Die verlassene und bekümmerte Frau verkleidete und machte sich unkenntlich, so gut sie konnte. Bei anbrechender Nacht schlich sie in ein nahegelegenes Dorf, wo sie von einer guten Frau das erhielt, was sie brauchte, um das Wams nach ihrem Leibe zurechtzuschneiden und den Mantel in ein Paar Pantalons umzuwandeln; worauf sie ihr Haar kurz abschnitt, sich das Ansehen eines Matrosen gab und sich alsdann aufmachte und nach der Seeküste ging, wo sie von ungefähr einen Edelmann aus Katalonien, namens Sennor Encarach, antraf, der sein Schiff, das nicht weit davon vor Anker lag, bei Alba verlassen hatte, um sich bei einem Brunnen zu erfrischen. Sie ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein und ward mit ihm einig, bei ihm Dienst zu nehmen. Unter dem Namen Sicurano von Finale ging sie mit ihm an Bord. Sicurano ward nunmehr von seinem Herrn besser gekleidet und bediente ihn so geschickt und mit solchem Eifer, dass er sich sehr bei ihm in Gunst setzte.
Nicht lange danach schiffte der Katalonier mit einer Ladung Waren nach Alessandria und nahm einige auserlesene Falken für den Sultan mit, die er ihm überreichte. Dieser zog ihn einige Male zur Tafel, und wie er das Betragen des Sicurano, der ihn immer bediente, beobachtete und Gefallen an ihm fand, bat er den Katalonier, ihn ihm zu überlassen. Der tat es auch, obwohl er ihn ungern entbehrte. Sicurano erwarb sich in kurzer Zeit durch sein Wohlverhalten die Liebe und Zuneigung des Sultans in eben dem Maße, in dem er sich bei dem Katalonier beliebt gemacht hatte, daher es sich denn nach einiger Zeit begab, dass in Akka zu einer gewissen Jahreszeit ein öffentlicher Markt gehalten ward, wo sich eine große Menge christlicher und sarazenischer Kaufleute versammelten, und wohin der Sultan zur Sicherheit der Kaufleute und ihrer Waren jederzeit außer anderen Offizieren auch einen von den Großen seines Hofes mit einer gehörigen Wache zu schicken pflegte, um auf alles ein Auge zu haben. Als die Zeit herankam, entschloss der Sultan sich, Sicurano in dieser Eigenschaft dahin zu schicken, der die Sprache des Landes bereits genügend beherrschte.
Als nun Sicurano als Befehlshaber der Stadt und Hauptmann der Wache zur Sicherheit der Kaufleute und ihrer Güter nach Akka kam und seinen Dienst mit allem Fleiß versah, traf er, indem er allenthalben umherging, eine Menge Kaufleute, Sizilianer, Pisaner, Genuesen, Venezianer und andere Italiener, und unterhielt sich sehr gerne mit ihnen in Erinnerung an seine Heimat. Wie er nun auch einmal in das Gewölbe eines Venezianers kam, ward er unter anderen hübschen Sachen auch eine Börse und einen Gürtel gewahr, die er sogleich für die seinigen erkannte und sich darüber verwunderte, doch ließ er sich nichts merken und fragte nur sehr höflich, wem die Sachen gehörten, und ob sie verkäuflich seien.
Ambrogiuolo von Piacenza, der auch mit vielen Waren auf einem venezianischen Schiffe dahin gekommen war und hörte, dass der Befehlshaber der Wache nach diesen Sachen fragte, kam geschwind herzu und sagte lachend: „Herr, die Sachen gehören mir und sind mir nicht feil; wenn sie Euch aber gefallen, wird es mir eine Ehre sein, wenn Ihr sie als Geschenk annehmt.“
Sicurano schloss aus seinem Lachen, dass er an irgendeinem Zuge ihn vielleicht erkannt hätte, er nahm also eine ernsthafte Miene an und sagte: „Du lachst vielleicht darüber, dass ein Mann, der Waffen trägt wie ich, nach solchen Weibersachen fragt?“
„Herr“, sprach Ambrogiuolo, „ich lachte nicht darüber, sondern über die Art und Weise, wie ich zu diesen Sachen gekommen bin.“
„Wenn Ihr nicht besondere Ursache habt, ein Geheimnis daraus zu machen“, sprach Sicurano, „so erzählt uns doch bitte, wie Ihr sie gewonnen habt.“ „Herr“, sprach Ambrogiuolo, „sie wurden mir einst nebst anderen Sachen von einer hübschen Genueserin geschenkt, namens Madonna Ginevra, der Frau eines gewissen Bernabo Leomellin, nachdem ich die Nacht mit ihr zugebracht hatte, und sie bat mich, sie zum Andenken an sie zu behalten. Ich musste jetzt lachen, weil mir eben die Narrheit ihres Mannes einfiel, die so weit ging, dass er fünftausend Goldgulden gegen tausend mit mir wettete, dass ich bei seiner Frau meinen Willen nicht erreichen würde; allein es geschah, und ich gewann die Wette, und er, der sich lieber selbst für seine Dummheit hätte bestrafen sollen als seine Frau, die nichts mehr tat, als was alle anderen Weiber tun, ließ sein Weib umbringen, wie ich hernach gehört habe, sobald er von Paris nach Genua zurückkam.“
Sicurano merkte nun deutlich aus dieser Erzählung, was Bernabo so sehr gegen seine Frau aufgebracht hatte, und dass Ambrogiuolo an all ihrem Unglück schuld war. Er nahm sich augenblicklich fest vor, ihn nicht ungestraft entwischen zu lassen. Er stellte sich demnach gegen Ambrogiuolo, als ob er besonderes Wohlgefallen an dieser Geschichte hätte, und wusste sich so geschickt sein Zutrauen zu erwerben, dass er nach geendigtem Markt samt allen seinen Sachen mit ihm nach Alessandria zog, wo ihm Sicurano einen Laden einrichten ließ und ihm eine gute Summe Geldes vorstreckte, sodass er gern dablieb, weil er seinen Vorteil dabei fand.
