1 ...8 9 10 12 13 14 ...40 "I mag ka Weib."
Noch stark angegriffen, schrie er mit gewaltsamer Munterkeit:
"Frau Herzogin, was sagen Sie denn zu unserer Fatme? Ist sie nicht ein lieber Schneck?"
Sie reichte der Türkin die Hand.
"Gnädige Frau, von allen Meinungen, die vorhin geäußert sind, hat mir Ihre am besten gefallen. Sie war echt."
"Hoheit ist zu freundlich," erwiderte Fatme mit süßem Kinderlächeln. Phili flüsterte.
"Na, die andern haben schon strohdumm dahergeredet. Hoheit wissen ja: wenn ich könnte … Man erlaubt zur leider nichts, aber mit den andern bin ich nicht im Verwechseln, da muss ich schon bitten. Die Friederike schwätzt, was Platz hat…"
Fatme fiel ein.
"Nichts gegen Ihre Gemahlin, königliche Hoheit. Sie ist meine liebe Freundin."
"Weil ihr beide so liebe Männer habt. Drum hockt ihr immer beisammen und erzählt euch, wie's euch so wohl ist."
"Ich möchte den Pascha kennen lernen," sagte die Herzogin.
"Ich bring' ihn zu Ihnen, Hoheit. oh, er ist stark und energisch," erklärte Fatme mit Ehrfurcht.
"Ganz den Eindruck hat er mir auch in Ihrer Erzählung gemacht."
Fatme seufzte.
"Leider ist er mir untreu, — gerade wie der da meiner armen Friederike."
"Da schaut's die an!" rief Phili. "Habt's denn ihr euch gegen die bestehende Ordnung der Dinge zu empören? Der Pascha hat seinen Harem, das ist ja recht, und ich hab' auch meinen Harem."
"Sie auch, königliche Hoheit?"
"Kann ich denn nicht alle miteinander haben? Die Paliojoulai, die Tintinovitsch, was meinen's denn? Die Schnaken will mi a! 's scheniert mich ordentlich, wenn sie's vor der ganzen Gesellschaft durchblicken lassen. Der Percossini ist auch ein Lump. Immer hat er Mädeln, die er mir anbietet. Ah was —"
Er wandte sich halb ab und sah, das blasse Händchen im dünnen Backenbart, schmollend zu Boden.
"I mag ka Weib."
Fatme seufzte wieder, in Gedanken verloren.
"Wenn ich ihm nur auch einmal untreu sein könnte."
"Dem Pascha?" fragte die Herzogin. "Sie lieben doch Ihren Gemahl, gnädige Frau?"
"Eben darum. Er soll's einmal merken, wie das tut. Aber das ist ja das Unglück, es geht nicht. Was ich hier anstelle, unter den Christen, in Pariser Toiletten, das ist dem Manne ganz gleich."
"Wirklich?"
"Nur im Harem, da leidet er's nicht, da darf nichts vorkommen."
"Ach nein," meinte Phili, aufs neue angeregt.
"Drum möcht' ich so gern einen Mann in den Harem bringen."
"So gern," wiederholte sie mit gefalteten Händen.
"Ach gehn's, nehmen's mi mit," bat der Prinz.
"Der Pascha hat wohl einen krummen Säbel?" fragte lächelnd die Herzogin.
"Das ist es ja," bestätigte Fatme, mit weit geöffneten Augen.
Der Thronfolger wollte etwas sagen, schloss aber eilig den Mund. Seine Gemahlin war aus den Tiefen ihres Sessels aufgetaucht, sie glitt lang und lautlos auf die Plaudernden zu. Fatme zog sich mit Phili zurück. Die Prinzessin legte ihre kalte, magere Hand auf den Arm des Gastes, sie begann merklich verlegen.
"Wie befinden Sie sich, meine liebe Herzogin? Ist es hier nicht kalt? Wie mich im Süden friert! Die Zugluft aus den Kaminen! Und dieser steinerne Prunk!"
Sie warf trostlose Blicke über die vergoldete Dutzendeinrichtung für Königsschlösser, die den Raum halbleer ließ.
"Und dann die geistige Ode! Wenn wir über die höchsten Probleme debattieren, — Sie dürfen nicht meinen, liebe Herzogin, dass ich mich mit den hohlen Phrasen begnüge, die hier in der Luft schwirren. Verwechseln Sie mich nicht mit meiner Umgebung…"
"Wie könnte ich! Euere königliche Hoheit haben so viel nachgedacht…"
Aber die Prinzessin schien noch nicht erleichtert.
