort fiel.
»Willst du mich verarschen?«, sagte ich laut.
Du wünschst, du hättest etwas zu vermelden???
Wie wäre es mit … nun ja, vielleicht damit:
Du betreibst einen der meistbeachteten Persönlichkeitsentwicklungs-Blogs der Welt, hast dein Start-up nach nur zwei Jahren an ein börsennotiertes Unternehmen verkauft, stehst auf einer Forbes-Top-100-Liste, wurdest als eine der Top-Influencer in Los Angeles bezeichnet, hast heute 400 Leute, die für dich schreiben, wurdest zweimal eingeladen, einen TEDx-Talk zu halten, und hast in den sozialen Netzwerken mehr als EINE MILLION Follower …
Und als ich all das aufzählte – und echt stolz auf mich hätte sein können! – wurde mir stattdessen bewusst, wie müde und vergleichsweise unglücklich ich war. Ich rechnete mir all das Erreichte nicht an. Und vielleicht zählte das alles in meinen Augen einfach nicht. Ich schaute in keinem Augenblick zurück – ich hetzte nur immer weiter zum Nächsten … und zum Übernächsten! Mit anderen Worten: Ich war produktiv wie nur was, aber nicht nach meinen eigenen Maßstäben.
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