Sicurano ließ es sich inzwischen sehr angelegen sein, Bernabo die Unschuld seiner Frau darzutun, und er ruhte nicht eher, bis er mit Hilfe einiger angesehener, genuesischer Kaufleute ein Mittel fand, ihn nach Alessandria zu locken, wo er endlich in armseligen Umständen ankam und wo ihn ein vertrauter Freund des Sicurano so lange heimlich beherbergen musste, bis es diesem schien Zeit zu sein, sein Vorhaben auszuführen. Er hatte bereits Gelegenheit genommen, Ambrogiuolo sein Märchen in Gegenwart des Sultans erzählen zu lassen und diesen damit zu ergötzen. Jetzt aber, da Bernabo angekommen war, säumte er nicht lange, sondern bat zu gelegener Zeit den Sultan, Ambrogiuolo und Bernabo zugleich vor sich kommen zu lassen und den Ersteren, wenn er sich nicht gutwillig dazu bequemen wolle, mit Gewalt zu zwingen, in Gegenwart des Bernabo die reine Wahrheit zu erklären, wie es mit dem Abenteuer zusammenhinge, das er mit der Gattin des Bernabo gehabt zu haben sich rühme. Als demnach Ambrogiuolo und Bernabo vorgeführt wurden, befahl der Sultan dem Ersteren in Gegenwart vieler Personen recht ungnädig, die reine Wahrheit zu erzählen, auf welche Art er Bernabo einst fünftausend Goldgulden abgewonnen habe. Auch Sicurano, der anwesend war und auf den Ambrogiuolo sein Vertrauen setzte, drohte ihm gleichfalls, Zorn im Blicke, die grausamsten Martern, wenn er nicht die Wahrheit bekenne, sodass Ambrogiuolo, dem man von allen Seiten zusetzte und der sich keine größere Strafe vermutete, als dass er die fünftausend Goldgulden dem Bernabo würde zurückgeben müssen, ohne dass es weiteren Zwanges bedurft hätte, in dessen Gegenwart und vieler anderen rein heraus bekannte, wie sich die ganze Sache verhielte.
Nachdem Ambrogiuolo alles gebeichtet hatte, wandte sich Sicurano, als des Sultans Stellvertreter, an Bernabo und fragte ihn: „Was tatest denn du infolge dieser Lüge mit deiner Frau?“
„Ich ließ mich“, sprach Bernabo, „von meinem Verdruss über den Verlust meines Geldes und über die Schande, die mir, wie ich glaubte, mein Weib zugefügt hatte, verleiten und befahl einem meiner Diener, sie umzubringen, der mir auch erzählt hat, sie sei alsobald von den Wölfen gefressen worden.“
Nachdem diese Geschichten in Gegenwart des Sultans waren erzählt und von ihm gehört und verstanden worden, und er aber noch immer nicht wusste, wohinaus Sicurano, der dieses alles verlangt und angestellt hatte, wolle, sprach dieser zu ihm: „Gnädiger Herr, Ihr seht nun klar genug, wie sehr sich die gute Frau ihres Ehemannes und ihres Liebhabers zu rühmen hatte. Der Liebhaber raubt ihr in einer einzigen Stunde ihre Ehre, indem er ihren guten Ruf durch Lügen befleckt, und zugleich die Liebe ihres Mannes. Und der Mann, der den Lügen eines Fremden mehr Glauben gibt als der Wahrheit, die ihm aus langer Erfahrung bekannt war, lässt sie totschlagen und von Wölfen zerreißen. Überdies gehen die Liebe und das Gefühl des Mannes und des Liebhabers für sie so weit, dass sie beide eine lange Zeit mit ihr an einem Orte wohnen, ohne dass einer von ihnen sie erkennt. Weil Ihr jedoch am besten wisst, was ein jeder von ihnen verdient hat, so will ich, wenn Ihr mir die besondere Gnade erweisen wollt, den Betrüger zu bestrafen und dem Betrogenen zu verzeihen, die Frau selbst vor Euch und ihnen hier erscheinen lassen.“
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