"Wenn das Volk wüsste, — wir Großen sind auch nicht immer glücklich," versetzte sie schleppend, und dann leise, hastig, mit überstürztem Entschluss:
"Sehen Sie meinen armen Mann … Wir beide sind recht sehr zu bedauern. Jeder nutzt seine Schwäche aus, ich glaube Percossini verkauft ihm Kognak. Der Baron ist gar zu industriös veranlagt … Und die Frauen! Alle werfen sich dem Thronfolger an den Hals. In Stockholm ahnte mir nicht, dass es solche Sitten gebe … Er weint manchmal in meinem Schoß und klagt mir, — aber was wollen Sie, er ist schwach. Sehr schwach…"
Sie grub ihren starren, blassen Blick in das Gesicht der anderen. Flehentlich, mit versagender Summe wisperte sie:
"Ich weiß, er stellt Ihnen nach. Bleiben wenigstens Sie kalt und standhaft! Eine anständige Frau … Wie wollte ich Sie achten!"
Der Herzogin blieb keine Zeit zu antworten. Sie spürte noch einmal den Druck von kalten Fingern auf ihrem warmen Arm, dann hatte Friederike sich ihren horchenden Höflingen zugewendet. Phili war sogleich bei der Herzogin.
"Hat sie Ihnen über mich vorgejammert?" flüsterte er. "Natürlich! So ein Kreuz mit der Frau. Kann sie denn gar nicht gemütlich sein? Soll sich doch ein Beispiel an meiner Mama nehmen! Die hat erst neulich dem Papa das lebensgroße Porträt von der Beate geschenkt. Aber meine Mama ist auch nobel, wirklich äußerst nobel, finden Frau Herzogin nicht?"
"Ah! Die Königin hat Seiner Majestät das Porträt seiner Freundin geschenkt!"
Sie sah weg; unvermutet empfand sie es, wie weit sie getrennt war von diesen Menschen und ihrem Seelenleben.
"Sie waren heute Abend still, königliche Hoheit?" fragte sie. "Hoffentlich nicht in trüber Stimmung?"
"Was denn sonst! Hier bei meiner Frau bekomme ich ja nur Tee, das ist doch zum Weinen. Wenn ich keinen Kognak habe, Frau Herzogin, dann denk' ich gleich an meinen unbefriedigten Ehrgeiz, und was für ein verfahrener Karren ich bin. Dann möchte ich meinen weißen Kragen umlegen."
"Ihren weißen Kragen?"
"Frau Herzogin wissen noch nicht? Meinen Infantenkragen, weiß mit Goldstickerei und Hermelinfutter. Ja, Frau Herzogin, ganz wie der Don Carlos. Ah! Den Don Carlos lieb' ich wie meinen leiblichen Bruder. Sind wir nicht Brüder? Sein Schicksal ist doch meines. Der unbefriedigte Ehrgeiz, die Pfaffen, alles gerade so. Ich hab' meinen Hinnerich, er seinen Roderich. Nur mit der Stiefmama hapert's. Ich will die Beate ja gar nicht; sie will bloß mich … Aber das Infantenkostüm ist wirklich chic, finden nicht, Frau Herzogin? Wenn ich mich Ihnen mal darin zeigen könnte. Da hätt' ich eine Bitte…"
Er hob sich auf die Fußspitzen und hauchte ihr seine zitternde Sehnsucht ins Gesicht.
"Frau Herzogin, gewähren's dem Don Carlos den Schlüssel zu Ihrem Kabinett!"
Sie zog den Kopf aus dem Bereiche seines Atems. Sie hatte seine Werbung nicht verstanden und redete gleichgültig den Baron Percossini an, der herzutrat. Der Thronfolger versank in Sinnen.
Der Kammerherr sagte:
"Bei unserm ernsten Meinungsaustausch über die Behandlung des Volkes werden Hoheit sich allerlei gedacht haben. Nicht wahr, jedes Wort schmeckte nach seiner Provinz. Alles so wichtig und so zweifellos. Nun, man tut eben mit … aber heimlich lächelt man, wie in Paris gelächelt wird."
Er lächelte fein.
"Hoheit werden mich mit meinen hiesigen Freunden nicht verwechseln."
Sie erwiderte:
"Natürlich nicht. Und sagen Sie bitte auch den Herren Paliojoulai und Tintinovitsch, sowie den Damen dieser Herren, dass ich sie mit niemand verwechsele."
Darauf verabschiedete sie sich von der Prinzessin. Phili wollte hinter ihr aus der Tür schlüpfen, doch ein schwerer Blick seines Adjutanten lähmte ihm den Fuß.
Die Herzogin war kaum draußen, als die eben verlassenen Gesichter ihr entfielen, wie zurückgetaucht in einen dicken Nebel von Langerweile und Beschränktheit. Sie erinnerte sich, müde und verstimmt, einiger unbestimmt lungernder Gestalten, zwischen denen Lakaien umherschlichen mit Teetassen und Bonbons. Während der folgenden Tage dachte sie mit Vergnügen an Pavic: seine Worte kehrten ihr ins Ohr zurück, sie klangen fast bedeutend. Sie schrieb ihm.
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